Toby Walsh: "It's Alive"

Eine Reise durch die Welt der Künstlichen Intelligenz

Buchcover für Lesart Toby Walsh, "It's Alive - Wie Künstliche Intelligenz unser Leben verändern wird"
Toby Walsh gelingt es auf unterhaltsame Weise gleichzeitig für KI zu begeistern und vor der Technik zu warnen. © imago stock&people
Von Jochen Dreier · 12.01.2019
Der Brite Toby Walsh versucht in seinem neuen Buch "It's Alive - Wie Künstliche Intelligenz unser Leben verändern wird" nach Kräften, die KI zu entdämonisieren. Das gelingt ihm ebenso überzeugend wie spannend. Gleichwohl tritt er auch als Warner auf.
Wird eine künstliche Superintelligenz eines Tages die Menschheit unterwerfen? Toby Walsh hält solche Ängste heute noch für völlig unbegründet. Bei allem Optimismus warnt er trotzdem davor, intelligenten Maschinen zu viel Entscheidungskompetenz zu geben.
Künstliche Intelligenz ist für die meisten ein Buch mit sieben Siegeln. Sie können zwar tagtäglich einen Heim-Assistenten bedienen, doch die dahinterstehende Technik ist nur wenigen verständlich und zugänglich. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum die Angst vor einer übermenschlichen, intelligenten Maschine so weit verbreitet ist und auf einen so fruchtbaren Boden fällt. Doch Toby Walsh schafft es in seinem Buch "It’s Alive – Wie künstliche Intelligenz unser Leben verändern wird", diese Ängste auf ein rationales und moderates Level herunter zu argumentieren. Und Walsh weiß, wovon er spricht. Der australische Forscher arbeitet seit mehreren Jahrzehnten auf diesem Gebiet und hat sich stets auch als guter Kommunikator bewiesen. Er schreibt einen Blog, hält Vorträge und nun dieses Buch, das auch Laien einen Zugang zu diesem höchst komplexen, aber auch höchst wichtigen Thema geben kann.

KI haben heute noch deutliche Grenzen

Das schafft er vor allem auch durch seine leichte Erzählweise, die nur manchmal in mathematische Komplexität ausbricht, aber auch durch einen nachvollziehbaren Aufbau. Er beginnt mit der Geschichte des Forschungsgebiets, stellt Pioniere wie Charles Babbage und Ada Lovelace vor, die schon im 19. Jahrhundert grundlegende Theorien verfassten, die bis heute Bestand in der Computertechnik haben – ohne jemals auch nur ein automatisiertes Rechengerät gesehen zu haben. Auch der britische Computerpionier Alan Turing bekommt bei Walsh die herausragende Stellung, die er in der Entwicklung von intelligenten Maschinen bis heute inne hat: Das Buch beginnt und endet mit einem Zitat Turings.
Von der Vergangenheit führt Walsh in das Jetzt. Er führt vor Augen, dass wir es heute vor allem mit Expertensystemen zu tun haben, die eine einzelne Aufgabe zwar meisterhaft beherrschen, alle anderen dagegen nicht. Wir kennen heute im wissenschaftlichen Sinn nur "schwache KIs", die für sich genommen beeindruckend sind und den Alltag verändern, doch die Auslassungen über das "schwierige Problem" des Bewusstseins – und wie man überhaupt Intelligenz messen kann –, zeigen die Grenzen solcher KI auf. Denn wirklich intelligente Maschinen, Superintelligenzen und starke KIs müssten den Menschen in allen Bereichen überflügeln: bei der Fähigkeit Probleme zu erkennen und zu lösen, bei der Kreativität, der Weisheit und sozialer Kompetenz.

Bei einem Brand würde AlphaGo einfach weiterspielen

Aber selbst AlphaGo, jene KI, die den Weltmeister im höchstkomplexen Brettspiel Go besiegt hat, würde heute bei einem Hausbrand einfach weiter Go spielen. Der menschliche Weltmeister Lee Sedol würde ganz selbstverständlich die Partie abbrechen und das Haus verlassen.
Walsh tritt aber auch als Warner auf. Er fordert mehr Diskussionen über ethische Grundlagen im Zusammenleben mit Maschinen, er fordert den Bann von autonomen Waffensystemen und er fordert mehr Frauen in der KI-Forschung. Diese sei zu wichtig und blinde Flecken zu folgenreich, um sie ausschließlich weißen Männern zu überlassen.

Ohne Effekthascherei

Am Ende des Buches ist die Angst vor Superintelligenzen dahin. Doch eine heute viel wichtigere Frage stellt Toby Walsh in den Raum. "Welche Entscheidungen dürfen wir Maschinen anvertrauen? (...) Auch wenn die Zeit kommen sollte, in der Maschinen bessere Entscheidungen als Menschen treffen können, meine ich, dass es Entscheidungen gibt, die wir ihnen nicht überlassen dürfen."
Toby Walsh hat damit ein Buch über KI veröffentlicht, das ohne Effekthascherei Stand und Möglichkeiten von KI beschreibt, das warnt und für die Technik gleichzeitig begeistern kann. Und das vor allem auch für eine breite Masse von zu Intelligenz fähiger Wesen lesbar sein sollte.

Toby Walsh: "It's alive - Wie Künstliche Intelligenz unser Leben verändern wird"
aus dem Englischen von Naemi Schuhmacher und Sonja Schuhmacher
Edition Körber, 2018
352 Seiten, 18 Euro

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