"The Bling Ring"

Von Hans-Ulrich Pönack · 14.08.2013
Warum arbeiten, wenn es doch so einfach gehen kann: Nachts in die Villen von Stars wie Paris Hilton oder Lindsay Lohan einbrechen und mit deren Klunkern, Klamotten und Autos ein Glamour-Leben führen. Sofia Coppolas Film beruht auf einer wahren Geschichte, die sie ansatzweise ironisch und milde anklägerisch umsetzt - und damit Lust und wütendes Nachdenken auslöst.
"Bling" ist US-Slang für Klunker und signalisiert die Richtung: diesen Glitzerkram haben wollen. Ausgangspunkt dieser auf tatsächlichen Begebenheiten beruhenden Geschichte ist ein Artikel in "Vanity Fair" aus dem Jahr 2010 von Nancy Jo Sales ("The Suspects Wore Louboutins"). Darin wird über eine fünfköpfige "Kinder"-Clique berichtet, die in der Umgebung Hollywoods von Oktober 2008 bis August 2009 in die Villen von Promis einbrachen, um sich dort "zu bereichern". Dabei waren sie in den – nur mäßig gesicherten – Häusern von Paris Hilton, Orlando Bloom, Megan Fox oder Lindsay Lohan unterwegs, um mit deren Klunkern, Klamotten und Autos ein "ebenso schönes Leben" führen zu können. Sprich: Partys, Rausch, Aussehen. Coole Drinks, heiße Musik in angesagten Clubs, Drogen. "Sich schöner machen" - ohne dafür zu bezahlen. Warum lange warten oder etwa arbeiten, wenn es doch so einfach gehen kann.

Rebecca, Nicki (Emma Watson), Sam, Cloe und Marc stammen aus ebenso gutbürgerlichen wie ahnungslosen L.A.-Familien und sind süchtig nach schnellem, unangestrengtem Wohlstand. Sie sind vertraut mit Modelabels, teuren Getränken, sozialen Netzwerken und Google Earth, um herauszufinden, wer gerade nicht da ist, wo man also nachts "abstauben" kann. Ist ja schließlich genug für alle vorhanden. Der ultimative Nacht-Kick: Ab in die "Hütten", mitgenommen, was gefällt, und rein ins Internet. Die Facebooker sollen staunen. Bis dann eines Nachts die blöde Polizei überraschend vor der Haustür auftaucht. Wieso? War was? Gar illegal? Quatsch. Wir wollten doch nur Vergnügen haben, "in" sein.

Kann man es ihnen eigentlich verübeln? Autorin und Regisseurin Sofia Coppola, 41, längst aus den Schuhen des großen Vaters Francis Ford ("Der Pate") 'rausgewachsen und eine geschätzte Regie-Größe im Business ("Lost In Translaton"), verweigert eine Lösung. Sie blickt ausschließlich auf diesen aufsehenerregenden einzelnen "Kriminalfall". Sie tut es allerdings mit einer solchen Ausgiebigkeit in den Klau- und Party-Details, dass eine "gewisse Lust" aufkommt am "Spaß" der Kids, denen man bisweilen beinahe "ein Überleben" wünscht. Die jungen Protagonisten erweisen sich als wunderbare "Pissnelken", stehen für ein oberflächliches, nur auf Äußerlichkeiten bedachtes leeres Dasein, in dem (Aus-)Bildung, Anstand, Moral-Werte und soziales (Mit-)Denken überhaupt keine Rolle mehr spielen. Eigennutz, Egoismus, Aussehen und "Öffentlichkeit" lauten die neuen Werte.

Sofia Coppola setzt dies einfühlsam, ansatzweise ironisch und milde anklägerisch um: Lifestyle-Sucht als moderne Bibelauslegung: Ich glaube an die Schönen. Und Reichen. Und "Foto-Führenden". Bisweilen wären einige ruhig kommentierende "Gedanken" der Regisseurin gar nicht schlecht gewesen. Aber letztlich lösen die Geschehnisse um diese hervorragend gespielte Fashion-Bande wütendes Nachdenken aus. Man wünscht sich bisweilen einen "Dirty Harry" herbei, der diesem abstoßenden wie kriminellen Glamourtreiben ein rüdes Ende setzt ("Make My Day"). Pardon, aber wenn ein Film für solche gedanklichen Ausraster sorgt, muss an ihm was Gutes dran sein. Und ist es natürlich auch.

"The Bling Ring"; USA 2013; Regie: Sofia Coppola; Darsteller: Emma Watson, Paris Hilton, Kirsten Dunst, Lindsay Lohan; 91 Minuten; ab 12 Jahren


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