Tiertafel verteilt Futter-Spenden

Damit der Hund nicht hungern muss

Hunde warten in Köln vor der Ausgabestelle der Tiertafel. Hier können Bedürftige kostenlos Futter für ihre Tiere abholen.
Bei der Tiertafel Köln-Höhenhaus können Bedürftige kostenlos Futter für ihre Tiere abholen. © Oliver Berg/ dpa
Von Natalie Putsche · 04.02.2019
Sieht das Leben wegen Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Armut düster aus, ist das Haustier oft der beste Freund. Damit Tierliebe nicht zur Geldfrage wird, haben Betroffene in Köln ein Tiertafel gegründet. Sie verteilen Futter-Spenden an Bedürftige.
"Ne stolze Omi bist du. So, dann gehen wir mal. Schlüssel darf ich nicht vergessen. Durch das Morphium. Ich bin so vergesslich. Aber ohne Morphium kann ich ja nicht mehr laufen."
Im Treppenhaus der Wohnung von Detlef Schmitz in Köln. Zusammen mit Boxerhündin Chica wollen wir Gassi gehen. "Neuerdings bellt die sofort, wenn die rauskommt." – "Ja, das ist, was ich sagte: Sie hat ihren eigenen Kopf, wenn sie nicht will, will sie nicht."

Einen Tag vorher lerne ich Detlef bei der Tiertafel in Köln-Höhenhaus kennen. Es ist ein sonniger Freitagmittag, sehr kalt. Hinter dem ausgeklappten Biergartentisch, der als Ausgabetheke dient, steht Detlef zusammen mit anderen Helfern und reicht in Handschuhen Tüten und Dosen über den Tisch. Detlef hat die Tiertafel vor zwei Jahren in dem Kölner Stadtteil gegründet. Er winkt Ines zu uns heran. Sie scheint Ansprechpartner für beinah alles im Verein zu sein.
"Ja, ich stehe immer hier an der Info, bereite das dann vor. Hier können die Leute sich anmelden. Dann ist da drüben die Ausgabe, da sind immer so drei Leute. Für manche Bedürftigen, die uns Bescheid sagen, dass ihr Tier manche Sachen nicht verträgt, pack ich schon immer vorher in der Garage Taschen vor."

"Das sind ja feste Familienmitglieder"

Jeden zweiten Freitag ist Tierfutterausgabe. Circa 50 Leute kommen in den eineinhalb Stunden hierher, um für ihre Tiere Futter abzuholen. Ich sehe vor allem ältere Leute. Viele Rentner darunter. Aber auch junge Obdachlose und Harz-IV-Empfänger sind unter den Abholern.
"Vorher war ich alleinerziehend mit vier Kinder, das heißt, man kennt es schon", sagt Ines. "Das heißt, man muss die Brut durchkriegen. Und das gilt eben auch für die Leute mit ihren Tieren. Das sind ja feste Familienmitglieder. Die Leute sparen sich teilweise auch die zwei Euro vom Munde ab. Da wir noch keinen Sponsor haben, müssen wir einen kleinen Obolus nehmen."
Wer regelmäßig zur Tiertafel kommt, hat einen in Folie eingeschweißten Ausweis. Das macht Ines zu Hause. Wichtig ist, dass man seine Bedürftigkeit nachweisen kann. Harz IV, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe. Irgendwas davon muss auf den mitgebrachten Kopien stehen.

Sonderangebote und Spenden

"Und, sag Ines, woher kommt das Futter?" – "In einem Fressnapf kriegen wir auf die Hausmarke 20 Prozent: Wenn Sonderangebote sind, kaufen wir dazu. Und oft auch Spenden."
Ines stellt mir Peter vor, der mir auch sofort das Du anbietet. Hier duzen sich alle. "Und du kommst regelmäßig hierher?" – "Ja, weil: Ich hab eine ganz kleine Rente und da kann ich mir das Tierfutter beim Rewe oder beim Minimal nicht erlauben."
Peter erzählt mir, dass er vom Hund auf die Katze gekommen ist: "Ein ziemlich schwerer Kater. Der wiegt fast acht Kilo, ist erst zwei Jahre alt."
Ich frage, ob er ihn mir vorstellen möchte und mir mehr über die Bedeutung seines tierischen Mitbewohners und seine Lebenssituation erzählen will. Er willigt ein.
Zu Hause bei Peter: Jemand verschwindet in den eher dunklen Nebenraum. Wahrscheinlich Peters Frau. Vermutlich ist es ihr unangenehm, dass Peter Besuch mitgebracht hat. Peter hat den Fernseher ausgemacht, uns Kaffee gekocht und wir sitzen auf einer alten Eckbank am Esstisch. Alles in dem kleinen Raum hat schon deutlich bessere Tage gesehen. Peter ist jetzt 63 und seit fünf Jahren Frührentner.
"Aus gesundheitlichen Gründen. Ich hab OSCB 4. Das ist eine Lungenkrankheit. Das heißt, mir platzen die Lungenbläschen auf der Lunge." – "Wie hoch ist deine Rente?" – "483 Euro. Ich krieg nur eine Teilerwerbsminderungsrente."
Peters Miete zahlt die Sozialhilfe, und am Ende bleiben knapp 400 im Monat. Davon müssen er und seine Frau zusammen leben. "Würdest du dich als arm bezeichnen?" – "Ja, also dafür, dass ich so lange gearbeitet habe, bin ich arm. Ich war das letzte Mal im Urlaub 1981."

Das Tier "dankt es dir ja"

"Was ist mit Gismo? Der bekommt aber alles, was er möchte, oder?" – "Wir gucken sogar, dass er immer was zu essen hat, auch wenn ich dann mal im Monat was weniger habe zu essen. Weil: Er dankt es dir ja."
"Wie dankt er es dir denn?" – "Allein das Dasein von dem Kater. Er gibt eben so viel Liebe zurück." Peters Augen werden glasig. "Der Hund zum Beispiel, die Babsi, war auch mehr wie ein Freund. Wie ich den einschläfern lassen musste, das hat einen Knacks gegeben."
Peter holt die Portion mitgebrachtes Trockenfutter von der heutigen Tiertafel: "Gismo, komm, Leckerchen. Du bist ja dem Papa sein Bester. Er braucht mindestens am Tag zwei Mal seine Streicheleinheiten, sonst geht es ihm nicht gut." Klingt, als würde Peter auch sich damit meinen.

"Da bleibt nicht mehr viel übrig für den Hund"

Das Prinzip Leckerchen kommt auch zum Einsatz, als ich Detlef besuche. "Wer ist denn die fremde Person?" Chica ist eine überdurchschnittlich große, über 40 Kilo schwere Boxerhündin.
"Die hatte ja zwei Kreuzbandrisse schon gehabt am Anfang. Und natürlich 2500 Euro ist viel Geld. Und da hab ich Gott sei Dank die Boxerhilfe gefunden, die mir die OPs bezahlt haben."
Detlef ist im Notfall angewiesen auf solche Initiativen und überhaupt dankbar für jede Hilfe. Der 57-Jährige hat MS und ist quasi kaputt geschrieben. So nennt er seine Arbeitsunfähigkeit.
"Wieso dachtest du, wär das nötig, so eine Tiertafel aufzuziehen?" – "Da ich ja von der Selbstständigkeit ins Harz IV reingekommen bin. Alles wird teurer: Miete, Strom, Lebensmittel. Da bleibt nicht mehr viel übrig für den Hund. Ich rauche nicht, ich trinke nicht. Lebensmittel von der Tafel, zum Beispiel das Leergut, ich nehme das Leergut mit. Und das kommt immer in einen extra Döschen, wenn irgendwas ist mit Tierarzt. Ich laufe ja unter Schmerzen. Und dann sag ich mir: Wenn die nicht mehr, wofür soll ich rausgehen?"

"Durch das Tier hat man noch Beschäftigung"

"Und würdest du sagen, ohne Tier wärst du einsam? Oder würdest nicht mehr der sein können, der du noch sein kannst?" – "Ja, das trifft genau zu. Durch das Tier hat man noch Beschäftigung. Und wenn die Tafel nicht wäre, ich wüsste nicht, was ich machen würde, ehrlich nicht."
Es scheint viel Hilfe untereinander zu geben. Über die Tafel kommen die Menschen miteinander in Kontakt. Aber die beste Freundin für Detlef ist Chica.
"Ich geh mit der spazieren, ich spiele draußen. Aber wenn ich zu Hause bin mit der, die weiß irgendwie genau, dann ist Ruhe. Wir kommen zusammen parat, wie ein altes Ehepaar!"
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