Theologe Schorlemmer: Pussy-Riot-Protest war geschmacklos

10.10.2012
Soll die russische Band Pussy Riot mit dem Lutherpreis der Stadt Wittenberg ausgezeichnet werden? Nein, meint der Theologe Friedrich Schorlemmer. Politische Kritik sei zwar berechtigt, die Protest-Aktion der Musikerinnen hält er aber für verletzend und kontaproduktiv.
Der Theologe Friedrich Schorlemmer hat seine Kritik an einer Nominierung der russischen Punkband Pussy Riot für den Lutherpreis bekräftigt und verteidigt. Im Deutschlandradio Kultur sagte Schorlemmer über die inhaftierten Musikerinnen und ihre Protest-Aktion in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale: "Ich finde die Kritik berechtigt, und auch solche Kritik muss erlaubt sein. Aber: Auch die Art muss stimmen. Die Art ist nicht preiswürdig, und der Ort der Kritik ist geschmacklos, er ist verletzend und kontraproduktiv."

Pussy Riot treffe damit nicht Wladimir Putin oder Kyrill, den Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche, sondern verletze die Gläubigen. Und wenn eine Frauenband sich einen solchen Namen zulege, hätten deren Mitglieder offenbar "persönliche Vagina-Probleme, die sie auf die Ebene der Gesellschaftskritik" erhöben.

Schorlemmer sagte weiter, auch Martin Luther, der Namenspatron des Preises, sei für seine deftige Sprache bekannt gewesen, er habe jedoch nicht von "Ficken und Fotzen" geredet. Der Theologe betonte, er hätte die Preis-Nominierung der Frauenband anders bewertet, wenn die Musikerinnen ihre Aktion auf dem Roten Platz hätten statt finden lassen statt auf dem Altar einer Kirche.

Der Theologe verurteilte jedoch die Inhaftierung der jungen Frauen und betonte, er sei mit ihnen "ganz einer Meinung", was ihre Kritik am mangelnden politischen Bewusstsein der gläubigen orthodoxen Christen in Russland anbelange. Diese sollten kritischer werden, "statt sich jetzt, wie in der Zarenzeit, wieder mit den Herrschenden zu verbrüdern, wie es Kyrill tut", sagte Schorlemmer.

Der Bürgermeister von Wittenberg, Eckhard Naumann, hatte die Nominierung der Band für den Preis zuvor verteidigt. "Wir bleiben bei unserem Vorschlag", sagte er im Deutschlandradio Kultur. Es sei der Stadt Wittenberg nicht darum gegangen, Provokationen gegen die Kirche oder den Staat auszuzeichnen, sagte Naumann. Vielmehr habe "der Mut der jungen Frauen" im Vordergrund gestanden, "bei ihrem Protest zu bleiben, auch unter Repressionen dabeizubleiben". Auch das Risiko einer Verurteilung zu Lagerhaft habe sie nicht dazu gebracht einzuknicken.

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