Techno-Papst und Künstler

Von Susanne Luerweg · 01.10.2013
Seit 20 Jahren ist Wolfgang Voigt einer der Chefs des Kölner Labels Kompakt. Er zählt zu den bekanntesten Techno-Musikern und führenden Köpfen der Ambient-Musik. Der 53-Jährige sieht sich längst nicht nur als Produzent, sondern als musikalischen Konzeptkünstler.
Ein geschäftiger Vormittag im Hause Kompakt. Rund 20 Mitarbeiter arbeiten auf zwei Etagen. Im Erdgeschoss werden Schallplatten, Taschen, T- Shirts verkauft, ein Stockwerk darüber sitzen junge Menschen an Rechnern, schreiben Mails, bearbeiten Fotos. Mittendrin einer der Chefs: Wolfgang Voigt.

Wolfgang Voigt führt Besucher in den Besprechungsraum. Seine Ateliers und sein Studio sind tabu.

"Es gibt ein kleineres, das ist hier im Haus wo so kleinere Sachen gemacht werden, eben Kunst und Musik. Und es gibt ein relativ großes, das ist ein paar Meter entfernt, wo ich auch so großformatige Sachen machen kann. Beides sind Räume die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. - Warum ist das so geheim? - Och, Kreativität braucht ihre geheimen, konspirativen Räume."

Der 53-Jährige duldet keinen Widerspruch, schließt schnell die Fenster und bittet, Platz zu nehmen. Im Besprechungsraum herrscht eine fast meditative Ruhe. Die Einrichtung ist mit einem langen Esstisch und Holzbänken karg, aber geschmackvoll. An den Wänden hängen Bilder deren Motive von Kompakt-Plattencovern stammen. Entworfen vom Künstler Wolfgang Voigt. Wenn der Chef nicht zum Interview lädt, wird hier gegessen. Jeden Mittag serviert die hauseigene Köchin biologisch dynamisches Essen.

"Was mich betrifft und noch ein paar andere von der älteren Generation, ist es so, dass man irgendwann im Zusammenhang mit Bewusstsein und so n paar Lifestyle-Ddingern mal mehr Bock hatte auf leichte Kost als auf ewiges Junkfood. Leichtes, cleanes Essen kommt einfach besser als jeden Tag Pommes mit Currywurst."

"Mit dem Alter von neun und zehn Jahren habe ich die hohen Weihen von Marc Bolan und T Rex empfangen, als Kind wenn man so will und das, was ich da gesehen und gehört habe , hat mich ein Leben lang geprägt. Ich bin rumgeturnt mit meinen Jungs, es lief Children of the Revolution, danach wusste ich was ich zu tun hatte."

Der Erfinder des Sound of Cologne und des Minimaltechno hat nie ein Instrument gelernt, er hat auch nicht Malerei studiert. Der immer noch jugendlich wirkende Mann mit blonden Haaren und schickem Anzug, erinnert eher an einen Galeristen als an einen Nachtarbeiter, und nennt sich selbst einen Autodidakten. Er kommt aus keiner Künstlerfamilie, sondern aus bescheiden bürgerlichen Verhältnissen. Sein Vater arbeitete bei der Stadt, die Mutter war Hausfrau. Wolfgang Voigt hat sich durchs Leben gewurschtelt und es sah lange nicht so aus als würde er mit seiner Kunst und Musik einmal erfolgreich sein.

"Man muss sich das als das klassisches Künstler Boheme Life ohne Geld vorstellen. Arbeiten war ein No go, das hat man nicht gemacht. Entweder war man Künstler oder Musiker und hatte damit Erfolg oder man musste eben sterben."

Gelernt hat er an der Theke des Lebens, wie er lächelnd erzählt. In Kölns Kneipen war die Kunst – und Musikszene in den 80er-Jahren eng verzahnt. Wolfgang Voigt trat gemeinsam mit Technokollegen bei diversen Galeriefesten auf, freundete sich mit der Künstlerin Cosima von Bonin an und konnte Ende der 80ziger erstes Geld mit Musik verdienen. Mit seiner Kunst ist er nicht ganz so erfolgreich, aber das ist ihm egal. Bald will er ein Album herausbringen zu dem er auch gleich die passenden Bilder liefert.

"Es geht um Maschinenmusik, um maschinelle Malerei. Ich habe mich für zehn Musikstücke und zehn Bilder parallel entschieden."

Seine Kunst spiegelt seine Musik wider. Hart, digital bearbeitete Fotos, abstrakt, ohne Menschen.

"Das ist ein grundsätzliches Prinzip in meiner bildnerischen Kunst: Menschen und Schrift gehören da nicht hin oder Auto- und Nummernschilder und dergleichen, sondern bestenfalls Natur oder Stadt..."

Wolfgang Voigt hat keinen festen Tagesablauf. Keine Kinder, keine Ehefrau. Seine Firma ist seine Familie, sagt er. Er will maximale Freiheit genießen. Nur keine Einschränkungen. Wenn ihn die Muse küsst, Zitat Wolfgang Voigt, malt oder komponiert er ein neues Stück am Rechner. Manchmal geht er aber auch einfach seiner dritten großen Leidenschaft nach.

"In mir steckt ein passionierter Handwerker, wenn ich keine Lust habe auf Busy machen in der Firma, oder auch keine Lust habe auf Kunst und Musik, dann gehe ich auch gerne hin und bau mal ein Regal oder bring die Firma handwerkelnderweise auf Vordermann. Ich steh da drauf. Für mich ist das die gleiche kreative Energie wie andere Dinge auch. Und das ist fließend. Beschäftigt bin ich immer."