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Energiewende
Kalk als Wärmespeicher

Der Strom, der durch Solar- und Windenergie erzeugt wird, ist stark schwankend. Darum ist das Speichern der Energie umso wichtiger. In Köln gibt es eine neue Testanalage. Hier experimentieren Forscher mit Kalk als Wärmespeicher. Neu ist das nicht, aber die Umsetzung ist trotzdem nicht ohne.

Von Piotr Heller | 25.02.2016
    Eine Kalkgrube, in der Kalk abgebaut und mit zwei Baggern abtransportiert wird.
    Kalkgrube Rubenheim (Imago/Becker&Bredel)
    "Wir gehen jetzt in unser Hochtemperaturtechnikum, wo wir uns die Anlage zur thermochemischen Wärmespeicherung anschauen werden."
    Hochtemperaturtechnikum klingt kompliziert. Und so sieht die Anlage, vor die Matthias Schmidt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt gerade tritt, auch aus: Sie füllt den ganzen Raum, zig Kabel und Rohre ragen aus ihr. Doch im Grunde ist sie simpel aufgebaut. Sie besteht aus einem Container, der mit pulverförmigem Kalziumhydroxid gefüllt ist.
    "Das ist eigentlich bekannt als gelöschter Kalk. Also ein sehr einfaches Material, das in großem Maße verfügbar ist. Aus dem Container wird das Speichermaterial hier hochbefördert in das, was wir Reaktor nennen. Das ist aber eigentlich ein Wärmeübertrager."
    Der heizt den Kalk auf. Ab etwa 450 Grad Celsius läuft eine Reaktion ab: Aus dem gelöschten wird gebrannter Kalk, also Kalziumoxid, das einen großen Teil der Wärmeenergie chemisch speichert. Und zwar im Prinzip beliebig lange. Wenn man dann irgendwann Wärme benötigt, kann man Wasser hinzugeben und das Material wird über 100 Grad Celsius heiß.
    "Dieses Kalklöschen, das ist nichts Neues, das gibt es seit Hunderten von Jahren. Es ist nicht thermisch genutzt bisher, aber das wäre eine Option, zu sagen: Wir haben das Kalziumoxid, geben Wasser zu und haben dann ein Temperaturniveau der Reaktion, das locker ausreicht für Hausanwendungen. Oder wir sagen: Wir haben überschüssige elektrische Energie, beispielsweise: Photovoltaikanlagen, Windenergien. Und nutzen diesen Strom, um das Kalziumhydroxid zuzusetzen. Haben die Möglichkeit, das verlustfrei relativ lang, saisonal vorzuhalten und dann bei Bedarf thermische Energie auszukoppeln."
    Erklärt Marc Linder, der ebenfalls an dem Projekt forscht.
    Das Prinzip Kalkspeicher ist simpel, aber die Umsetzung ist komplex
    Anwendungen für einen solchen Kalk-Wärmespeicher gebe es viele: Neben kleinen Anlagen für private Haushalte kann man sich auch große Speicher vorstellen, die mit der Abwärme von Industrieanlagen aufgeladen werden. Oder solche, die Wärme von solarthermischen Kraftwerken aufnehmen. Dabei ist es kein Zufall, dass solch ein Speicher gerade jetzt entwickelt wird. Man kann ihn als einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Energiewende begreifen. Denn durch die regenerativen, dynamischen Kraftwerke wird es immer wichtiger, überschüssige Energie zu speichern. Beim Strom übernehmen Akkus diese Aufgabe. Bei Wärme muss man eben Speicher wie den gelöschten Kalk finden. Doch auch wenn das Prinzip hinter dem Kalkspeicher simpel und altbekannt ist, die Umsetzung ist komplex:
    "Die größte Herausforderung an der Anlage ist die gleichzeitige Bewegung dieses Materials durch den Wärmeübertrager und die gleichzeitige Zufuhr und Abfuhr des Reaktionsgases aus diesem feinkörnigen Pulver heraus."
    Das Problem ist, dass die Forscher es mit einem Pulver zu tun haben. Für einen Maschinenbauer ist das ein Albtraum, denn es lässt sich nur kompliziert transportieren.
    "Wir haben bisher Schnecken vorgesehen, eine mechanische Förderung, grundsätzlich kann man Pulver auch pneumatisch fördern. Und das ist eine aktuelle Fragestellung bei uns: Die zwei Fördermöglichkeiten zu untersuchen im Hinblick auf: Wie effizient sind sie?"
    Wie lagert man den aufgeladenen Kalk sicher?
    Bis solche Fragen geklärt sind, wird noch viel Zeit vergehen. Und auch dann gibt es noch weitere, ganz praktische Herausforderungen: Man wird klären müssen, wie man den aufgeladenen Kalk sicher lagert. Schließlich darf dort kein Wasser rankommen, denn das würde eine heftige Reaktion auslösen. Die Forscher wollen daher noch keine Prognose wagen, wann die Erfindung den Sprung aus dem Labor in die Energienetze der Zukunft schaffen wird.
    "Die größte Herausforderung an der Anlage ist die gleichzeitige Bewegung dieses Materials durch den Wärmeübertrager und die gleichzeitige Zufuhr und Abfuhr des Reaktionsgases aus diesem feinkörnigen Pulver heraus."