Thor Heyerdahl

Mit dem Floß über den Ozean

Thor Heyerdahl (vorn) und Arbeiter beim Bau des Papyrus-Bootes in Gizeh in Ägypten 1969. Das Boot wurde nach dem ägyptischen Sonnengott "Ra" benannt. Der norwegische Forscher Heyerdahl und seine sechsköpfige, internationale Mannschaft starteten am 25.05.1969 vom Fischerhafen Safi in Marokko mit ihrem 15 Meter langen und 12 Tonnen (nach anderen Angaben 15 Tonnen) schweren Boot zu ihrer 6400 Kilometer langen Fahrt über den Atlantik gen Westen.
Thor Heyerdahl hier 1969 vor dem Papyrus-Boot "Ra" nach dem Vorbild ägyptischer Reliefs und Wandmalereien © picture alliance / dpa / UPI
Von Irene Meichsner · 06.10.2014
Thor Heyerdahl ließ sich mit primitiven Wasserfahrzeugen furchtlos über die Ozeane treiben. Denn er wollte beweisen, dass schon alte Kulturen von Südamerika nach Polynesien gelangten. Sein Reisebericht "Kon-Tiki - Ein Floß treibt über den Pazifik" wurde fast 100 Millionen Mal verkauft. Die etablierte Wissenschaft reagierte gereizt auf ihn.
Als Kind war er ängstlich, introvertiert und wasserscheu. Später ließ sich Thor Heyerdahl mit primitiven Wasserfahrzeugen furchtlos über die Ozeane treiben.
"Mit meiner ersten Reise zur See, mit Kon-Tiki, wollte ich beweisen, dass es möglich wäre für die alten Zivilisationen in Südamerika, nach Polynesien zu kommen. Aber alle Wissenschaftler in der ganzen Welt sagten, das wäre unmöglich. Denn in Amerika vor Kolumbus gab es keine Schiffe. Die Inkas in Peru hatten nur Balsa-Flöße. Ich wusste nichts von Seefahrt, aber ich habe ein Balsa-Floß gebaut, genauso, wie die Wissenschaftler einig waren. Und fünf Norweger und ein Schwede in 101 Tag fuhren wir mit einem Balsa-Floß von Peru nach Polynesien."
Reiseberichte rückten Heyerdahl ins Rampenlicht
Der Erfolg rückte den Norweger 1947 schlagartig ins Rampenlicht. Heyerdahls packend geschriebener Reisebericht "Kon-Tiki. Ein Floß treibt über den Pazifik" wurde in 67 Sprachen übersetzt und fast hundert Millionen Mal verkauft. Fasziniert hörten die Menschen, dass er 1937 ein knappes Jahr lang auf der Südseeinsel Fatuhiva gelebt hatte, um die Wanderungen von Tieren zu erforschen – und mit seiner jungen Frau ein Leben fernab jeder Zivilisation auszuprobieren. Nur die etablierte Wissenschaft zeigte dem Sohn eines Brauereibesitzers die kalte Schulter. Nach herrschender Meinung war Polynesien nicht von Südamerika, sondern von Asien aus besiedelt worden. Heyerdahl hatte zwar Zoologie und Geografie studiert, nicht aber Archäologie und Völkerkunde. Ralph Linton, ein bekannter amerikanischer Kulturanthropologe, sagte nur trocken:
"Heyerdahl hat nichts anderes bewiesen als das, was wir schon vorher wussten: Die Norweger sind tüchtige Seeleute."
Doch immerhin: Heyerdahl, der am 6. Oktober 1914 in dem Walfangstädtchen Larvik geboren wurde, hatte unter Beweis gestellt, dass ein früher Kontakt zwischen Südamerika und Polynesien möglich gewesen wäre.
"Er war mutig."
Bescheinigt ihm Nikolai Grube, Professor für Altamerikanistik und Ethnologie an der Universität Bonn.
"Weil er versucht hat, mit experimenteller Archäologie, die Möglichkeit solcher Kontakte nachzuweisen. Er hat viel geleistet, um zu zeigen, dass wir den Völkern des Altertums viel zu wenig Technologie zutrauen."
Weitere Schifffahrten
Nach Studienaufenthalten unter anderem auf Galapagos, am Titicacasee und den Osterinseln gelang Heyerdahl 1970 der zweite große Streich: Er überquerte mit einem Segelschiff aus Papyrus den Atlantik, um zu demonstrieren, dass theoretisch schon die alten Ägypter hätten nach Südamerika gelangen können. Dieses Mal reiste Heyerdahl sogar unter der Flagge der Vereinten Nationen – begleitet von sieben Männern aus verschiedenen Kulturen.
"Ich möchte gerne beweisen, dass es möglich wäre, dass viele Menschen zusammenleben. Ich hatte an Bord Jude und Moslem und Katholik und Hindu, Buddhist und Atheist. Und wir hatten nicht dieselbe Ideen, aber immer freundliche Diskussionen. Und es war immer interessant."
Aber hatten die frühen Kulturen Südamerikas ihren Ursprung wirklich im alten Ägypten, wie Heyerdahl mutmaßte - unter anderem aufgrund der Ähnlichkeit der Pyramiden und einer vergleichbaren Hieroglyphenschrift?
Nikolai Grube: "Für mich verbirgt sich dahinter auch ein gewisser Ethnozentrismus, der den indigenen Völkern Amerikas unterstellt, dass sie nicht in der Lage gewesen seien, eigenständige eine hohe Kultur zu entwickeln, eine Schrift zu entwickeln, Kalendersysteme und Städte hervorzubringen."
Eine dritte große Expedition führte Heyerdahl 1977 mit dem Schilfboot "Tigris" vom Irak über den Persischen Golf und den Indischen Ozean nach Dschibuti in Ostafrika. Der Erkenntnisgewinn seiner abenteuerlichen Expeditionen bleibt bis heute umstritten. Aber allmählich verlagerte sich auch sein eigenes Interesse: Aus dem Völkerkundler wurde der Umweltschützer, der seinen prominenten Namen nutzte, um auf die zunehmende Verschmutzung der Ozeane aufmerksam zu machen. Vielfach preisgekrönt und mit elf Ehrendoktortiteln ausgezeichnet, blieb Heyerdahl bis ins hohe Alter aktiv, bevor er am 18. April 2002 in seinem Haus in Ligurien einem Hirntumor erlag.
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