Umgang mit Rechtspopulismus am Theater

Miteinander reden als Kern der Demokratie

Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters Berlin.
Theater müsse vielfältig sein, aber nicht nach einem von der Politik vorgegeben Kanon, meint Ulrich Khuon, Präsident des Deutschen Bühenvereins. © Klaus Dyba
Von Christoph D. Richter · 23.10.2018
Theater sollen und müssen gegen Rassismus und Ausgrenzung Stellung beziehen, erklärt der Deutsche Bühnenverein nach einer zweitägigen Tagung in Magdeburg. Doch wie kann das gelingen, ohne belehrend zu sein? Und wie politisch darf Kunst sein?
Raus aus dem Elfenbeinturm. Nach den Ereignissen von Chemnitz und Köthen müssen die Theater die Bühne verlassen. Sich in Diskursräume begeben, das offene Gespräch mit den Zuschauern suchen.
So lautet zumindest eine der Forderungen des Ausschusses für künstlerische Fragen im Deutschen Bühnenverein nach einer zweitägigen Tagung in Magdeburg. Vorsitzender des Ausschuss ist Holger Schultze, Intendant des Theaters und Orchesters Heidelberg. Dort hat man das Gesprächsformat "5 vor 12" entwickelt.
"Wo wir Menschen zu bestimmten Themen einladen. Bei uns bringen die Frühstück mit, es wird zusammen gegessen. Es kommen wahnsinnig viele Leute, die sich nicht kennen und das Bedürfnis haben, über Themen zu reden. Und wo haben wir in der Gesellschaft noch Orte, wo wir außerhalb unseres Kreises noch in den Dialog kommen."

Dialog öffnet Türen

Miteinander zu reden sei ein Kern der Demokratie. Auch mit denjenigen, die zu Pegida oder anderen asylkritischen Demonstrationen gehen, betont Karen Stone, Generalintendantin des Theater Magdeburg.
"Ich glaube immer noch, einfach eine Gruppe zu dämonisieren, ist für mich nicht die Lösung. Und ich finde, man muss immer versuchen, einen Dialog zu finden, die Türen zu öffnen. Und eine andere Perspektive zu zeigen."

Alle miteinbeziehen

Aber: Es gehe um keine Harmoniesuppe, sondern um das Aushalten sehr unterschiedlicher Positionen. Unterstreicht auch Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters in Berlin. Man müsse Brücken bauen und Verbindendes schaffen - für alle.
"Wichtig ist, dass wir nicht doktrinär erscheinen. Dass wir nicht die Besserwisser sind, dass wir nicht, bevor wir mit jemanden gesprochen haben, schon alles festgenagelt haben. Also, das ist eine anstrengende und ich finde lohnende Arbeit, die alle Theater leisten müssen."
Und Kunst dürfe nicht belehrend sein. Man müsse Gesicht zeigen, ohne zu verhärten, so Khuon weiter. Asylkritische Stimmen wie Uwe Tellkamp, Uwe Steimle oder Vera Lengsfeld müssten auch an- und gehört werden. Auch auf Theaterbühnen.

Im Gespräch bleiben

Man dürfe schlicht nicht müde werden in dem Versuch, miteinander im Dialog zu bleiben, ergänzt Marc Grandmontagne, der Geschäftsführende Direktor des Deutschen Bühnenvereins. Theater seien kulturelle Orte der Öffentlichkeit. Auch Institutionen wie das Bauhaus Dessau, das dieser Tage wegen der Absage eines Konzerts einer linken Band bundesweit im Fokus steht. Und dafür harsch kritisiert wird.
"Also ich glaub, aus der Nummer kommt man nicht raus, indem man sagt, wir machen hier nur einen Ort für die Kunst. Und mit den zum Teil sehr unangenehmen Auseinandersetzungen, da wollen wir uns nicht instrumentalisieren lassen. Also einfach dadurch, dass man da ist, etwas tut, nimmt man eine politische Dimension in der Öffentlichkeit wahr."

Stellung beziehen

Theater sollen und müssen gegen Rassismus und Ausgrenzung Stellung beziehen, erklärt der Deutsche Bühnenverein.
Ein Aufruf, dem der kulturpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Magdeburger Landtag Hans-Thomas Tillschneider nichts abgewinnen kann. Er sieht in den Theatern lediglich "linksliberale Vielfaltsideologien" am Werk. Es herrsche "linkes Meinungsdiktat, Merkel-Theater", wie es Tillschneider nennt. Und er fordert die Kürzung von öffentlichen Subventionen, falls Theater nur noch "zu buntes Agitprop-Repertoire auf die Bühne bringen", wie er sagt.
"Sie betreiben "Refugees welcome"-Propaganda. Und jetzt denken Sie mal, wie wäre es, wenn mal ein Theater-Macher ausscheren würde und mal was ganz Anderes machen würde."

Themenvielfalt ohne politische Zensur

Kein Problem, sagt Intendant Ulrich Khuon. Wer beispielsweise Ernst Jünger auf die Bühne bringen wolle, sei ihm willkommen. Es gehe um Vielfalt, und eben nicht um einen – von der AfD - festgelegten Kanon. "Kulturen existieren nicht unabhängig von anderen Kulturen. Alles durchdringt sich dauernd. Und insofern ist Kultur immer interessant als amalgierender Prozess. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und das ist schön."
Das missfalle der AfD, weshalb sie auch bereits den Antrag gestellt habe, dem Deutschen Theater in Berlin 500.000 Euro zu streichen, so Intendant Ulrich Khuon.
"Keine Partei hat das bisher gefordert. Die kämpfen mit harten Bandagen und sagen: Nehmt ihnen das Geld, die Kunst ist eigentlich eine Funktion der Politik. Und das ist der Tod der Kunst."
Dagegen müsse man sich als Theatermacher stellen, ergänzt Ulrich Khuon, der auch Präsident des Deutschen Bühnenvereins ist.

Theater als Korrektiv für die Gesellschaft

Letzten Endes gehe es aber nicht um die Angestellten der Theater und Orchester, vielmehr um die Zuschauer. Dass sie sich ihr Theater nicht nehmen lassen. Dazu müsse man die Foyers öffnen, eine Agora bilden: Für die Auseinandersetzung, den gesellschaftlichen Diskurs. Aber im vernünftigen Umgang miteinander.
Letztlich brauche es eine lebendige, auch streitbare Theaterlandschaft, heißt es seitens des Deutschen Bühnenvereins. Auch als gesellschaftliches Korrektiv. Die AfD dagegen verfolge das Konzept nationaler folkloristischer Kostümbühnen, wo die Schauspieler mit Mantel und Degen auftreten, die am Ende die Feinde Deutschlands heroisch besiegen.
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