Tiertransporte in Kanada

52 Stunden ohne Futter und Wasser

Ein Rind schaut während einer Polizeikontrolle eines Tiertransporters auf einem Parkplatz an der Autobahn 250 (Maschen-Lüneburg) verängstigt durch einen Belüftungsschlitz.
Polizeikontrolle in Deutschland: Ein Rind schaut aus einem Tiertransporter. In Kanada gelten die Tierschutzgesetze als besonders veraltet. © picture alliance / dpa / Hans-Jürgen Wege
Von Kai Clement · 10.05.2016
Kanadas Regelungen von Tiertransporten sind über 40 Jahre alt. Sie erlauben es, Rinder über zwei Tage lang ohne Futter und Wasser zu befördern. Und die neue kanadische Regierung überrascht - weil sie bisher schweigt.
Geprügelte, gequälte und abgeschlachtete Schweine: Das Video der kanadischen Tierschutzorganisation "Mercy for Animals", also etwa "Mitleid mit Tieren", ist verstörend. Aufgenommen wurde es in einem kanadischen Farmbetrieb.
Die Tierschützer sorgen seit Jahren mit solchen mit versteckter Kamera aufgenommenen Videos für Aufsehen. In der Provinz Britisch Kolumbien hat das Anfang dieses Monats zu einer Anklage in 20 Fällen von Tierquälerei geführt. Eine Milchfarm und sieben ihrer Mitarbeiter sind beschuldigt, mit Knüppeln auf Kühe eingeschlagen zu haben.
In Sachen Tierschutz sei Kanada weit abgeschlagen, besonders wenn es um Tiertransporte geht, das sagt jetzt Krista Hiddema von "Mercy for Animals" dem kanadischen Sender CTV.

Regelungen seien über 40 Jahre alt

Kanadas Regelungen seien gar die schlimmsten der ganzen westlichen Welt, so ihr Urteil. Schlimm – und uralt. Über 40 Jahre alt. Sie erlauben den Transport von Rindern für bis zu 52 Stunden ohne Wasser, ohne Futter. Also: zwei Tage und vier Stunden lang. Für Schweine und Hühner sind es immer noch anderthalb Tage. Viel länger als in den USA oder Europa.
"Sie sind auch nicht vor den Wetterbedingungen geschützt. Es gibt keine Tiefsttemperatur, ab der Transporte verboten sind, auch keine Höchsttemperatur."
Sayara Thurston vertritt die Tierschutzorganisation "Humane Society". Wie Krista Hiddema sieht sie dringenden Handlungsbedarf. Tierschützer setzen auf Kanadas neue, im November eingeschworene Regierung, vor allem den neuen Landwirtschaftsminister Lawrence MacAulay.
In dessen Ernennungsschreiben gibt es neun Hauptpunkte – von verbessertem Tierschutz ist dort allerdings keine Rede. Nach unterschiedlichen Schätzungen kommen jährlich Millionen Tiere bei Transporten in Kanada um.

Modernisierung des kanadischen Tierschutzgesetzes

Krista Hiddema von "Mercy for Animals" schätzt die Zahl gar auf acht Millionen. Wie sie baut auch Nathaniel Erskine-Smith auf den Regierungswechsel. Der selbst der Regierungspartei angehörende liberale Politiker hat Ende Februar einen Gesetzesentwurf eingebracht: zur Modernisierung des kanadischen Tierschutzgesetzes. Darin geht es etwa um ein Importverbot von Haifischflossen. Nathaniel Erskine-Smith betont aber vorsorglich: das Gesetz werde Interessen von Landwirten nicht berühren:
"Kanadier, egal ob Konservative, Sozialdemokraten oder Liberale oder Farmer, interessieren sich für Tierschutz. Aber es gibt die Sorge, dass er Landwirtschaft, Jagd oder Wissenschaft beeinträchtigen könnte. Unsere Botschaft ist: Nein, das ist nicht der Fall."
Also weiter so wie bisher? In Kanadas neuer liberaler Regierung wird es erstaunlich still, wenn es um Tierschutz geht. In der sogenannten Thronrede zum Amtsantritt: kein Wort davon. Auch Äußerungen von Landwirtschaftsminister MacAulay etwa zu Tiertransporten sind Mangelware. Eine Anfrage des "National Observer" brachte lediglich die kurze schriftliche Antwort: "Die kanadische Regierung untersucht weiterhin die humanen Transportregelungen."
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