Theologen plädieren für assistierten Suizid

Darf die Kirche Sterbebeihilfe leisten?

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Handhalten am Sterbebett.
Die Kirche müsse bei der Sterbebegleitung lebensschutzsensibel bleiben, meint der Theologe Martin Heimbucher. © imago images/photothek/Ute Grabowsky
Martin Heimbucher im Gespräch mit Nicole Dittmer · 11.01.2021
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Evangelische Theologen sprechen sich in der "FAZ" dafür aus, auch in kirchlichen Einrichtungen assistierten Suizid zuzulassen. Martin Heimbucher, Präsidenten der Evangelisch-reformierten Kirche, hält diesen Vorstoß für falsch.
Soll man einem Menschen beim Sterben helfen dürfen, wenn er es wünscht? Das bleibt umstritten, auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Jahr: Damals hatte es sich für das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ausgesprochen, was auch die Freiheit einschließe, sich das Leben zu nehmen. Eine Position, die die Kirchen in Deutschland infrage stellen.

Hilfsangebote für Menschen mit Depressionen, Suizidgefährdete und ihre Angehörigen: Wenn Sie sich in einer scheinbar ausweglosen Situation befinden, zögern Sie nicht, Hilfe anzunehmen. Hilfe bietet unter anderem die Telefonseelsorge in Deutschland unter 0800-1110111 (kostenfrei) und 0800-1110222 (kostenfrei).

Doch gerade in der evangelischen Kirche waren in letzter Zeit häufiger Stimmen zu hören, die einen assistierten Suizid nicht mehr grundsätzlich verdammen wollen. Nun plädieren führende protestantische Theologen in der "FAZ" dafür, ihn in den eigenen Einrichtungen anzubieten oder zumindest zuzulassen und zu begleiten.

"Es geht nicht um Verdammung"

"Ich verstehe den Vorstoß ehrlich gesagt nicht", sagt Martin Heimbucher, Präsident der Evangelisch-reformierten Kirche. "Und ich teile auch die Stoßrichtung nicht. Ich finde, kirchliche Einrichtungen stehen erst einmal dafür, dass sie Sterbende begleiten, palliativ und in Hospizen an ihrer Seite stehen. Aber sie stehen nun gerade nicht dafür, assistierten Suizid anzubieten." Absolut möchte Heimbucher den Lebensschutz aber nicht setzen. Damit werde man den individuellen Fällen nicht gerecht.
Wer sich an das Bett eines leidenden und sterbenden Menschen setze, sei als Angehöriger oder Begleitender "auch wirklich gehalten, alles zu tun, was diesem Menschen jetzt in dieser Situation hilft. Ich würde niemanden verurteilen, der dann den Weg geht und sagt: Gut, wir haben es so besprochen. Ich helfe dir jetzt auch beim Sterben in dieser aktiven Weise. Darum geht es nicht – auf keinen Fall um Verdammung oder Verurteilung."
Andererseits gehe es um die Frage, ob kirchliche Einrichtungen nicht diejenigen seien, die ein klares Angebot haben "und sagen: Wir sind vor allen Dingen lebensschutzsensibel. Wir begleiten fürsorglich, aber wir begleiten selber nicht beim Suizid."
Die Kirche dürfe nicht den Eindruck erwecken, es sei ein Normales, "nun auf diese Weise aufs Ende zuzugehen und dabei helfen zu müssen".
(lkn)
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