Tagung "Pop the Nation"

Nationalismus als Mainstream

09:02 Minuten
Andreas Gabalier tupft sich den Schweiss ab.
Schwarz, weiß, rot: Andreas Gabalier präsentiert sich als "Volks-Rock’n’Roller". © imago images / Joachim Sielski
Marketa Spiritova im Gespräch mit Gesa Ufer · 19.02.2020
Audio herunterladen
Popkultur spielt immer mehr mit nationalen Inhalten und Symbolen. Wird aus dem Spiel aber mittlerweile Ernst? Produziert die Popkultur sogar Nationalismus? Eine Tagung in München geht dieser Frage nach.
Im Mai 2019 rockten sich Rammstein mit dem Song "Deutschland" an die Spitze der deutschen Charts: 80 Millionen Mal wurde das Video dazu bei YouTube angeklickt, bei Sportveranstaltungen rufen Millionen von Fans regelmäßig "Schland" und auch Computerspielreihen wie Battlefield setzen auf patriotische Gefühle im Kampf gegen "die Anderen". Die Popkultur nutzt das "Nationale" schon längst, aber wie und wo befördert oder produziert sie vielleicht erst Nationalismus? Diese Frage verhandelt jetzt die Konferenz "Pop the Nation" an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität.
"Wir denken, dass seit einiger Zeit die Nationalismen mit starken ethnonationalistischen Argumentationen, mit Rassismen, mit zunehmend homophoben, heteronormativen, frauenfeindlichen Argumentationen einhergehen", sagt die Kulturwissenschaftlerin und Mitorganisatorin Marketa Spiritova. "Und das bricht sich zusehends Bahn, weil die Staatspolitiken sich ändern, also die politischen Diskurse."

Popkultur produziert Nationalismen

Diese Inhalte seien nicht mehr nur Teil einer rechten Subkultur, sondern gingen auch immer mehr in den gesellschaftlichen Mainstream ein. Besonders stark gekoppelt seien Kultur und Politik in Mittel- und Osteuropa, wo die Nation stark gebunden sei an Sprache, Religion, ethnische Zugehörigkeit, Abstammung und Geschichte. Das mache sich die Musik zunutze, so Spiritova. Die Popkultur sei teilweise Produzentin dieser Nationalismen.
Im deutschsprachigen Raum ist der österreichische Volksmusiker Andreas Gabalier ein Beispiel für diesen Trend. Er wecke in seinen Texten Sehnsüchte nach einer guten alten Zeit und beschwört Heimat und Nation, und leiste so Vorschub für Nationalismen, so Spiritova. Im Jahr 2019 wurde Gabalier für sein Album "Volks Rock’n’Roller" kritisiert, auf dessen Cover er eine Hakenkreuz-Pose eingenommen haben soll. Der Sänger hat das zurückgewiesen. Er fühle sich zu Unrecht in die "rechte Ecke" gestellt, sagt die Kulturwissenschaftlerin.
"Wir gehen davon aus: Es geht nicht nur um die Texte, sondern es geht gleichermaßen darum, welche Bedeutungen die Rezipientinnen diesen Texten, diesen Performances, diesen populären Medien und Inhalten zuschreiben", sagt Spiritova. "Und wenn diese Pose gedeutet wird als ein Hakenkreuz, dann geht es auch so in die Deutungen der Leute ein und konstruiert bestimmte Eigen- und Fremdbilder."

Das Nationale wird Mainstream

Popsänger wie Gabalier würden immer erfolgreicher, weil sie einfache Identitätsangebote geben und die Welt in Gut und Böse teilten. Zwar habe es bereits in den Nuller-Jahren einen spielerischen Umgang mit dem Nationalen gegeben, aber das habe sich mittlerweile geändert.
"Wie wir heute sehen, hat dieses Spielerische Formen angenommen, die in unseren Augen besorgniserregend sind, und die nicht mehr ganz so spielerisch daherkommen, sondern sehr stark auf Ausgrenzung, auf Geschichtsrevisionismus, auf Rassismus abzielen", sagt Spiritova. "Es ist vielleicht nicht eine Wiederkehr des Nationalen, sondern eine Wiederentdeckung. Es ist sichtbarer, massentauglicher, mainstreamiger."

(leg)

"Pop the Nation! Die Nation als Ressource und Argument in Kulturen populärer Unterhaltung und Vergnügung"
Tagung in München, 19. bis 21. Februar 2020.

Mehr zum Thema