Tennisnachwuchs in Berlin

Warum so wenige Kinder zum Schläger greifen

Büttelborn 03.09.2017: Familientag der SKV/TV Tennisabteilung Büttelborn Emilia, Julian, Zoe und Sophie (vrnl) beim Kinder-Tennis-Parcours Büttelborn 03 09 2017 Family the Skv TV Büttelborn Emilia Julian Zoe and Sophie from right to left the Children Tennis Course
Neumitglieder unter den Kleinsten zu gewinnen, ist für viele Tennisvereine ein Problem. © imago stock&people
Von Frank Ulbricht · 22.07.2018
Die Zeiten, als Steffi Graf und Boris Becker einen wahren Tennisboom auslösten, sind vorbei. Bei Kindern hält sich die Begeisterung fürs Tennis heute in Grenzen. Warum fällt es so schwer, Nachwuchs zu gewinnen?
Es ist ein wunderbares Bild. Da ist dieser Fünfjährige mit dem riesig wirkenden Tennisschläger. Schon wieder rennt er nach der Filzkugel, schon wieder landet der Ball im Netz. Mit hochrotem Kopf startet der Kleine einen neuen Versuch. Zwangsläufig stellt sich die Frage: Wer hat hier eigentlich wen in der Hand: der Blondschopf den Schläger oder der Schläger den Jungen?
Der Kleine ist eines von 70 Kindern beim Feriencamp, veranstaltet vom Tennis-Club SCC Berlin. Die meisten von ihnen stehen in diesen Tagen zum ersten Mal auf dem Platz.
"Wir haben leichtere Bälle die nicht so hoch springen, die nicht so schwer sind", sagt Philipp Blank. "Es gibt Kinderschläger, wir haben kleinere Netze. Wie beim Skispringen quasi, man schickt ja auch nicht gleich seinen kleinen Sohn auf die große Schanze."

Fußballer kennen alle - Tennisspieler nur wenige

Philipp Blank ist Trainer beim Feriencamp. Was auffällt: Viele Kinder tragen Fußball-Trikots. Bayern München, Borussia Dortmund, selbst das der deutschen Nationalmannschaft ist zu sehen:
"Wenn du hier die Kinder fragst, ob die einen Tennisspieler kennen, die Kleineren, dann fangen die bei Federer an und bei Nadal hört es dann schon auf. Wenn du die nach einem Fußballstar fragst, dann zählen die dir eine Stunde lang die Fußballer auf. Obwohl die hier beim Tennis sind."
Der Test ist schnell gemacht. Denn neugierig hören einige Kinder ihrem Trainer Philipp beim Interview zu.
"Ich kenne welche, Roger Federer." – "Weiß ich nicht."
Trainer: "Wer hat denn ein großes Tennis-Turnier gewonnen letzte Woche, so auf Rasen?"
"Frankreich?"
Trainer: "Könnt ihr mir mal einen Fußballspieler nennen?
"Ja, ich. Ronaldo." – "Ich weiß einen, Müller." – "Toni Kroos."

Tennisspiele im Fernsehen sind keine Straßenfeger mehr

Die Siege von Steffi Graf und Boris Becker sind für den Tennissport in Deutschland Fluch und Segen zugleich. Die Triumphe in Wimbledon, Paris oder New York bescherten den Vereinen rekordverdächtige Mitgliederzahlen. Die Übertragungen im Fernsehen waren Straßenfeger. Heute, bald 20 Jahre nach den Rücktritten, werden die deutschen Tennisspieler noch immer an den Erfolgen von Graf und Becker gemessen, so Trainer Philipp Blank:
"Wir haben eine Kerber, die jetzt Wimbledon gewonnen hat. Wenn du das aus russischer, serbischer, belgischer Sicht betrachtest, wenn du da Wimbledon gewinnst, dann wirst du einen Monat auf Händen getragen. Das wird überall rauf und runter gezeigt, das löst einen Tennis-Boom aus. Das vermissen wir leider ein bisschen in Deutschland zur Zeit im Tennis. Dass das gar nicht wahrgenommen wird, wie gut Deutschland eigentlich wieder im Tennis ist."
Hier ihm Feriencamp beim SSC steht vor allem der Spaß im Vordergrund. Karl und Jan, sieben und zwölf Jahre alt, möchten schon mehr. Sie zählen zu den Talenten im Verein. Wenn die beiden auf dem Platz stehen, wollen sie gewinnen. Das klappt auch meistens. Karls Erfolgsrezept? Die Vorhand. Manche Gegner haben sogar Angst vor ihm, sagt er. Tatsächlich, die haben wirklich Angst?
"Ja, ein bisschen schon. Aber manche nicht."

Tennis ist zu schnell geworden

Karl und Jan gehören zu den über 360.000 Kindern und Jugendlichen, die Mitglied beim Deutschen Tennis Bund, kurz DTB, sind. Zum Vergleich: 1994 waren es über 570.000, ein bis heute nicht mehr erreichter Wert. Eine Ursache für den Rückgang: In den Medien ist Tennis zur Randsportart geschrumpft, sagt Jens Thron, Geschäftsführer und Jugendwart vom Tennis-Club SCC. Und er sieht ein weiteres Problem: Tennis ist viel schneller geworden. Das macht es für die Zuschauer und gerade für Kinder unattraktiv, sagt Thron.
"Das ist unheimlich schwer, auch Kindern diesen Sport zu vermitteln. Das macht diesen Sport ja auch interessant. Warum der Tennissport so besonders in Deutschland gehypt wurde, war auch die Möglichkeit von Becker, dass er halt ganz viel Volley gespielt hat und da unheimlich spektakuläres Tennis spielte. So, wenn man sagt: Findet man super, alles klar. Wenn man sagt: Findet man nicht super, dann muss man mal andere Wege gehen. Entweder man nimmt größere Bälle, oder man macht das Feld marginal kleiner. Man muss sich Gedanken machen darüber. Ich finde bloß, es ist alles so… man redet gar nicht, es ist alles kein Thema."

Unterstützung vom Deutschen Tennisbund fehlt

Bis sich etwas ändert, das wird wohl dauern. Was würde helfen, bald wieder mehr Kinder für Tennis zu begeistern? Könnten die Vereine gemeinsam mit dem DTB nach Lösungen suchen?
"Ich habe nicht das Gefühl, dass der DTB für die Vereine da ist, in vielen Bereichen, sondern das man da sehr alleine gelassen wird", beklagt Jens Thron. "Also, wir bräuchten den DTB nicht. Es gibt keine Förderprogramme für bestimmte Dinge die man macht. Vielleicht gibt es was, was ich jetzt nicht weiß. Vielleicht hört es ja jemand vom DTB, der kann mich eines Besseren belehren und mich überzeugen, dass es nicht so ist."

Optimisitischer beurteilt Klaus Eberhard, Sportdirektor des Deutschen Tennisbundes (DTB), die Nachwuchssituation. Das Interview, das unser Moderator André Hatting mit Klaus Eberhard geführt hat, können Sie hier nachhören: Audio Player

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