Erster Tag der offenen Klöster

"Das Innerste zeigen"

Die Abtei gehört zum Orden der Benediktiner.
Die Klosterkirche Maria Laach in der Eifel (Rheinland-Pfalz). Sie gehört zum Orden der Benediktiner. © picture-alliance / Friedel Gierth
Jeremias Schröder im Gespräch mit Hanns Ostermann · 10.05.2014
Der Abtpräses der Ordensgemeinschaft der Missionsbenediktiner, Jeremias Schröder, sagte, der Aktionstag gebe Interessierten erstmals die Möglichkeit, in den innersten Bereich der Klöster zu schauen. Das könnten Gäste normalerweise nicht. Im Kloster laute die wichtigste Frage: Was kann ich noch weglassen und nicht, was kann ich mir noch besorgen.
Hanns Ostermann: Es gibt die Nacht der Museen, Hochschulen präsentieren sich am Wochenende bis zum späten Abend. Professionelle Musiker und Sänger gehen in die Schule, und Kirchen öffnen die Türen. Das kennen wir. Aber warum gibt es heute einen "Tag der offenen Klöster"? Beschlossen und organisiert hat ihn die deutsche Ordensobernkonferenz. Telefonisch verbunden bin ich mit Abt Jeremias, er leitet diese Ordensgemeinschaft. Guten Morgen, Abt Jeremias!
Jeremias Schröder: Guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Not macht erfinderisch! Fehlender Nachwuchs erfordert kreative Maßnahmen. Ist das vor allem der wirtschaftliche Hintergrund?
Schröder: Die Leute, die die Idee hatten, die Mitbrüder und -schwestern, dass wir mal unsere Klöster öffnen sollen, die kommen tatsächlich aus der Berufungspastorale, das heißt, die sind diejenigen, die mit den jungen Leuten in Kontakt sind, die ins Kloster gehen wollen. Aber wir machen die Klöster heute nicht auf, um jetzt einfach Nachwuchs zu werben, das kann man auch so aktiv gar nicht, sondern weil wir wissen, auch unsere Klöster müssen immer wieder in einer offenen Beziehung mit der Gesellschaft sein, sonst verlieren die ihre Bedeutung.
Und deswegen haben wir gedacht, wir machen mal die Klöster auf. 300 Klöster öffnen sich ja heute. Kloster – das heißt für uns Klausur. Das heißt, wir sperren uns normalerweise ab. Das heißt, das ist der innere Bereich des Klosters, wo wir eher im Verborgenen leben. Und das, was früher noch selbstverständlich war, wo viele wussten, was da passiert, das ist heute nicht mehr so. Deshalb machen wir auf und lassen Besucher, Gäste, Freunde, Fremde rein.
Gäste sind normalerweise "ordentlich getrennt"
Ostermann: Bei Ihrer Erklärung eben hatte ich das Gefühl, dass das bei Ihnen sehr intensiv diskutiert wurde – oder liege ich da falsch?
Schröder: Da haben wir schon drüber nachgedacht. Das sind Klöster, die zum Teil seit Jahren oder Jahrzehnten keinen Fremden in diesen innersten Bereich hineingelassen haben, und nur ganz selten und wenige. Und heute machen wir wirklich die Türen weit auf, führen da Gruppen durch, in unserem innersten Bereich, da haben wir schon gut drüber nachgedacht, ob wir das tun sollen.
Ostermann: Stille, Zurückgezogenheit, Andacht – das haben Sie eben gesagt. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht, wenn Sie Ihre Türen aufgemacht haben für bestimmte Gruppen?
Schröder: Das hat es so noch nicht gegeben, dass wir den innersten Klosterbereich so aufmachen. Wir haben natürlich in vielen Klöstern immer Gäste. Das gehört auch zum Auftrag dazu, dass wir aufnehmen, gastfreundlich sind, aber meistens ist das noch mal ordentlich getrennt. Da wirklich, wo die Mönche oder die Schwestern, die Nonnen leben, oder der Bereich, wo man auch Gäste noch hinein nimmt. Und heute machen wir das Innerste auf, das, was neu ist. Da haben wir noch gar nicht so viele Erfahrungen.
Innere Stille braucht Zeit
Ostermann: Aber Sie haben immerhin die Erfahrung gemacht, dass Menschen zu Ihnen kommen, sich eine Zeit lang ausklinken aus dem Hamsterrad des Alltags und über ihr Leben nachdenken. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht?
Schröder: Die Menschen sind gepackt und fasziniert von diesem ganz anderen Räumen, die von Schweigen geprägt sind, eine Welt, eine klösterliche Welt, wo die wichtige Frage nicht ist, was kann ich mir als nächstes noch besorgen oder kaufen, sondern was kann ich noch weglassen. Also eine Umwertung von all dem, was normal wichtig ist. Und wenn einer das mitmacht, dann ist er oft auch leicht verstört am Anfang, weil er merkt, so einfach ist das ja gar nicht, einzutauchen, wenn ich noch den ganzen Lärm in mir habe, kann es um mich herum sehr still sein, und ich werde trotzdem noch nicht ruhig.
Das heißt, das braucht auch oft halt Zeit. Gast zu sein im Kloster, ist oft gar nicht so einfach. Das ist ein Prozess, wo man sich drauf einlassen muss, um allmählich zu dieser inneren Stille auch zu kommen. Die, die das schaffen, die erleben schöne, tolle Sachen.
Ostermann: Was passiert da im Laufe der Zeit? Schöne, tolle Sachen, sagen Sie – was ist das?
"Wesentliche Fragen kommen hoch"
Schröder: Man stößt ja vor in die tieferen Fragen, das, was im Alltag oft überdeckt wird. Was bewegt mich denn wirklich? Warum bin ich denn hier, was will ich, was ist wirklich wichtig in meinem Leben? Und das sind ja oft nicht die Sachen, die einen im Alltag so kümmern. Wann bekomme ich meine nächste Beförderung? Wie kriege ich meinen Haushalt für den nächsten Monat gebacken?
Da geht es dann auf einmal darum, was passiert jetzt mit meinen Beziehungen, was ist mit meinen Kindern? Warum habe ich da keinen Kontakt mehr? Worauf gehe ich zu, wenn ich mal in den Tod gehe, was war dann wirklich wichtig in meinem Leben – diese Fragen kommen dann hoch, und wer da dann oft auch noch im Gespräch Antworten finden kann, der hat wirklich was fürs Leben mitgenommen.
Ostermann: Und wenn da nicht gesprochen werden darf? Auch das passiert ja. Geht dann sozusagen der psychische Prozess, den Sie eben geschildert haben, geht der immer weiter?
Schröder: "Nicht gesprochen werden" heißt ja nur, dass wir auf das Alltagsgeplätscher verzichten. Wenn man Gast ist in so einem Kloster, muss man auch einen Ansprechpartner haben, mit dem man sich austauschen kann auf einer tiefen Ebene. Das geht ja nicht, dass man tagelang mit überhaupt niemandem spricht. Das wäre auch, glaube ich, nicht klug. Sondern eher, dass man mit einer Begleitung oder einer Führung dann tatsächlich in die tieferen eigenen Schichten eintaucht.
Wobei diese interessanten, spannenden Dinge dürfen Sie natürlich nicht erwarten, wenn Sie am Tag der offenen Klöster im Kloster vorbeischauen und mit einer Gruppe von 30 Leuten durchgeführt werden. Also heute wird das eher so ein Hineinschnuppern sein, dass man zum ersten Mal diese Innenwelt überhaupt sieht und eine Anschauung kriegt. Wie geht es da zu, wie leben die? Man sieht, das wird sichtbar, worum es im Kloster geht.
"Wenn Menschen kommen, öffnen wir uns für sie"
Ostermann: Ich glaube, das ist auch deutlich geworden. Es bleibt ein Bereich geschlossen und intim, aber immerhin, das große Ganze wird öffentlich gezeigt. Trotzdem – der Fall wird nicht eintreten, da bin ich sicher – ich möchte trotzdem einen Vergleich ansprechen: Nehmen wir einmal an, bei Ihnen setzt eine ähnlich starke Bewegung ein wie auf dem Jakobsweg – wäre das nicht letztendlich absolut kontraproduktiv?
Schröder: Nein, ich glaube, damit können wir umgehen. Wenn viele zu uns kommen – wir werden die Tür nicht jeden Tag aufmachen, das ist ganz eine große Ausnahme heute. In dieser Form wird es das so bald nicht wieder geben. Dass Menschen zu uns kommen, dass sie unsere Gottesdienste mit feiern, dass die auch unsere Gästehäuser benutzen wollen, um Zeit bei uns zu verbringen, da haben wir Kapazitäten, darauf sind wir eingestellt. Und da können wir drauf reagieren, das wollen wir ja auch.
Wir haben ja nicht ein festes Programm, das wir jetzt partout durchziehen, sondern da, wo wir merken, wir erreichen Menschen, da öffnen sich die Seelen und die Herzen, da lassen wir uns auch drauf ein, und da werden wir alles tun, um dem auch entgegenzukommen.
Ostermann: Meint der Präses der Ordensgemeinschaft der Missionsbenediktiner, Abt Jeremias. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch und wünsche gutes Gelingen!
Schröder: Danke schön! Alles Gute, Herr Ostermann!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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