Tenor-Komet des Augenblicks
Rechtzeitig zu seinem Comeback bei den Salzburger Festspielen erscheint eine Biografie über den Tenor Rolando Villazón. Dem allseits beliebten Anna-Netrebko-Partner lässt Manuel Brug, Musikredakteur der "Welt", mit seinem Buch eine Hommage zuteil werden. Wie es zu seiner Zwangsgesangspause im Sommer 2007 kam, erfahren die Fans zum Beispiel nicht.
Schon über den ersten Satz des Buches, Villazón gälte vielen "als der perfekte Tenor des 21. Jahrhunderts", wie Brug im Vorwort schreibt, kann nur schmunzeln, wer je Pavarotti, Corelli oder Caruso hörte, Gigli, Schippa oder Tagliavini.
Der allseits beliebte Anna-Netrebko-Partner auf der Opernbühne, Tenor-Komet des Augenblicks und effektvoll grimassierender Mexikaner mit sportiven Bühnen-Talenten, wurde spätestens 2005 mit der Salzburger Live-Übertragung und –Aufzeichnung als Alfredo in Verdis Oper "La Traviata" weltberühmt. In diesem Jahr kehrt er nach unüberhörbarer Stimmkrise zu einer seiner Vorzeigepartien zurück: zum Romeo in Charles Gounods Vertonung von "Romeo und Julia".
Im Mai 2001 sang Rolando Villazón diese Rolle zum ersten Mal, an der Opéra de Lyon. Da war er gerade zwei Jahre in Europa. 2005 hat er den Roméo in Los Angeles gesungen und kurz darauf auch bei seinem Debüt an der Wiener Staatsoper. Im vergangenen Herbst sollte er auch an der New Yorker Metropolitan Opera Julia anhimmeln. Solche Informationen kann der geneigte Leser der gerade erschienenen, "ersten, autorisierten Biografie" des Sängers entnehmen. Aber kommt es darauf an?
Was die Fans des Sängers wirklich interessiert, erfahren sie nicht: Wie es beispielsweise zu der sechsmonatigen sängerische Zwangsgesangspause im Sommer 2007 kam, wie Rolando Villazón das Versagen seines Instruments verarbeitet hat und wie er aus dem stimmlichen und emotionalen Tief herausgekommen ist, so dass er seit Januar seine langfristig vereinbarten Auftritte wieder absolvieren kann. Darüber schweigt sich Manuel Brug aus, zitiert stattdessen nur wörtliche Presseerklärungen und ergeht sich in pauschalen Verklärungen.
Eine Biografie, die den Namen verdiente, würde voraussetzen, dass der 36-jährige Sänger bereit ist, auch über heikle Phasen seiner Karriere Auskunft zu geben. Was bringt ein ausschließlich anhimmelndes Villazón-Buch? Zumal in einem durchaus noch als jugendlich zu bezeichnenden Alter des Sängers? Was gibt es da eigentlich zu sagen?
Der Henschel Verlag wollte wohl um jeden Preis der Erste sein, der ein Buch über Villazón herausbringt und das Debakel vermeiden, das seine Konkurrenten Heyne und Rowohlt im Frühjahr 2005 ereilte, als sie nahezu zeitgleich ihre Anna-Netrebko-Lebensabschnittsbeschreibungen veröffentlichten. Der Leser allerdings muss sich – mit Verlaub gesagt – auf den Arm genommen fühlen. Schon der Titel ist reiner Etikettenschwindel: "Die Kunst, ein Tenor zu sein" erweckt Erwartungen, die nicht erfüllt werden. Weder über die Kunst des Singens, noch über das Wesen des Tenors erfährt man etwas. Stattdessen streut der Vielschreiber Manuel Brug Kurzbiographien, er nennt sie "Intermezzi", von Tenören wie Caruso, Pavarotti, Domingo und Carreras ein, um auf wenigstens 160 Seiten zu kommen, wo er ansonsten nicht viel zu schreiben weiß.
Villazóns Herkunft aus einer deutschen Auswandererfamilie und der intellektuelle Background des angeblich begeisterten Romanlesers werden knapp beleuchtet, die Ausbildung des Sängers in Mexiko sowie die ersten Schritte in Europa geschildert. Man erfährt, dass er seine heutige Ehefrau bereits als 16-Jähriger kennenlernte, dass seine Jungs Dario und Matteo heißen und die Familie Villazón im Pariser Nobelvorort Neuilly wohnt, der Hochburg von Nicolas Sarkozy.
Ansonsten ein Karriere-Schnelldurchlauf mit Namedropping und entbehrlichen Kurzrezensionen der verschiedenen Inszenierungen, in denen Villazón zu erleben war und auf CD sowie DVD verewigt ist. Texte, die Brug schon anderweitig veröffentlichte, werden amalgamiert mit solchen, die gut und gerne der Werbe- und Presseabteilung des Schallplattenkonzerns Villazóns entnommen sein könnten. Was soll das?
Rezensiert von Dieter David Scholz
Manuel Brug: "Die Kunst, ein Tenor zu sein"
Henschel Verlag 2008, 160 Seiten
19,90 Euro
Der allseits beliebte Anna-Netrebko-Partner auf der Opernbühne, Tenor-Komet des Augenblicks und effektvoll grimassierender Mexikaner mit sportiven Bühnen-Talenten, wurde spätestens 2005 mit der Salzburger Live-Übertragung und –Aufzeichnung als Alfredo in Verdis Oper "La Traviata" weltberühmt. In diesem Jahr kehrt er nach unüberhörbarer Stimmkrise zu einer seiner Vorzeigepartien zurück: zum Romeo in Charles Gounods Vertonung von "Romeo und Julia".
Im Mai 2001 sang Rolando Villazón diese Rolle zum ersten Mal, an der Opéra de Lyon. Da war er gerade zwei Jahre in Europa. 2005 hat er den Roméo in Los Angeles gesungen und kurz darauf auch bei seinem Debüt an der Wiener Staatsoper. Im vergangenen Herbst sollte er auch an der New Yorker Metropolitan Opera Julia anhimmeln. Solche Informationen kann der geneigte Leser der gerade erschienenen, "ersten, autorisierten Biografie" des Sängers entnehmen. Aber kommt es darauf an?
Was die Fans des Sängers wirklich interessiert, erfahren sie nicht: Wie es beispielsweise zu der sechsmonatigen sängerische Zwangsgesangspause im Sommer 2007 kam, wie Rolando Villazón das Versagen seines Instruments verarbeitet hat und wie er aus dem stimmlichen und emotionalen Tief herausgekommen ist, so dass er seit Januar seine langfristig vereinbarten Auftritte wieder absolvieren kann. Darüber schweigt sich Manuel Brug aus, zitiert stattdessen nur wörtliche Presseerklärungen und ergeht sich in pauschalen Verklärungen.
Eine Biografie, die den Namen verdiente, würde voraussetzen, dass der 36-jährige Sänger bereit ist, auch über heikle Phasen seiner Karriere Auskunft zu geben. Was bringt ein ausschließlich anhimmelndes Villazón-Buch? Zumal in einem durchaus noch als jugendlich zu bezeichnenden Alter des Sängers? Was gibt es da eigentlich zu sagen?
Der Henschel Verlag wollte wohl um jeden Preis der Erste sein, der ein Buch über Villazón herausbringt und das Debakel vermeiden, das seine Konkurrenten Heyne und Rowohlt im Frühjahr 2005 ereilte, als sie nahezu zeitgleich ihre Anna-Netrebko-Lebensabschnittsbeschreibungen veröffentlichten. Der Leser allerdings muss sich – mit Verlaub gesagt – auf den Arm genommen fühlen. Schon der Titel ist reiner Etikettenschwindel: "Die Kunst, ein Tenor zu sein" erweckt Erwartungen, die nicht erfüllt werden. Weder über die Kunst des Singens, noch über das Wesen des Tenors erfährt man etwas. Stattdessen streut der Vielschreiber Manuel Brug Kurzbiographien, er nennt sie "Intermezzi", von Tenören wie Caruso, Pavarotti, Domingo und Carreras ein, um auf wenigstens 160 Seiten zu kommen, wo er ansonsten nicht viel zu schreiben weiß.
Villazóns Herkunft aus einer deutschen Auswandererfamilie und der intellektuelle Background des angeblich begeisterten Romanlesers werden knapp beleuchtet, die Ausbildung des Sängers in Mexiko sowie die ersten Schritte in Europa geschildert. Man erfährt, dass er seine heutige Ehefrau bereits als 16-Jähriger kennenlernte, dass seine Jungs Dario und Matteo heißen und die Familie Villazón im Pariser Nobelvorort Neuilly wohnt, der Hochburg von Nicolas Sarkozy.
Ansonsten ein Karriere-Schnelldurchlauf mit Namedropping und entbehrlichen Kurzrezensionen der verschiedenen Inszenierungen, in denen Villazón zu erleben war und auf CD sowie DVD verewigt ist. Texte, die Brug schon anderweitig veröffentlichte, werden amalgamiert mit solchen, die gut und gerne der Werbe- und Presseabteilung des Schallplattenkonzerns Villazóns entnommen sein könnten. Was soll das?
Rezensiert von Dieter David Scholz
Manuel Brug: "Die Kunst, ein Tenor zu sein"
Henschel Verlag 2008, 160 Seiten
19,90 Euro