Terry Winters in der Pinakothek

Der Meister der Druckgrafik

Terry Winters, Tokyo Notes, 5, 2005, Nr. 5 eines Portfolios von 11 Lithographien, Darstellung und Blatt: 52,7 x 76,8 cm, Herausgeber: Kido Press, Tokyo, Courtesy the artist and Kido Press, Tokyo, Colby College Museum of Art, Gift of the artist, inv. 2005.021
Terry Winters "Tokyo Notes" © Fotografie: ULAE © Terry Winters
Von Astrid Mayerle · 18.12.2014
Wie würden die Abstrakten Expressionisten heute arbeiten? Eine Antwort gibt derzeit die Münchner Pinakothek mit einer Schau von Werken Terry Winters. Dieser verlängert auf seine sehr eigene Weise die Gesten seiner amerikanischen Kollegen.
Michael Semff, Leiter der Grafischen Sammlung: "Das Spannende für ihn selber, das hat er mir x-mal gesagt, ist die Tatsache der Begrenztheit einer druckgrafischen Technik und zugleich der unerwarteten Möglichkeiten, die sie ihm eröffnet. Eine Radierung ist nun mal so aus ihren Konditionen heraus, aber er versucht das bis an die Grenzen dessen zu treiben, was möglich ist."
Sehr plastisch zeigen sich diese Grenzgänge etwa in der Materialität der Bilder: Terry Winters verwendet zum Teil enorm dickes, handgeschöpftes Papier, worin sich die Druckplatten tief eindrücken und klare Grate ausprägen. Seit einigen Jahren arbeitet er mit einem plastischen Prägedruckverfahren, das reliefartige, fast gummiähnliche Oberflächen erzeugt, wie man sie etwa von T-Shirt-Aufdrucken kennt. Kaum ein Kollege verwendet so viele unterschiedliche Printverfahren wie Terry Winters.
Manchmal überlagern sich gleich vier verschiedene Techniken in einem einzigen Bild: "Radierung mit Photogravure, offene Ätzung und Aquatinta mit Zuckeraussprengverfahren“ steht zum Beispiel unter einem 2008 entstandenen Blatt. Nicht zuletzt dehnt er auch die Formate seiner Grafiken in neue Dimensionen aus: Fast anderthalb Meter hoch sind jene stark rhythmischen Blätter mit dichten schwarzen und braunen Linienstrudeln. Sie gehen auf Bühnenbilder zurück, denn Terry Winters arbeitete auch für einige bekannte New Yorker Choreografen:
"Das ist seine erste Auseinandersetzung mit dem Tanz, mit dem Musiktheater, mit der Bühne gewesen, im Lincoln Center. Da hat er die Tanzcompanie Trisha Brown begleitet und das kommt aus dieser Erfahrung heraus."
Trisha Brown und Merce Cunningham, für den Terry Winters ebenfalls Bühnenbilder konzipierte, gehören zu den Pionieren des modernen Tanztheaters. Beide improvisierten mit jenen Bewegungsmöglichkeiten des menschlichen Körpers, die im klassischen Ballett nicht vorgesehen waren. Beide ließen jede Art tänzerischer Geste zu. An einer ähnlichen Offenheit liegt auch Terry Winters.
Assoziationen sind willkommen
Ausdrücklich betonte er in der Vergangenheit immer wieder, dass ihm beim Betrachten seiner Bilder jede Art von Assoziation willkommen sei. Wer vor der farbkräftigen Serie „Clocks and Clouds“ in der Pinakothek der Moderne steht, wird darin ebenso geometrische Zeichensysteme der Mathematik erkennen können wie grafische Amplituden von Klangspektren oder auch gotische Kirchenfenster. Genau das sind auch die Quellen, aus denen Terry Winters schöpft. Seine frühen Arbeiten gingen auf botanische Zeichnungen zurück, in den vergangen Jahren bezieht er sich verstärkt auf literarische Vorlagen etwa auch Novalis.
"Es ist ein Phänomen bei Winters, dass er sich immer wieder inspirieren lässt von verschiedenen Orten auf aller Welt. Und bei den 'Tokyo Notes' wars eben Tokyo. Er arbeitet dort für mehrere Wochen in der Werkstatt eines japanischen Kollegen und hat dessen Techniken, dessen Herangehensweise an Drucktechnik adaptiert und versucht, seine eigenen Ideen in dieser Technik einzubringen."
Terry Winters ist beständig auf der Suche nach neuen Papieren und Materialien. Daher verwendete er für die Mappe der „Tokyo Notes“ so genanntes Kozo-Papier. Damit werden in Japan traditionell Kimonos eingeschlagen, um sie für den Verkauf zu lagern. In den vergangenen Jahren arbeitete Terry Winters in den verschiedensten Druckereien, nicht nur in Japan, sondern auch in Paris und Los Angeles. Denn er setzt auf die neue, ungewohnte Situation, die ihn zunächst einmal irritiert und aus den eigenen Gewohnheiten herauswirft.
"Die Malerei, die Grafik und die Zeichnung sind bei ihm völlig gleichgeordnet, es gibt keine Hierarchien, und das ist der Grund, warum wir die Druckgrafik zu einem eigenen Ausstellungsthema machen, weil Winters in seiner Generation einer der experimentellsten druckgrafischen Künstler ist und dessen Druckgrafiken die anderen Medien, in denen er arbeitet, beeinflusst."
Die Ausstellung in der Pinakothek der Moderne zeigt in einer sehr ansprechenden Präsentation das ungemein vielseitige Spektrum des grafischen Werks von Terry Winters. Längere Wandfluchten gewähren wie selten gesehen den mehrteiligen Serien großzügig viel Raum und die Lichtregie lässt die Arbeiten sehr plastisch werden.
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