Theater immer wieder neu erfinden

Sewan Latchinian im Gespräch mit Gabi Wuttke · 02.05.2013
Ab 2014 wird Sewan Latchinian als Intendant ans Rostocker Volkstheater gehen, das wie viele kleinere Bühnen unter Besucherschwund leidet. Latchinian sieht Rostock dennoch als Chance. "Widerspruch ist das Grundelixier von Theater", sagt der Theatermann.
Gabi Wuttke: Was soll und kann Theater in Regionen mit Bevölkerungsschwund leisten? Diese Frage wird heute Abend in der Stadthalle von Greifswald gestellt auf einer Podiumsdiskussion auf Einladung des Theater Vorpommern - an der auch Sewan Latchinian teilnehmen wird. Seid neun Jahren ist er Intendant der Neuen Bühne Senftenberg. Er hat für die alte Bergarbeiterbühne in der Brandenburgischen Lausitz das Glück auch fest erfunden und durch schwierige Zeiten begleitet. Zum September 2014 geht er an die Ostsee, nach Rostock. Einen schönen guten Abend jetzt nach Greifswald, Herr Latchinian!

Sewan Latchinian: Guten Abend!

Wuttke: Wo andere stöhnen, da fühlen Sie sich offensichtlich wohl. Muss man die Herausforderung lieben, um kleine Häuser über die Runden zu bringen?

Latchinian: Das haben Sie sehr schön gesagt. Da ist wirklich etwas dran. Also offensichtlich bin ich von meinem Naturell her eher auf Schwierigkeiten eingerichtet als auf ruhige Fahrwasser.

Wuttke: Warum?

Latchinian: Weiß ich nicht genau. Das hat vielleicht auch teilweise etwas mit meiner armenischen Prägung zu tun und meinem Aufgewachsensein in der DDR, wo man ja immer mit Widerständen umgehen musste, immer aus Not erfinderisch sein musste. Wo das Leben oft ein Trotzdem war, und es immer um den Kampf zwischen Kultur und Barbarei ging. Wahrscheinlich hat mich das so geprägt.

Wuttke: Aber glauben Sie wirklich, Sie können den Gordischen Knoten am Rostocker Volkstheater durchschlagen, wenigstens für ein wettefestes Dach über dem Kopf sorgen?

Latchinian: Natürlich glaube ich das nicht, will es aber gerne versuchen. Und es muss ja auch einer versuchen. Es wäre ja wirklich schade um diese prosperierende Hansestadt und dieses traditionsreiche Volkstheater mit dem herrlichen Namen Volkstheater. Da ist es einfach eine Frage der Ehre und eine Frage des bisher gelernten, zu versuchen da zu helfen.

Wuttke: Aber wenn Sie sagen einerseits sind Sie ein Mensch, der gerne gegen Widerstände angeht, aber auf der anderen Seite wollen Sie ja auch etwas voran bringen - im Falle des Rostocker Volkstheaters scheint das eine mit dem anderen nicht wirklich vereinbar zu sein.

Latchinian: Doch! Reibung erzeugt ja Wärme im Idealfall. Und ich denke, dass Widerspruch ja ohnehin … dass Grundelixier von Theater ist.


Sie können das vollständige Gespräch mit dem Intendanten Sewan Latchinian mindestens bis zum 02.10.2013 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.