The Strange: "Echo Chamber"

Echokammer des Folkpop

07:22 Minuten
Chris Eckman steht mit Sonnenbrille und Gitarre auf der Bühne. Im Hintergrund ist ein Schlagzeug zu sehen.
Chris Eckman tritt mit "The Strange" auch auf Festivals auf. © imago/Pixsell
Von Carsten Beyer  · 27.03.2019
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Der Sänger Chris Eckman wurde in den 80er-Jahren mit "The Walkabouts" bekannt. Mit seiner neuen Band „The Strange“ veröffentlicht er nun das Album „Echo Chamber“. Hier trifft die rauchige und gefühlvolle Stimme des US-Rockers auf melodische Songs.
Die Globalisierung macht vor nichts und niemandem halt. Schon gar nicht vor der Popkultur. Eine kroatische Surfband, aber im Westcoast-Sound der 70er-Jahre und dazu ein bekannter US-Rocker am Mikrofon, das lässt dann doch aufhorchen.
Twang-Gitarren scheppern, der Bass wummert, Keyboards jubilieren und eine großartige Bläserfraktion setzt immer wieder melodische Akzente. Das Ganze klingt so raffiniert, als hätten Kompositionsgenies wie Lee Hazlewood oder Van Dyke Parks ihre Finger im Spiel gehabt.
"The Strange" gibt es schon seit den Nuller Jahren. Die "Bambi Molesters", eine Hobby Surfpunk-Truppe aus Zagreb, hatten Chris Eckman damals ins Studio eingeladen. Eigentlich nur, um ein bisschen Gitarre zu spielen. Daraus wurde eine jahrelange Freundschaft und schließlich eine neue Band.

Ausbruch aus der Weltmusik

"Es hat sich einfach nur natürlich angefühlt. Ihre Musik klang sehr amerikanisch: Surfmusik ist so ziemlich das amerikanischste Genre, das man sich vorstellen kann. Klar, wenn man ein bisschen tiefer gräbt, kommen auch noch andere Dinge zum Vorschein. Die Liebe zu italienischen Filmsoundtracks zum Beispiel und der französische Beat der Sechziger- und Siebzigerjahre, aber das sind Dinge, die ich eh schon immer mochte. Also, wenn alle die gleiche Musik hören, geht alles andere wie von selbst."
Mit dem Albumtitel "Echo Chamber" ist nicht etwa die Echokammer eines amerikanisch–balkanischen Multikulti-Crossover gemeint. Typisch balkanische Klänge, wie die schnellen Achtel der serbischen Trompeter oder den melodramatischen Unterton der bosnischen Sevdah sucht man auf der Platte vergebens.
"The Strange" versuchen mit ihrem Album den Ausbruch aus gängigen Klischees der sogenannten Weltmusik. Authentizität entsteht hier nicht durch die Verwendung bestimmter kultureller Codes oder durch den Einsatz traditioneller Instrumente. Die Tatsache, dass eine kroatische Band 25 Jahre nach Ende des Balkankriegs ihre eigene Version eines mediterranen Americana-Sounds auf Platte bannt, ist für Eckman spannend genug.

Mit großen Gefühlen auftrumpfen

"Wir leben in einer Zeit der Spaltung. Viele Menschen reden derzeit nur noch mit sich selbst oder mit Leuten, die ähnlich denken wie sie. Sie scheuen die Mühe, Grenzen zu überwinden und aus ihrer Echokammer auszubrechen. Musik kann da eine wichtige Rolle spielen. Wenn Menschen unterschiedlicher Kulturen gemeinsam Musik machen, ist das bereits eine soziale und politische Aktion, gerade hier in dieser Region. Kultur kann Menschen trennen, aber der offene Umgang mit Kultur kann sie auch wieder zusammenbringen."
"Echo Chamber" ist ein unwahrscheinliches Meisterwerk. Eine Platte, mit der kaum jemand gerechnet hätte und die dennoch in Kroatien die Kritikercharts der großen Musikmagazine anführt. In einer Zeit, in der auch im Americana-Genre die Dekonstruktion regiert, gehen "The Strange" den umgekehrten Weg.
Große Gefühle und opulente Sounds sind hier Trumpf. Schicht um Schicht werden die Instrumente aufeinandergetürmt, bis ein Wall of Sound entsteht, der Eckmans raue und gleichzeitig gefühlvolle Stimme trägt. Dass eine solch aufwändige Produktion überhaupt zustande kam, hat die Band einem Zufall und der kroatischen Kulturförderung zu verdanken.
"Wir hatten großes Glück. Die kroatische Schriftsteller-Vereinigung hat uns finanziell unterstützt. Es gibt dort einen Preis, der einmal im Jahr vergeben wird. Den haben wir gewonnen, sonst hätte sich unser kleines Independent-Label das niemals leisten können. Das war wirklich wie ein Sechser im Lotto! Und das Beste dabei: Mit dem Preis waren keinerlei Auflagen verbunden. Sie haben einfach nur gesagt: 'Macht die Platte, die ihr machen wollt!'"

The Strange: "Echo Chamber"
Dancing Bear, Köln 2018
CD, 16,99 Euro

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