Thea Dorn zum Tauber-Tweet

Reichen in Zukunft noch drei Minijobs?

Schriftstellerin und Literaturkritikerin Thea Dorn
Schriftstellerin und Literaturkritikerin Thea Dorn © Deutschlandradio / Manfred Hilling
Moderation: Anke Schaefer  · 04.07.2017
Der Tweet von CDU-Generalsekretär Peter Tauber verdeutlicht nach Ansicht der Schriftstellerin Thea Dorn, wie weit die Politik von der Lebenswirklichkeit entfernt sei. Tauber hatte mit einer Bemerkung über Minijobber bei Twitter empörte Reaktionen ausgelöst.
"Vollbeschäftigung ist besser als Gerechtigkeit", hatte der CDU-Generalsekretär Peter via Twitter das neue Wahlprogramm der Union beworben und sich von der SPD abgegrenzt. Erst am Montag hatten CDU/CSU ihr Wahlprogramm veröffentlicht, das bis zum Jahr 2025 Vollbeschäftigung in Deutschland verspricht. Auf die Nachfrage eines Twitter-Nutzers ("heißt das jetzt 3 Minijobs für mich?") erwiderte Tauber:
"Wenn Sie was ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs."
Diese von vielen Nutzern als respektlos empfundene Bemerkung über Minijobber löste im Netz empörte Reaktionen und heftige Diskussionen aus.

Für Formulierung entschuldigt

Der CDU-Generalsekretär hat sich mittlerweile für seine Formulierung entschuldigt, doch die Schriftstellerin Thea Dorn sagte im Deutschlandfunk Kultur, sie sei über das Wahlprogramm der CDU/CSU und das "vollmundige Ziel der Vollbeschäftigung" sehr erstaunt gewesen. Es zeige, dass die Politik sehr weit weg sei, nicht nur von den Minijobbern. Die Arbeitslosenzahlen seien im Augenblick erfreulich niedrig, aber wenn man ein bisschen über den Tellerrand hinausblicke, könne man sehen, welche "enormen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt" durch die fortschreitende Vollautomatisierung auf uns zukomme.
Eine Studie aus Oxford sage bereits voraus, dass die Tätigkeiten in 700 Berufsfeldern drastisch einbrechen würden, weil sie von Maschinen übernommen würden. "Also im gesamten Bereich des Transports, der Logistik, in den simplen Verwaltungs- und Bürokratiejobs." Das gelte auch für den Dienstleistungssektor. "Wenn es da in Zukunft den freundlichen Pediküre-Roboter gibt, dann brauche ich da keine Kosmetikerin mehr." In der Pflege würden bereits Pflegeroboter diskutiert.

Umwälzung der Arbeitswelt

"Das merken wir noch nicht nächste Woche und das merken wir wahrscheinlich auch noch nicht im Herbst, wenn gewählt wird, aber das ist kein Kassandra-Geschrei wenn man sagt, das werden wir in zehn Jahren deutlich merken", sagte Dorn. Sie kritisierte, dass sich die Union als hauptregierende Partei einfach hinzustelle und behaupte, alles sei prima, statt eine Idee zu entwickeln, was angesichts der gigantischen Umwälzung unserer Arbeitswelt getan werden müsse. "Das halte ich für ziemlich unseriös und weltfremd."

Die Schlüsselfrage nach dem Geld

Dorn sagte, sie erwarte in der Zukunft nicht, dass der Gesellschaft die Arbeit ausgehe und der Mensch keine sinnvolle Betätigungsfelder mehr finden werde. "Die große Frage ist, wird er dafür noch Geld verdienen?" Als freiberufliche Schriftstellerin erlebe sie die Umwälzungen in der Verlagswelt und dass die Honorare immer niedriger ausfielen. "Das ist nicht so, dass ich weniger zu tun hätte als vor zehn Jahren", sagte Dorn. "Alle wollen nach wie vor Artikel, wollen Interviews, aber man merkt deutlich, dass die Zeiten, wo man davon einfach leben konnte, dass die vorbei sind." Entscheidend sei dann nicht, ob es noch Arbeit gebe, sondern ob man von kreativer und emotionaler Intelligenz, die nicht von Maschinen ersetzt werden könne, in Zukunft noch leben könne. "Und dann werden vermutlich auch drei Minijobs nicht reichen."

Thea Dorn ist Schriftstellerin und Autorin von Theaterstücken und Essays. Immer wieder moderiert die studierte Philosophin auch Fernsehsendungen, vor allem über Literatur - und ist seit März diesen Jahres selbst Dauergast in einer: als Teil des neuen "Literarischen Quartetts".

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