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Calmont-Klettersteig
Die wanderbare Rebsteillage

Die Römer sprachen vom "calidus mons", dem "warmen Berg". Sie dachten beim Calmont, einem Höhenzug an der Mittelmosel, an die besondere Eignung der steilen Südlage für den Weinbau. Heute gibt es einen Wanderweg und geführte Wanderungen durch die Hänge.

Von Andreas Burman | 31.08.2014
    Ein Winzer ist mit der Zahnradbahn auf einem Weinberg unterwegs.
    Mit der Zahnradbahn im Weinberg. (Deutschlandradio / Andreas Burmann)
    "Der Klettersteig ist vor zehn Jahren, elf Jahren eröffnet worden, und seitdem haben wir einen Zulauf, der ist, sagen wir, überproportional groß geworden. Weil halt sehr viele vor allem auch junge Leute, auch weininteressierte Leute kommen, die dann die Wanderung machen, zum Teil alleine, zum Teil melden sie sich an, machen eine geführte Wanderung. Vom Moselsteig her ist halt die Mittelmosel und gerade der Kreis Cochem-Zell, also wir sagen der "Krampen" hier, der von Ediger-Eller bis Cochem geht, der ist "Bombe", das ist einfach so."
    Jungwinzer Gerd Schauf ist hörbar stolz auf den Klettersteig am Calmont. Der Name "Calmont" rührt aus dem lateinischen "calidus mons", übersetzt "warmer Berg". Die Römer haben dabei an die besondere Eignung der steilen Südlage für den Weinbau gedacht. Gerade im Sommer hätten sie auch vom heißen Berg sprechen können, sagt Schauf:
    "Die Sonne steht gegenüber dem Berg und scheint auf die Mosel. Die Mosel reflektiert die Sonne in den Berg hinein und die Luft steht da. Leute, die das nicht gewohnt sind, die haben da schon Probleme."
    Am oberen Ende des Weindorfs Ediger-Eller, direkt hinter der alten Eisenbahnbrücke über die Mosel, führt ein Pfad aufwärts. Etwa nach einem Drittel der rund 300 Höhenmeter geht es links ab. Von nun an führt der schmale Weg bald steigend, bald fallend auf halber Höhe des Calmonts moselaufwärts Richtung der Ortschaft Bremm. Winzermeister Karl Schauf, Gerds Vater, weist auf den typischen Boden ringsum:
    Blick auf Weinberge an der Mosel.
    Blick auf Weinberge an der Mosel. (Deutschlandradio / Andreas Burmann)
    "Muttererde sehen Sie kaum und das ist Schiefergestein, und das gibt die Würze zu dem Wein. Hier am Calmont haben wir also Grauschiefer und Quarzschiefer. Und das gibt Töne im Wein nachher wie Ananas. Der Schiefer deckt aber auch den Boden ab: Die Feuchtigkeit bleibt im Boden. Und hier gibt’s keine Bodenerosion; wenn mal Gewitter runter kommt oder so, das geht alles in den Boden."
    Zugleich wirkt der Schiefer wie ein Wärmespeicher, an heißen Sommertagen erhitzt er sich auf bis zu 70 Grad. Ausgezeichnete Bedingungen für die Rieslingrebe, deren Wurzeln bis zu drei Meter tief in die gut durchlüfteten mineralischen Böden reichen. Zum günstigen Mikroklima tragen auch zahlreiche Trockenmauern aus Schiefergestein bei, die das steile Gelände terrassieren und abstützen. Bis in die Gegenwart sind sie in harter Handarbeit entstanden, sagt Altwinzer Rudi Treis:
    "Da mussten wir alles dahin schleppen. Ich hatte noch so‘n, wie wir das genannt haben, so einen Ziehmax und eine kleine Seilwinde. Und dann mit dem Seil runter und dann mit der Schubkarre hochgezogen die Steine."
    Ab und an zieht sich unterhalb des Klettersteigs ein kniehohes metallenes Monogleis zwischen den Rebstöcken schnurgerade bergan. Auf ihnen knattern Zahnradbahnen entlang, die die mühselige Arbeit erleichtern, vor allem wenn Humus hinauf- oder die Weinernte hinunterzubringen ist. In einigen Lagen jedoch tragen die Weinbauern im Herbst ihre rund 50 Kilo schweren Traubenbehälter traditionell auf dem Rücken zu Tal.
    Auf der anderen Seite der Mosel fällt zwischen Weingärten die Kirchenruine des im frühen 13. Jahrhundert gegründeten Klosters Stuben in den Blick. Zwei lange hohe Seitenfassaden mit gotischen Fenstern: Mehr haben die französischen Revolutionstruppen bei ihrem Durchmarsch um 1800 von dem Nonnenkloster nicht stehen lassen. Weniger zerstörerisch, sondern eher fruchtbar war das Treiben der Herrschaften, die vor den Franzosen den sogenannten Zehnten eintrieben, erzählt Schauf:
    Eine Leiter steht an einem Steilfels.
    Calmont - Leiter am Steinfels (Deutschlandradio / Andreas Burmann)
    "Früher gab’s das Finanzamt ja nicht, es gab Zehnthäuser an der Mosel und man musste seinen zehnten Teil abgeben. Und da kamen die Trierer oben runter mit dem Schiff und haben den zehnten Teil abgeholt. Und die haben da abends eine richtige Sause gemacht, und da muss dann neun Monate später immer mehr los gewesen sein."
    Geschichte und Geschichten am Calmont. Mit jeder Kaule, wie die Winzer die kuhlenförmigen Hänge nennen, wechselt der Blick. Mal säumt ein Brombeerstrauch, ein seltener Buchsbaum oder ein Weinbergpfirsichbäumchen den Pfad, mal geht es per Leiter 70 Grad steilen Fels hinauf oder hinab, mal queren wir am Drahtseil abschüssige Passagen. Wirklich heikel wird es nie, doch trittsicher und schwindelfrei sollte man schon sein. Imposant sind, gerade von Felsvorsprüngen, die Tiefblicke auf die Mosel, wo nahe der Klosterruine einige an einer Sandbank baden, andere mit einem gemieteten Kanu paddeln. Der Calmont-Klettersteig sei ein rundum lohnendes Ziel, sagt Wanderin Vera:
    "Ja, das ist großartig. Bin völlig überrascht, dass das hier so steil ist, hätte ich nie mit gerechnet. Man kann sich das gar nicht vorstellen, weil man das gar nicht erwartet in dieser Mittelgebirgslage. Man muss allerdings auch Kondition haben, sonst hat man hier ein Problem. Weil es ist total steil, ein Sonntagsspaziergang ist das keiner."
    Am Himmel schwebt ein Paraglider, gestartet am Hochkreuz.
    Dieser Aussichtspunkt rund 300 Höhenmeter oberhalb von Bremm ist der Schlusspunkt des Klettersteigs, wo sich nach gut drei Stunden bei herrlicher Weitsicht rasten lässt. Danach geht‘s nach Bremm zur Bushaltestelle hinunter oder auf dem bewaldeten Höhenzug des Calmont angenehm nach Ediger-Eller zurück.
    In jedem Fall sollte man nicht versäumen, am Abend in einer der Straußwirtschaften oder Weinstuben im mittelalterlichen Dorfambiente den Calmont-Riesling zu verkosten.