Theater

Aus "Cartman“ wird Kartmän

Szene aus der "South Park"-Adaption am Jungen Schauspiel Hannover. Vier Darsteller lesen gemeinsam in einem Porno-Heft
Was darf man eigentlich tun oder sagen – und was nicht? Szene aus "Süd Park" am Jungen Schauspiel Hannover. © Karl-Bernd Karwasz / Süd Park
Von Holger Hettinger · 30.12.2013
Um Political Correctness geht es in "Süd Park", Regisseur Malte C. Lachmann transferiert darin die amerikanischen Settings der berühmten Comic-Serie in Motive deutscher Befindlichkeit. Herauskommt eine beschwingte Revue durch die Abgründe der Weltverbesserei.
Das böse Wort mit "N“ - damit fängt alles an. Stäns Vater hat es bei einem Fernseh-Auftritt im "Glücksrad“ gesagt, weil er der Ansicht war, das Lösungswort heiße "Nigger“. Erwartungsgemäß setzt ein veritabler Shitstorm ein, befeuert durch die medialen Durchlauferhitzer Facebook und Youtube. Ausgelöst durch den Lapsus des Vaters, durchläuft Stän dann einen Prozess, um, wenn nicht ein besserer, so doch ein politisch korrekterer Mensch zu werden.
Anders als in der entsprechenden South-Park-Folge fokussiert der Regisseur Malte C. Lachmann eher den Sprach- und Bevormundungswahnsinn der PC-Jünger als das massive Gegenrüsten der PC-Gegner. Er transferiert die charakteristisch amerikanischen Settings der Comic-Serie in Motive deutscher Befindlichkeit und illustriert seine tour de frappe durch den Wahnsinn der Political Correctness als beschwingte Revue durch die Abgründe der Weltverbesserei.
Eine vergnügliche Assemblage aus robusten Liedtexten, Seitenhieben auf Ozonloch und Klimawandel, einer ins Monströse gewandelten PC-Version von "Rotkäppchen“, haarsträubenden Reaktionen aus einem fundamental-katholischen Online-Forum auf den Tod von Dirk Bach, Auszügen aus dem Gender-Programm der Piratenpartei, einer imaginären Talkshow mit Günther Jauch, Roberto Blanco und dem geläuterten Stän-Vater Randy - sie mündet dann in die Erkenntnis, dass vulgäres Drauflos-Provozieren ebenso ermüdend ist wie der Versuch, durch eine Sprachregelung gesellschaftliche Konflikte lösen zu wollen.
Pointenstark und temposelig
Das alles ist pointenstark und temposelig gemacht und profitiert von der offensiven Spielfreude der vier Akteure Tina Haas, Henning Hartmann, Dominik Maringer und Peter Sikorski sowie deren Klavierbegleiter Dean Wilmington (der auch die kompositorischen Akzente der Revue setzt), die nicht nur den lakonischen South-Park-Tonfall überzeugend adaptieren, sondern bis in die Bewegungen hinein den kantig animierten Stil der Kult-Serie aufgreifen. Das geht erstaunlich gut auf - zeigt aber auch, dass eine Übertragung der Motive von der amerikanischen in die deutsche Lebenswirklichkeit nicht ohne Verluste bzw. Verschiebungen möglich ist: die Figur des Kartmän etwa, die in der Comic-Serie als "Cartman“ für ein sozialdarwinistisches Muttersöhnchen mit antisemitischer Prägung steht, gerät in Lachmanns "Süd Park“-Adaption zu einem eigenartig verrutschten Charakter, weil Judenhass in Deutschland fundamental anders konnotiert und politisch verwurzelt ist als in der US-Serie: das ist eher befremdlich als unterhaltsam oder gar erhellend.
Handwerklich ist "Süd Park“ wunderbar gut und ausgesprochen präzise gemacht, die Akteure halten die Szenen-Sequenzen schön in der Schwebe, so dass man keine Folge von Schenkelklopper-Witzen erlebt, sondern auch ganz leise, verinnerlichte Momente. Die Szenen öffnen sich, biegen scheinbar zufällig ab in Richtung Groteske oder Monstrosität. Darauf einen verschrumpelten Affenpenis!