Tag der Architektur 2018

Darmstadt zeigt Eberhard Schlotter im Künstler-Keller

Nachkriegs-Fresken des Malers Eberhard Schlotter im Künstler-Keller in Darmstadt. Die Nazis hatten Schlotters Werke einst als "entartete Kunst" auf den Index gesetzt.
Nachkriegs-Fresken des Malers Eberhard Schlotter im Künstler-Keller in Darmstadt. Die Nazis hatten Schlotters Werke einst als "entartete Kunst" auf den Index gesetzt. © Deutschlandradio / Ludger Fittkau
Von Ludger Fittkau · 23.06.2018
Zum diesjährigen "Tag der Architektur" werden in einem Künstler-Keller in Darmstadt Nachkriegs-Fresken des Malers Eberhard Schlotter präsentiert. Die Nazis hatten Schlotters Werke einst als "entartete Kunst" auf den Index gesetzt.
Unmittelbar unter dem Glockenturm des weitläufigen Residenzschlosses mitten in der Darmstädter Innenstadt bin ich mit Anette Hochberg verabredet. Die Architektin der örtlichen Technischen Universität will mir den frisch sanierten Künstler-Keller des Schlosses zeigen, der an diesem Wochenende im Rahmen des bundesweiten "Tages der Architektur" für das interessierte Publikum geöffnet wird.
Anette Hochberg schließt das mächtige Holztor auf, hinter dem die Treppen zum Gewölbe liegen, in dem in früheren Jahrhunderten der Weinkeller der Darmstädter Residenz untergebracht war. Heute gehört das Schloss der Technischen Universität der Stadt, die es zurzeit grundlegend saniert. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg hatten überlebende Künstler den Schlosskeller in der weitgehend zerstörten Altstadt eigenhändig wieder hergerichtet und zu ihrem Treffpunkt gemacht:
"Es ist eine sehr alte Institution. Der Krieg hatte Darmstadt zerstört, dann haben die Künstler den Keller in Besitz genommen, haben das mit eigenen Händen aufgebaut, damit die Menschen sich wieder der Kunst zuwenden."
Der Vorhang der Kleinkunstbühne im Künster-Keller in Darmstadt.
Der Vorhang der Kleinkunstbühne im Künster-Keller in Darmstadt.© Deutschlandradio / Ludger Fittkau
Nach einer behutsamen Sanierung unter Federführung der TU-Architektin Anette Hochberg steht der Künstlerkeller mit Kleinkunstbühne und gutem Restaurant nun seit einigen Monaten wieder für Veranstaltungen zur Verfügung.

Eberhard Schlotter richtig in Szene gesetzt

Auch die Nachkriegs-Fresken von Eberhard Schlotter sind nun mit modernem Licht und Spiegelelementen wieder neu ins Szene gesetzt. Schlotter-Werke waren von den Nazis auf die Liste der "entarteten Kunst" gesetzt worden, in den Nachkriegsjahren hatte er im Darmstädter Raum mehrere große Wandmalprojekte realisiert – auch im Künstlerkeller, dessen ältesten Teile aus der Zeit der Renaissance stammen, so Anette Hochberg:
"Das ist der Weinkeller, da haben die Weinfässer links und rechts gestanden und in der Mittel war ein Gang. Jetzt ist quasi rechts und links eine schwarze Sitzbank, wo unten drunter die Heizung untergebracht ist und die Lüftung. Die Stühle sind original. Die Tische sind von Gotthelf Schlotter, dem Bildhauer. Die sind geschmiedet. Das ist alles geblieben und dieser Bühnenvorhang ist auch gestaltet, das ist alles alt geblieben."
Im Künstler-Keller Darmstadt ist ein Knochengerüst mit zwei Köpfen an die Wand montiert.
Im Künstler-Keller Darmstadt ist ein Knochengerüst mit zwei Köpfen an die Wand montiert. © Deutschlandradio / Ludger Fittkau
Doch die gelungene Sanierung des Künstler-Kellers hat den Charakter des Tunnelgewölbes entscheidend verändert. Vor allem, weil alte Heizungsrohre von der Decke verschwunden sind. Der Politikwissenschaftler Andrzej Kaluza, dessen Deutsches Polen-Institut im Darmstädter Schloss in unmittelbarer Nähe des Künstler-Kellers untergebracht ist:
"Früher habe ich das immer als so eine Art Nische empfunden. Jetzt ist es wirklich ein Saal, ein Rittersaal, könnte man sagen. So empfinde ich das."

100.000 Besucher beim Tag der Architektur

Auf dem Schlosshof sitzen nur wenige Meter vom Eingang zum Künstlerkeller entfernt Architektur- und Bauingenieurstudierende und zeichnen Details aus der Schlossfassade und einen Renaissancebrunnen. Es ist ein Freihandzeichnen-Kurs des Darmstädter Architekturprofessors Stefan Schäfer:
"Architektur ist etwas für die Augen, für die Wahrnehmung. Sie gehört ja zu den Bildenden Künsten. Deswegen nehmen wir sie primär über die Augen wahr, ein bisschen auch über das Tasten, mehr über das Angucken. Und das richtige Hingucken, das muss man lernen, das muss man üben."
Beim bundesweiten Tag der Architektur heute und morgen werden wohl wieder wohl mehr als 100.000 Menschen das richtige Hingucken lernen können – im Darmstädter Schloss und an rund 1000 anderen Orten in Deutschland.
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