Tauben vergiften und Gatten erschießen

Rezensiert von Dirk Fuhrig · 10.10.2005
Der 83-jährige Kabarettist und Sänger Georg Kreisler floh 1938, nach dem "Anschluss" Österreichs, in die USA. Dort sang er vom Gattenmord, lange bevor er mit vergifteten Tauben berühmt wurde. Diese Aufnahmen wurden nie veröffentlicht und erscheinen jetzt erstmals auf CD, zusammen mit einer Biographie des Künstlers.
Musik: Shoot your husband

""Bitte, erschießen sie ihren Gatten, schießen sie ihn tot"."

Der gute alte Kreisler – er sang bereits in jungen Jahren. Dass er englisch singt, ist keiner Mode geschuldet. Sondern der Tatsache, dass der jüdische Österreicher nach dem so genannten Anschluss 1938 nach Amerika geflüchtet war. Dort musste man das Publikum natürlich in der Landessprache entertainen. 1947 war Georg Kreisler 25 Jahre alt und ein aufstrebender Newcomer. Freche Texte, frische Stimme - leider mit geringem Erfolg.

Kreisler: "Zum Liederschreiben bin ich übrigens dadurch gekommen, dass ich Geld verdienen musste. In Amerika war das. Und wenn man als Musiker arbeiten will, ist das schwierig. Da braucht man ein paar Jahre oder ein paar Monate, um irgendwo Fuß zu fassen, und das konnte ich nicht. Also habe ich Lieder geschrieben und bin in Nachtlokalen aufgetreten. Und wie ich dann nach Europa gekommen bin, habe ich das fortgesetzt. "

Vor dem Taubenvergiften den Gatten erschießen – als "unamerikanisch" galt das. Und so verschwanden die Schellack-Platten mit den englischen Kreisler-Songs direkt nach der Aufnahme 1947 im Giftschrank der Produktionsfirma. Zwei Journalisten aus Hamburg haben sie gefunden. Sie waren ordentlich in den Archiven des Plattenlabels abgelegt – unberührt, mehr als ein halbes Jahrhundert.

Musik: "Antiseptic Life"

Die Freuden der Körperpflege – das Leben klinisch rein. Anders als der süffisante Text lässt sich das kecke, jugendliche Timbre nur schwer dem Georg Kreisler zuordnen, den wir heute kennen. Dem bissigen, gern schwarzhumorigen Sänger mit Wiener Akzent. Umso aufregender, dass diese bislang verschollenen Aufnahmen jetzt auf CD erschienen sind.

Musik: Antiseptic Life

Die sechs nun also erstmals zugänglichen alten Lieder sind hervorragend restauriert und bearbeitet worden. Die technische Qualität dieser historischen Einspielungen ist beeindruckend – gerade wenn man bedenkt, dass sie ja wirklich von Schellack-Scheiben heruntergeholt wurden.

Es ist das große Verdienst von Hans-Jürgen Fink und Michael Seufert, dass sie diese Raritäten aufgestöbert haben. Dabei sind die Fundstücke nur ein Nebenprodukt ihrer Kreisler-Biografie. Für die haben sie professionell recherchiert. Sie nähern sich der Chanson-Legende respektvoll, ohne demütig zu werden.

Nur manchmal wünscht man sich vielleicht etwas mehr Distanz, vor allem, wenn sie den großen Grantler allzu sehr zur unverstandenen Seele und zum von Theaterdirektoren missachteten Außenseiter stilisieren. Denn schließlich haben Kreisler – und gerade auch seine Frau und Bühnenpartnerin Barbara Peters – es der Welt mit ihrer brüsken Art nicht immer leicht gemacht.

Kreisler: "Ich glaube, Politiker muss man angreifen. Vor allem heutzutage. Da sie nicht fähig sind, die Gesellschaft wirklich menschenwürdig zu gestalten. "

"Schöne" Lieder sind eine Lüge, meint Georg Kreisler. Weil sie die Welt idealisieren. Weil die Welt aber böse ist, kann man nur mit bösen –sarkastischen - Liedern zurück schlagen.

Kreisler: "Aber ich bitte Sie: Kunst ist immer "gegen". Kunst ist immer gegen die derzeitige Gesellschaft. Jeder Künstler schreibt aus seiner Zeit heraus. Mozart ist angefeindet worden, obwohl er nur komponiert hat. Weil man gesagt hat, seine Opern sind furchtbar. Das alles ist immer passiert, das sind alte Sachen, und ich bin da überhaupt keine Ausnahme. Man kann doch nicht Gefälligkeitskunst schreiben oder bringen. "

Gefällig ist das letzte, was man über Georg Kreisler sagen kann. Das zeigt uns die – übrigens flott und fesselnd geschriebene, sehr gut lesbare - Kreisler-Biografie: einen ausgesprochenen Sonderling, der den Weltekel kultiviert, ohne dabei zum Zyniker zu werden.

Hans-Juergen Fink/Michael Seufert: Georg Kreisler. Gibt es gar nicht. Die Biographie
Scherz-Verlag
320 Seiten und CD; 19,90 Euro
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