Taufkirchen in Bayern

Aufblasbare Unterkünfte für Flüchtlinge

Flüchtlinge in Taufkirchen gehen zu einem von Sicherheitspersonal bewachten Eingang einer Traglufthalle, die als Flüchtlingsunterkunft dient.
Eine Traglufthalle in Taufkirchen, sie dient als Flüchtlingsunterkunft. © picture alliance / dpa / Peter Kneffel
Von Burkhard Schäfers · 11.08.2015
Die bayerische Landesregierung gibt sich in der Flüchtlingsdebatte als Hardliner, warnt vor Asylmissbrauch und setzt auf Massenunterkünfte. Zum Beispiel in Taufkirchen, dort sollen die Menschen in einer aufblasbaren Traglufthalle leben, die eigentlich eher für Tennisspiele und Messen gedacht ist.
"Wir sollen 3800 laut aktueller Prognose aufnehmen. Die Wohnraumsituation im Landkreis München ist so, dass wir keine freien Wohnungen haben, und in so einer Halle bringen wir halt dann doch signifikant Personen unter."
Die Halle, auf die der stellvertretende Landrat Ernst Weidenbusch zeigt, ist aufblasbar und fast so groß wie ein Fußballfeld. Hier drin sollen bald bis zu 300 Asylbewerber wohnen. Erstmal aber ist großes Schaulaufen angesagt: Landrat und Minister präsentieren stolz die erste bayerische Traglufthalle für Flüchtlinge. Dafür ist eigens die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner angereist.
"Sehr gut, super, freut mich. Dann dürf ma uns des amal anschaun."
Ein dutzend Kamerateams und Journalisten im Schlepptau steuert die Politikerriege Richtung Eingang. Vorbei an schwarz-uniformierten Sicherheitsleuten geht es durch eine Schleuse ins Innere der Traglufthalle.
Elf Quadratmeter für je sechs Menschen
Eigentlich dienen solche Zeltkuppeln zum Tennisspielen, als Lagerfläche oder für Messen. Hier, in Taufkirchen im Landkreis München, stehen jetzt aber Betten und Biertische auf dem hellen Holzfußboden. Elf Quadratmeter für je sechs Menschen. Auch eine Kinderspielecke gibt es.
Dann haben wir hier oben Linearmelder, die sofort ne Rauchentwicklung melden. Also für den vorbeugenden Brandschutz. Wir haben dann die entsprechende Anzahl von Wasch- und Duschcontainern, ich zeig Ihnen das dann vorne nochmal.
Der zuvorkommende Herr von der Firma, die die Traglufthalle aufgebaut hat, wittert gerade das Geschäft seines Lebens. Von den ersten Flüchtlingen, die hier seit einigen Tagen leben und die etwas verloren auf einer Bierbank sitzen, lassen sich die wichtigen Damen und Herren nicht weiter stören. Lieber überlegen sie sich schon einmal staatstragende Worte für die folgende Pressekonferenz. Beim bayerischen Innenminister Joachim Herrmann klingt das dann so:
"Ich glaube es ist offenkundig, dass das eine durchaus überzeugende Lösung ist, wie wir den großen Herausforderungen entsprechen können, in zum Teil sehr rascher Zeit Unterkünfte für die vielen Flüchtlinge herzustellen."
80.000 Euro Miete zahlt der Landkreis für die Traglufthalle – jeden Monat. Trotzdem will das Landratsamt weitere aufblasbare Unterkünfte für die Geflohenen aufstellen.
"Wir sind uns in der bayerischen Staatsregierung einig, dass das eine Riesenherausforderung ist für die Kommunen, die die Menschen unterbringen müssen. Dass dabei aber auch ein gewaltiger Missbrauch stattfindet, kriminelle Schleuserbanden, die das deutsche Asylrecht missbrauchen. Deshalb: Wer nicht asylberechtigt ist, muss sehr schnell in seine Heimat zurückkehren. Die anderen müssen möglichst gut integriert werden. Und der Bund und die EU müssen jetzt noch intensiver ihre Hausaufgaben machen."
Und der bayerische Innenminister muss jetzt weiter, nach dem Termin entschwindet er mit dem Hubschrauber. Zurück bleiben die Taufkirchner – mit einer Zelthalle, demnächst hunderten Neuankömmlingen und einer ganzen Menge Herausforderungen.
"Ich muss sagen, ich komm nicht zurecht. ... Gerade wenn ich Syrien anschaue denke ich es wird Zeit, dass man was tut."
Jeden Tag kommen in München mehr als 500 Asylbewerber an
Während Bund und Länder sich auf Flüchtlingsgipfeln um Geld und Quoten streiten, sind die Kommunen das letzte Glied in der Kette. Hier kommen die Menschen an und brauchen irgendein Dach über dem Kopf. Ortstermin im Rathaus bei Bürgermeister Ullrich Sander. Der gebürtige Rheinland-Pfälzer, parteifrei, aber von der CSU unterstützt, steht seit dem vergangenen Jahr an der Spitze von Taufkirchen.
"Es ist für mich ein Riesenproblem, das überregional mal gelöst werden muss, diese Verteilungsmechanismen. Dass man im Raum Oberbayern nach dem Schlüssel gerade die meisten Menschen verteilt. Ich glaube, in Oberbayern sind genauso viele Leute untergebracht wie in ganz Portugal."
In München kommen gerade jeden Tag mehr als 500 Asylbewerber an. Dass es so viele sind, liegt an den großen Fluchtrouten aus dem Süden: Übers Mittelmeer, über die Türkei, vom Balkan – dann über den Brenner. An Geld sollte es im reichen bayerischen Süden zwar nicht fehlen. Aber am Platz, sagt Bürgermeister Sander.
"Das ist eine der Boomregionen in ganz Europa mit den höchsten Grundstückspreisen. Und dort dann zu sehen, wo man Grundstücke herkriegt, die sowieso Mangelware sind, wo die Menschen hier sowieso schon keinen Wohnraum haben, das führt zu riesig großen Konflikten."
Im Raum München kostet ein Quadratmeter Grund über 1000 Euro – im Bayerischen Wald oder in Oberfranken sieht das ganz anders aus.
"Es geht nicht darum, die Flüchtlinge woanders hin abzuschieben in irgendein Randgebiet. Aber in diesen Gebieten stehen Häuser leer, warum man das nicht mit nutzt ist mir ein Rätsel. Unabhängig von den Kosten, die kann man ja anders verteilen. Aber die Flächen hier sind knapp, und das müsste berücksichtigt werden."
Bürgermeister und Landräte stehen unter Druck. Sie sollen den Bürgern die Situation erklären, für eine herzlichere Willkommenskultur sorgen – und manchmal ruft nachts die Bundespolizei an, dass schon wieder ein Bus mit Flüchtlingen in ihren Ort unterwegs ist.
Warum muss alles plötzlich so schnell gehen?
Die Staatsregierung, haben wir oft das Gefühl, lässt die Kommunen mutterseelenallein. Es gibt Probleme mit der Refinanzierung der Kosten. Es macht sich von oben herab keiner Gedanken, dass dann Schulplätze, Kita-Plätze, Kinderspielplätze für die Flüchtlinge auch gewährleistet sein müssen. Dafür gibt's keine Mittel, damit stehen die Kommunen allein da.
Allerdings ist überhaupt die Frage, warum jetzt plötzlich alles so schnell gehen muss. Warum es nicht ausreichend Unterkünfte gibt, so dass Traglufthallen her müssen. Kommen die vielen Flüchtlinge wirklich so überraschend? Matthias Hilzensauer von der Caritas in Taufkirchen.
"Ich glaube, die Flüchtlingsproblematik wurde seitens der Regierung etwas unterschätzt. Man hat zu spät angefangen sich darauf vorzubereiten, dass eine Flüchtlingswelle von Süden auch zu uns nach Deutschland raufkommt."
Die Caritas hat die Sozialbetreuung der Asylbewerber übernommen. Für 100 Bewohner kann sie jeweils einen Sozialarbeiter einstellen. Theoretisch. Denn etliche Stellen sind unbesetzt. Daran sei auch die bayerische Staatsregierung schuld, sagt Caritas-Mann Hilzensauer.
"Die haben ganz klar gesagt, wir wollen für die Betreuung in den Unterkünften nur Diplom-Sozialpädagogen, die nach deutschem oder bayerischem Recht studiert haben. Das halten wir für ein Unding. Ich meine, dass auch andere Studienabschlüsse aus anderen EU-Ländern anerkannt werden müssten, um hier dann auch arbeiten zu dürfen."
Undifferenzierte Diskussion
Und dann sind da noch die Helfer: Mehr als 50 haben sich gemeldet, um mit Flüchtlingen zum Arzt zu gehen oder aufs Amt, um mit den Kindern Fußball zu spielen oder zu grillen. Direkter Kontakt, das ist wohl am besten, um Vorurteile abzubauen. Wenn Matthias Hilzensauer darüber spricht, bedauert er es vielleicht, dass der Innenminister so schnell wieder weg war.
"Es gibt Ressentiments gegenüber Flüchtlingen. Es wird oft gesagt: Das sind ja nur Wirtschaftsflüchtlinge. Klar werden sie unterstützt, aber nicht so, dass hier Begrüßungsgelder gezahlt werden oder die Menschen erstmal reich werden. Diese Diskussion, die ist mir zu undifferenziert."
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