Task Force Raubkunst

Das Gurlitt-Erbe erfordert nüchternen Sachverstand

Christoph Schäublin, Stiftungsratspräsident des Kunstmuseums Bern, spricht am 24.11.2014 in Berlin bei der Pressekonferenz zur Unterzeichnung der Vereinbarung zum Nachlass des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt.
Christoph Schäublin, Stiftungsratspräsident des Kunstmuseums Bern, äußert sich in Berlin zur besonderen Verantwortung bei der Nachlass-Übernahme. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Thomas Klatt · 28.11.2014
Vor wenigen Tagen gab das Museum in Bern bekannt, dass es die Erbschaft des Gurlitt-Nachlasses antreten werde. Das größte Problem ist aber noch nicht gelöst: Wem gehörten die Kunstwerke früher, und wie kann eine gerechte Rückerstattung an eventuelle jüdische Erben aussehen?
"Wir haben nicht 1400 Gemälde, sondern 1200 Kunstwerke, die meisten Drucke, Grafiken und dergleichen. Und der Wert von einer Milliarde, ich frage auch das mit großem Fragezeichen."
Ingeborg Berggreen-Merkel, Leiterin der Task Force Raubkunst, hat auch damit zu tun, Falschmeldungen der Presse zum Fall Gurlitt zu korrigieren. Vor allem weist sie die Forderung nach schneller Rückgabe der Kunstgegenstände an mögliche jüdische Erben zurück. Denn nun dürften keine Fehler begangen werden:
"Es muss möglichst schnell sein, bis jetzt sind nur drei Kunstwerke eindeutig als Raubkunst klassifiziert. Wie soll das weiter gehen? Und die anderen sagen zu Recht, eine Provenienzrecherche dauert lang. Sollten wir uns irren, gibt es Enttäuschungen, Vertrauensverlust, das darf nicht sein. Schnelligkeit ist nicht das oberste Gebot, sondern die Sorgfalt muss herrschen."
Rund 300 Schreiben werden geprüft
Bisher seien rund 300 Schreiben von Betroffenen bei der Task Force eingegangen, die nun abgearbeitet und geprüft würden. Es bestehe aber allein schon das Problem der Erst- und Zweitschädigung jüdischer Besitzer, erläutert Verwaltungsjuristin Berggreen-Merkel:
"Beispiel, eine jüdische Familie hat ein Kunstwerk. Der Vater ist Freiberufler, Anwalt oder Arzt und wird sehr frühzeitig aus seinem Beruf gedrängt. Die Familie hat kein Einkommen mehr. Jetzt wird die Sammlung verkauft. Es kauft ein Freund, auch ein jüdischer Freund, bei dem wird das Bild beschlagnahmt und weggenommen, wo man dann entscheiden muss, wem es zu restituieren ist."
Ingeborg Berggreen-Merkel, aufgenommen am 27.11.13
Ingeborg Berggreen-Merkel leitet die Task Force Raubkunst.© picture alliance / dpa / Peter Kneffel
Ihr pflichtet auch der Rechtsanwalt und Kunstmäzen Peter Raue zu. Die Raubkunst-Recherche sei mehr als 70 Jahre später schwierig:
"Gilt das auch noch, wenn jemand ein Bild mit in die Schweiz genommen hat und gehungert hat und deswegen das Bild verkaufen musste, wie mir ein alter deutscher Jude in New York gesagt hat: Wir haben damals von der Wand in den Mund gelebt."
Allerdings sei die Task Force, die erst im November letzten Jahres gebildet wurde, eine Aufklärungsstelle. Restituieren, also entschädigen, könne nur die Bundesrepublik Deutschland. Und die richtet sich nach den Prinzipien der sogenannten Washingtoner Erklärung, die eine Rückgabe von Raubkunst allein für öffentliche Einrichtungen vorsieht, nicht jedoch für Privatpersonen.
Es sei ein einmaliger Fall, dass nach einer Vereinbarung zwischen dem Bund, dem Land Bayern und dem Berner Museum, das nun das Erbe des Nachlasses von Cornelius Gurlitt antritt, diese Restitutionsverpflichtung auch für diese Privatsammlung bindend ist. Aber auch das werde in der Presse oft falsch dargestellt, nicht alle Gurlitt-Werke sind Raubkunst.
Daneben gibt es Bilder und Grafiken der sogenannten "Entarteten Kunst“, die von den Nazis ab 1937 als undeutsch aus den Museen entfernt wurden. Schließlich besaß Gurlitt wie in seiner Schwabinger so auch in seiner wesentlich kleineren Salzburger Sammlung Bilder, die erst nach 1945 entstanden sind und somit eindeutig zu seinem Privateigentum gehören.
Eine lückenlose Aufklärung ist nötig
Der Fall Gurlitt zeige, dass eine lückenlose Aufklärung zwingend notwendig sei. Zumindest in den deutschen Museen werde da ordentlich gearbeitet, sagt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz:
"Natürlich die Kultureinrichtungen, das sind nicht nur die Museen, sondern auch die Bibliotheken und Archive stehen in der Pflicht, nicht nur auf Anfragen von Anspruchstellern zu reagieren. Aber daneben stehen wir auch in der Pflicht, die Bestände systematisch zu durchforsten."
Nur sei es nicht nur schwer, jüdische Erben zu finden. Auch würden sich nicht wenige Nachkommen weigern, überhaupt mit der Bundesrepublik Deutschland zu verhandeln, weiß der Historiker Julius Schoeps, der sich als Erbe der jüdischen Familie Moses-Mendelssohn selbst um die Rückgabe von Raubkunst bemüht:
"Viele potentielle Erben in den Vereinigten Staaten, in Südamerika, in Südafrika - ich habe mit vielen gesprochen - lehnen es schlichtweg einfach ab, in Deutschland irgendeine Anfrage zu stellen. Die Museen sind in der Bringschuld. Es kann nicht sein, dass gefordert wird, dass hier Anträge gestellt werden und dann wird man erst tätig."
Allerdings seien die Museen von sich aus aktiv und würden an Erben herantreten, die davon gar nichts wüssten, entgegnet Museumschef Parzinger.Nach all der medialen Aufregung um den Gurlitt-Fund müsse nun der nüchterne Sachverstand walten, um die wahren jüdische Erben ausfindig machen zu können und sie zu entschädigen.
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