Thomas Hampson und die Deutsche Kammerphilharmonie

Fee, quaa, quaw, shack, griffey, honey!

Der Bariton Thomas Hampson
Der Bariton Thomas Hampson © Kristin Hoebermann/artefakt
06.04.2015
Amerika singt! Und das mit größtem Vergnügen. Beim Heidelberger Frühling präsentierte der Bariton Thomas Hampson gemeinsam mit der Deutschen Kammerphilharmonie Lieder von Aaron Copland und Michael Daugherty. Außerdem dirigierte Alexander Shelley die berühmte Streicherserenade von Samuel Barber und die Suite "Appalachian Spring" von Copland.
Lange war die Kunstmusik in den Vereinigten Staaten allein oder vor allen Dingen von den Musiktraditionen Europas und von europäischen Musikern bestimmt und geprägt. Doch spätestens im 20. Jahrhundert bildeten sich auf der Basis der kulturellen und ethnischen Vielfalt der amerikanischen Bevölkerung eigene "amerikanische" Formen und Inhalte – die Musik der USA begann ihren eigenen Gesetzen zu folgen.
Diese Eigenart wird besonders deutlich in der Streicherserenade von Samuel Barber – seinem Opus 1 - und in der mit Volksliedmelodien angereicherten und den Siedlermythos feiernden Ballettsuite "Appalachian Spring" von Aaron Copland.
Ursprünglich für den britischen Ternor Peter Pears und seinen Partner Benjamin Britten schrieb Copland seine "Old American Songs". Diese fünf sehr unterschiedliche Lieder sind aus dem Leben gegriffen, aus dem der "einfachen" amerikanischen Menschen. Hierin wird progressive politische Propaganda betrieben, aber auch rassistisch angehauchtes Kabarett nachgestellt. Und mit der unbändigen Fantasie von Kindern musikalische Lautmalerei betrieben: Ich kaufte mir eine Katze und die machte "Fee", eine Ente, die machte "quaa", eine Ganz, die machte "quaw" etc... Dieses nonsense-Lied erfordert Vokalakrobatik, mit der der Bariton Thomas Hampson beim Heidelberger Frühling zur vergnüglichen Hochform auflaufen konnte. Nachdem er dieses Lied bereits eine Woche zuvor als umjubelte Zugabe im Abschiedskonzert von Mariss Jansons in Amsterdam gesungen hatte ...
Aaron Copland ging es zeit seines Lebens darum, eine spezifisch amerikanische Konzertmusik zu schaffen. Dabei half ihm natürlich der Rückgriff auf die Musik, die die verschiedenen Einwanderergruppen mitgebracht hatten. Indem er aus "einfachen " Liedern Konzertmusik machte, leistete er auch einen Beitrag zum wachsenden Selbstbewusstsein der nordamerikanischen Musikwelt.
Der Komponist Michael Daugherty – Jahrgang 1954 – geht noch einen Schritt weiter: Der aus Iowa stammende vielbeschäftigte Komponist vertont emblematische nicht-literarische Texte von Staatsmännern oder die fiktiven Gedanken von Barbie-Puppen. Mit den Briefen des Präsidenten Abraham Lincoln - den "Letters from Lincoln" – will Daugherty den großen Staatsmann aus der Zeit des Amerikanischen Bürgerkrieges ehren, der ihn durch seine Entschlossenheit, seinen Gerechtigkeitssinn und seine prinzipiell gewaltlosen politischen Vorstellungen beeindruckt. Dabei greift er auf persönliche Notizen, Briefe, Gedichte und auf berühmte Ansprachen Lincolns zurück. Nicht ganz zufällig entstand dieses Werk während der Kampagne zur Wahl Barack Obamas im Jahr 2008. Daugherty hat die Lieder für Thomas Hampson geschrieben und ihm gewidmet.
"Freiheit wagen" ist das Motto des diesjährigen Heidelberger Frühlings. Das Festival will damit eine der gravierendsten Kultur-Evolutionen der Gegenwart in den Mittelpunkt rücken: Den digitalen Wandel. Technologischer Fortschritt - egal ob als Bedrohung oder Verheißung empfunden - hat immer schon Kunst und Künstler beeinflusst, zu Neuem inspiriert oder in den Widerstand getrieben. Ein wahrhaft transatlantisches Thema - Edward Snowden lässt grüßen. Vielleicht wird Michael Daugherty einst auch dessen Texte vertonen...
Heidelberger Frühling
Stadthalle Heidelberg
Aufzeichnung vom 28. März 2015
Leonard Bernstein
Ouvertüre zu "Candide"
Aaron Copland
"Old American Songs", Set 1
"Appalachian Spring" - Ballettsuite für Orchester
Samuel Barber
Serenade für Streichorchester op. 1
Michael Daugherty
"Letters from Lincoln" für Bariton und Orchester
Thomas Hampson, Bariton
Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Leitung: Alexander Shelley