"The Purge – Die Säuberung"

Gesehen von Hans-Ulrich Pönack · 12.06.2013
Die USA im Jahr 2022. Es gibt keine Arbeitslosen und nur wenig Armut. Denn einmal im Jahr, am "Tag der Säuberung", werden die Sozialschwachen von ihren Mitbürgern systematisch gejagt und ermordet.
Ausgesprochen kluge amerikanische Genrefilme sind selten. Dies ist ein solcher. Geschrieben und inszeniert hat ihn der bislang weitgehend unbekannte, 1969 in Brooklyn / New York geborene James DeMonaco, der mit Kurzfilmen begann und etliche Drehbücher zu auch bei uns bekannt gewordenen Spielfilmen wie "Verhandlungssache" (1998) oder dem "Das Ende – Anschlag bei Nacht" (2005) schrieb.

Die USA im Jahr 2022. Es ist noch gar nicht lange her, da stand das Land komplett vor dem totalen Ruin. Die Regierenden konnten nicht mehr "regieren". Das ist inzwischen Vergangenheit. Ein neues Amerika hat sich "entwickelt". Eine Regierung, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr.

Stattdessen haben "Die Erneuerer", die "New Founders of America" (NFA), das Land übernommen und ganz neue Regeln eingeführt. Die Folgen: Statt andauernder sozialer Unruhen - Vollbeschäftigung! Die Armutsrate hat sich dauerhaft auf unter fünf Prozent eingependelt und die Kriminalitätsrate liegt bei "höchstens" einem Prozent.

Eines der wirkungsvollsten Mittel für diese Geburt einer "Neuen Nation" war - die "Säuberung". In jedem Jahr darf vom 21. Auf den 22. März, zwischen 19 Uhr abends und sieben Uhr morgens, "gehandelt" werden. In diesen zwölf Stunden darf der amerikanische Bürger machen, was er will. Er darf plündern, morden, vergewaltigen - nach "Lust und Laune" - und bleibt dabei straffrei. Die Polizei kommt niemandem zu Hilfe, alle Krankenhäuser werden geschlossen. Nur Regierungsbeamte dürfen nicht attackiert werden, auch die Verwendung von atomaren Waffen ist nicht gestattet.

Die NFA hat den 28. Verfassungszusatz durchgedrückt und ratifizieren lassen, um das Recht jedes Amerikaners auf "seine jährliche Säuberung" festzuschreiben, was im Fernsehen in den üblichen Diskussionen zu viel Pro und Kontra führt. Die einen nehmen erfreut zur Kenntnis, dass sich dadurch das Land in einer - noch nie gekannten - "tatsächlichen Freiheit und Ordnung" befindet. Die Anderen mokieren sich darüber, dass sich auf diese Weise ganz offensichtlich die Oberklasse der Unterschicht ganz offiziell "entledigt". Denn unter den alljährlich vielen Säuberungsopfern befinden sich vor allem Arme, Schwarze und Alte.

Schließlich kommt der 21. März 2022. James Sandin (Ethan Hawke) kommt zufrieden nach Hause. Natürlich hat er seine Luxus-Hütte bestens gesichert: Seiner Familie, bestehend aus Ehefrau Mary und den halbwüchsigen Kindern Charlie und Zoey, soll nichts passieren. Man wird die Geschehnisse "draußen" über Monitore verfolgen und es sich ansonsten "bequem" machen. Gemütlich. Doch dann hat sich der Lover seiner Tochter ins Haus eingeschlichen und sein Sohn Charlie hat Mitleid mit einem verletzten Schwarzen, der "draußen" von einer Meute gejagt wird. Er lässt ihn herein.

Der Konflikt ist da. Denn die weiße Jäger-Gang vor dem Haus beharrt auf ihrem Recht dieser Nacht, Verbrechen verüben zu dürfen und verlangt die Auslieferung des Verletzten. Was nun, wie soll man sich verhalten? Für James ist klar, dass man schnell wieder zu Ruhe und Ordnung gelangen muss, er will den fremden Schwarzen schnell übergeben. Doch der Rest der Familie ist voller moralischer Zweifel. Der Kampf kann also beginnen. Gedanklich wie handfest. In der Festung der Familie Sandin. Was im übrigen dann auch ihre Nachbarn auf den mörderischen Plan ruft, denn denen ist der fette Gewinn, den der Sicherheitsexperte James gerade wieder mal eingefahren hat, ein neidischer Dorn im Auge. Da kommt der "Säuberungstag" gerade Recht. Um "patriotische" Rechnungen "richtig" zu begleichen.

Natürlich stellt sich hier gedanklich die Frage: Was wäre wenn dieses Szenario Wirklichkeit werden könnte? Wenn es eine "solche" USA-Welt tatsächlich einmal geben würde? Das fiktionale Kino von Hollywood war ja schon oft die reale Vision und Version von morgen. Der Film zeigt dies mit aller Konsequenz. Als gleichermaßen faszinierende wie abschreckende Parabel.

USA 2012; Regie: James DeMonaco; Darsteller: Ethan Hawke, Lena Headey, Adelaide Kane; FSK: ohne Angabe; Länge: 85 Minuten