Tierfutter

Proteinquell für die Aquakultur

Fische in einem Bassin eines Berliner Forschungsprojekts zur Aquakultur
Tilapia-Fische schwimmen im Bassin eines Berliner Forschungsprojekts zur Aquakultur © dpa / picture alliance / Michael Kappeler
Von Antje Stiebitz · 10.05.2014
Bei der Aufzucht von Fisch in Aquakulturen verfüttert man oft doppelt soviel Fisch, wie am Ende herauskommt. Deshalb suchen Forscher nachhaltige Alternativen − die Fliegenmade könnte eine sein.
Im Keller des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei, direkt am Ufer des Berliner Müggelsees, dröhnen die Wasserpumpen.
Im dritten Stock in der Abteilung für Ökophysiologie und Aquakultur beschäftigt sich ein wissenschaftliches Team mit der schwarzen Soldatenfliege. Oder genauer mit deren Larven, mit Fliegenmaden. Zugegeben, das klingt zunächst etwas unappetitlich, aber der Biologe Sven Würtz kann daran nichts ekelig finden. Er betrachtet sie als die Lösung für ein Problem:
"Letztendlich können wir feststellen, dass einfach Lebensmittel oder Nahrungsmittel, Grundnahrungsmittel nicht mehr werden. In dem Zusammenhang ist die Aquakultur einfach der am schnellsten wachsende landwirtschaftliche Sektor schlechthin, weltweit gesehen zumindest. Und da stellt sich natürlich die Frage: Fische brauchen Proteine, und woher bekommt man die?"
"Wie viel Fisch frisst ein Fisch?" Diese Frage bewegt die Nachhaltigkeitsdebatte über Aquakulturen. Vor allem Raubfische brauchen viel Eiweiß in der Nahrung. Das bedeutet, dass der Anteil an Fischmehl in ihrer Nahrung hoch sein muss. Und Fischmehl besteht aus wild gefangenem Fisch. Kurz: Ein Raubfisch verbraucht mehr Fisch, als er selbst liefert. Also bedeutet Fischmehl für die Aquakultur eine Gefahr für die lebenden Fischbestände.
Sven Würtz: "Und insofern ist eben die Frage, woher bezieht man jetzt gute Proteine, hochqualitative Proteine für die Ernährung von Fischen? Und da bieten sich eben Insekten hervorragend an. Die sind wesentlich geeigneter als beispielsweise Kartoffel- oder Rapsproteine."
Pflanzliches Eiweiß aus Soja, Kartoffeln oder Raps liegt den Fischen scheinbar so schwer im Magen, dass sie nicht schnell genug zunehmen. Tierisches Eiweiß hingegen, wie es die kleine weißliche Made der schwarzen Soldatenfliege liefert, ist für die Fische nahrhaft und besser verträglich. Dazu kommt: Die Fliegenmade ist nicht wählerisch. Ihre Mundwerkzeuge zerkleinern alles, was die Regale unserer Supermärkte hergeben, egal ob frisch oder vergammelt. Sie frisst jeden Tag das Doppelte ihres Körpergewichts. Gekocht, getrocknet und zerrieben, ergibt ihr vollgefressener Körper proteinhaltiges Fliegenmadenmehl.
Sven Würtz deutet mit dem Finger auf komplizierte Listen, die detailliert dokumentieren, wie viel Kilogramm Fliegenmaden die Forscher an die Fische verfüttert haben und wie viel Gewicht die Fische daraufhin zulegten. Aus diesem Verhältnis berechnet sich der Futterquotient, und der ist im Fall der Fliegenmade sehr günstig. Außerdem nennt der Biologe noch einen weiteren Grund, warum sich ausgerechnet die Soldatenfliege so gut als Futter für die Aquakultur eignet:
"Die ist halt hervorragend geeignet, weil sozusagen überhaupt keine Bedenken im Hinblick auf die menschliche Gesundheit bestehen."
Gleichwertige Alternative zum Fischmehl
Ob die Fische bei der Fütterung an der Wasseroberfläche nach Fischmehl oder Fliegenmadenmehl schnappen, spielt aus Sicht der Aquakultur-Forscher keine Rolle. Ihre Studien belegen, dass Fliegenmadenmehl eine völlig gleichwertige Alternative zum herkömmlichen Fischmehl ist.
Die Fliegenmade dient dem Menschen also gleich zweifach: Sie arbeitet als lebender Komposthaufen unseren organischen Wohlstandsmüll auf und gibt ein ausgezeichnetes Fischfutter ab.
Fliegenmaden, so interpretieren die einen euphorisch, könnten eine Revolution für die Tierzucht des 21. Jahrhunderts bedeuten. Wirtschaftliche Betriebe wittern bereits ein einträgliches Geschäft und testen die industrielle Nutzung der Soldatenfliege.
Kann die Fliegenmade den Welthunger beseitigen? Franscisco Mari von der Hilfsorganisation Brot für die Welt reagiert etwas ungehalten:
"Nichts dagegen, aber man soll nicht so tun, als ob das Lösungsansätze sind zur Welternährung oder zur Verhinderung von Hunger. Hunger ist ein Verteilungsproblem und nicht ein Produktionsproblem."
Sven Würtz hält dagegen, "dass das ein ganz ganz wertvoller Beitrag ist, Ressourcen effektiv zu nutzen. Also für vorhandene landwirtschaftliche Reststoffe ist das eine ganz tolle Methode, die in die Lebensmittelproduktion einfließen zu lassen."
Doch zunächst müssen sich alle Fliegenmaden-Fans noch gedulden. Denn bislang verbietet das EU-Recht die Verfütterung von Insektenmehl an Nutztiere. Allerdings überprüft die EU-Kommission das geltende Gesetz.
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