Thilo Hoppe: Niebels E10-Vorstoß "populistisch"

Thilo Hoppe im Gespräch mit Nana Brink · 16.08.2012
Ein Verkaufsstopp von Biosprit E10 wird den Hunger in der Welt kaum reduzieren können, kritisiert der Entwicklungspolitiker Thilo Hoppe der Grünen. Der Vorstoß des Entwicklungsministers Dirk Niebel (FDP) sei zu einfach gedacht und "recht populistisch".
Nana Brink: Am Telefon ist nun Thilo Hoppe von den Grünen, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Deutschen Bundestages. Schönen guten Morgen, Herr Hoppe!

Thilo Hoppe: Ja, schönen guten Morgen, Frau Brink!

Brink: Sie haben es gehört: Wie sehr befördert denn der Anbau von Mais oder Getreide für die Herstellung von Biosprit wirklich den Hunger in der Welt?

Hoppe: Also natürlich gibt es eine Konkurrenz zwischen Tank und Teller, das kann man nicht abstreiten, nur man muss das auch dann sehr differenziert betrachten. Ein großer Faktor liefert momentan die USA: 40 Prozent der Maisernte werden dort zu Bioethanol verarbeitet, und wenn momentan die Maisernte stark zurückgegangen ist in den USA aufgrund einer ziemlich schlimmen Dürre, dann treibt das natürlich auch mit den Preis nach oben. Also es gibt einen Zusammenhang, den kann man nicht leugnen, aber es gibt einen viel größeren Zusammenhang oder eine viel größere Konkurrenz zwischen nicht nur Tank und Teller, sondern auch zwischen Tank und Trog, denn auf einem Drittel aller Anbauflächen weltweit werden Futtermittel angebaut für die Fleischproduktion. Und das ist wieder sehr eigenartig, dass Herr Niebel einen Aspekt herausgreift und den anderen Aspekt aber nicht anspricht.

Brink: Wir wollen trotzdem noch mal bei den Getreidepreisen auch für die Nahrungsmittel für Menschen bleiben. Also Sie haben gesagt, die Preise für pflanzliche Rohstoffe steigen ja durch zusätzliche Nachfrage, also auch durch Biosprit. Das ist ja ein Fakt. Aber die Frage ist doch: Wer profitiert davon, zum Beispiel in Afrika? Nur die Investoren?

Hoppe: Es profitieren teilweise auch die Menschen in Afrika davon, die auf diesen Plantagen arbeiten, aber nur, wenn die Bedingungen stimmen. Ich habe eben gerade den Beitrag gehört der Kollegin von der GIZ – das kann man so nicht stehen lassen. Ich selber habe viele Beispiele gesehen, zum Beispiel auch in Äthiopien, dass Großinvestoren kommen, dass sie Land kaufen, dass sie dort im großen Stil Energiepflanzen anbauen für die Biospritproduktion, aber dass im Gegenzug Kleinbauern von ihrem Land verdrängt werden und dann halt nicht mehr die Möglichkeit haben, Nahrungsmittel anzubauen für den Eigenbedarf oder für den lokalen oder regionalen Markt. Wenn das so läuft, dann führt natürlich also der Anbau von Energiepflanzen ... verschärft sogar ganz stark den Hunger auch in den entsprechenden Ländern. Wenn man es anders flankiert, wenn die ökologischen und sozialen Bedingungen stimmen, dann kann es natürlich auch eine Einkommenssteigerung für die betroffenen Menschen dort sein.

Brink: Wie kriegt man das denn hin, was ist Ihre Lösung?

Hoppe: Also ganz, ganz wichtig ist, dass der Anbau von Energiepflanzen mit ökologischen und sozialen Begleitmaßnahmen flankiert wird, also dass man vorher eine Folgenabschätzung macht, welche Folgen dann eintreten werden. Also nur bei einer entsprechenden Flankierung kann es überhaupt sinnvoll sein.

Brink: Also muss dann sich die Politik auch dahin gehend ändern, dass sie Druck ausübt, also gerade die westlichen, also die EU zum Beispiel – bleiben wir hier?

Hoppe: Ja, natürlich. Es muss Druck ausgeübt werden, es gibt momentan ... Bei der FAO, also bei der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen sind freiwillige Leitlinien erarbeitet worden, Zugang zu Land – die müssten endlich in die Umsetzung kommen. Und was entscheidend ist, also es gibt ja diese E10-Geschichte in der Europäischen Union, da ist es absolut notwendig, dass die Nachhaltigkeitsverordnung verschärft wird, dass soziale Standards auch in die Nachhaltigkeitsverordnung der EU kommen.

Brink: Noch mal die Frage, weil wir bei der Produktion von Biosprit und dem Zusammenhang mit dem Anbau auch in Afrika sind: Weil die EU ja mit ihren Subventionen den Biospritmarkt fördert, werden ja auch Agrartreibstoffe aus einem Hungerland wie dem Sudan importiert, das muss man sich mal vorstellen, weil es sich für Investoren lohnt. Ist das nicht das Gegenteil von dem, wie Politik eigentlich dort funktionieren sollte, auch von EU-Seite?

Hoppe: Das ist ... Da gebe ich Ihnen völlig recht, es ist das Gegenteil von dem, wie Politik funktionieren sollte. Also der Hunger kann nur bekämpft werden, wenn in erster Linie die Bauern in den Entwicklungsländern darin unterstützt werden, auf nachhaltige Art und Weise zuerst Lebensmittel anzubauen. Wenn denn noch Flächen zur Verfügung stehen, freie Flächen, also wenn das Hungerproblem dort nicht mehr eklatant ist, dann kann man auf diesen zusätzlichen Flächen auch Energiepflanzen anbauen für den Export, aber nur dann. Und dafür muss auch die EU sorgen.

Brink: Entwicklungsminister Dirk Niebel hat, wir haben es ja erwähnt, Sie haben es auch erwähnt, einen sofortigen Verkaufsstopp für den Biosprit E10 an deutschen Tankstellen gefordert. Ja, ist denn das ein richtiger Schritt, ist das eine Lösung, eine richtige Forderung?

Hoppe: Also das wirkt ein bisschen populistisch. Also erstens behauptet er, dass diese ganze E10-Strategie unter Rot-Grün entstanden ist – das stimmt erst mal nicht, das hat die jetzige Bundesregierung eingeführt und der Beimischungszwang für Biotreibstoff kommt von der Großen Koalition. Aber das ist mal egal. Es gibt einen Zusammenhang, den er anspricht, den er zu Recht anspricht. Aber jetzt, wie gesagt, nur auf Biotreibstoffe sich zu fokussieren und die sehr viel größere Flächenkonkurrenz zwischen dem Anbau von Futtermitteln und Nahrungsmitteln auszublenden, das ist doch recht populistisch. Man kann auch nicht von heute auf morgen den Verkauf von E10 verbieten. Allerdings, was wirklich sinnvoll ist und was getan werden muss: Die Produktion von Biotreibstoff, gerade in den USA in der jetzigen Situation, sollte stark gedrosselt werden.

Brink: Muss man dann aber eigentlich nicht die Subventionspolitik der EU überdenken?

Hoppe: Ja, natürlich. Also die muss überdacht werden, da muss flexibel nachgesteuert werden, gerade in der jetzigen Situation. Aber wie gesagt, ein einfaches Verkaufsverbot von E10, das ist eine etwas zu einfach gedachte Maßnahme.

Brink: Thilo Hoppe von den Grünen, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Bundestages. Herr Hoppe, schönen Dank für das Gespräch!

Hoppe: Ja, bitte schön!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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