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Gebühren für ausländische Studierende
"Internationalisierung kostet richtig Geld"

Studiengebühren für Studenten aus Nicht-EU-Ländern könnten eine Möglichkeit sein, den Bildungsetat zu konsolidieren, sagte die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer im DLF. Die Menschen sollten ja auch nach Deutschland kommen, weil Qualität geboten werde "und nicht, weil es billig ist".

Theresia Bauer im Gespräch mit Markus Dichmann | 10.10.2016
    Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Bündnis 90 / Die Grünen)
    Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Bündnis 90 / Die Grünen). (dpa/ picture-alliance/ Bernd Weißbrod)
    Markus Dichmann: Eine PKW-Maut für ausländische Autofahrer – die Idee kennen wir aus Bayern von den Christsozialen. Eine Campus-Maut für ausländische Studierende, die Idee kommt jetzt aus Baden-Württemberg, und zwar von den Grünen, genauer von der grünen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Den Plan mal kurz skizziert: ausländische Studierende, wohlgemerkt Nicht-EU-Bürger, sollen Studiengebühren zahlen, wenn sie nach Deutschland kommen, um eine Hochschule hier zu besuchen. Das besprechen wir jetzt mit der Wissenschaftsministerin. Ich grüße Sie, Frau Bauer!
    Theresia Bauer: Guten Tag, Herr Dichmann!
    Dichmann: Warum schulden uns Nicht-EU-Bürger mehr Geld für ein Studium als andere?
    Bauer: Na ja, zunächst mal geht es darum, Internationalisierung ist eine große Aufgabe, ist wichtig für unsere Hochschulen, soll es auch zukünftig bleiben, kostet aber auch richtig Geld, und wir wollen Internationalität auch mit hoher Qualität verbinden, deswegen reden wir darüber, wie wir dies in Zukunft auch gewährleisten können und wie mögliche Eigenbeiträge aussehen können, die wir für vertretbar halten.
    Dichmann: Welche Summe schwebt Ihnen da konkret vor? Die Zahl 1.500 Euro pro Semester steht da immer mal wieder so im Raum.
    "Jedes Ressort hat Konsolidierungsbeiträge zu erbringen"
    Bauer: Jetzt muss man dazu sagen, im Moment reden wir über Varianten und Denkmodelle, denn die Aufgabe, die sich in den Ländern, aber eben auch in Baden-Württemberg stellt, ist ja, dass jedes Ressort auf dem Weg zur Schuldenbremse Konsolidierungsbeiträge zu erbringen hat, und das ist für mich eine relevante Summe, die ich aus meinem Haus Wissenschaft und Kunst zu erbringen habe von 48 Millionen zusätzlich, und ich habe mich entschieden, dieses nicht durch Kürzungen und Einsparungen bei den Hochschulen oder auch bei Kultureinrichtungen zu erbringen, sondern verschiedene Dinge vorzuschlagen, wie wir Einnahmen steigern können. In dem Zusammenhang gibt es die Gebühr für internationale Studierende als eine Komponente.
    Dichmann: Dann ist die treibende Kraft ja also Haushaltspolitik, nicht Bildungspolitik.
    Bauer: In der Tat, der Anlass ist, dass wir Beiträge leisten müssen, um den Haushalt zu konsolidieren. Wir wollen das aber mit sinnvollen Maßnahmen machen, die Bestand haben, die auch einen Mehrwert erbringen und eben nicht unsere vorhandenen Bildungseinrichtungen in ihrer Qualität gefährden.
    Dichmann: Aber dann noch mal zurück zur Frage, warum Nicht-EU-Bürger nun mehr zahlen müssen als EU-Bürger. Erwartungsgemäß bringt so ein Vorschlag Studierendenvertreter auf die Palme. Der FZS, Frau Bauer, spricht von rassistischen Studiengebühren.
    "Das Thema internationale Studierende produziert einen besonderen Aufwand"
    Bauer: Ja, aber ich sage mal so, das ist ein bisschen arg schrill, und ich glaube, da hört man ein wenig, vielleicht gelernt aus den USA, den Willen zu beleidigen, irgendwie um Aufmerksamkeit zu erreichen. Ich glaube, wer meine Politik kennt und die Politik Baden-Württembergs kennt, weiß, dass wir damit nichts zu tun haben und dass wir ein weltoffenes Land sind und größten Wert darauf legen, auch gute Perspektiven für die Menschen aus dem Ausland zu bringen. Die Differenzierung zwischen EU und Nicht-EU liegt zunächst mal darin, dass EU-Bürger und Bildungsinländer gleich zu behandeln sind, aber das Thema internationale Studierende produziert nun mal einen besonderen Aufwand. Wir wollen, dass sie erfolgreich studieren, wir haben besonders hohe Abbrecherzahlen und Quoten für diese Gruppe und halten es deswegen für notwendig, mehr zu unternehmen, damit Weltoffenheit auch Erfolgsorientierung an unseren Hochschulen bedeutet.
    Dichmann: Nun ist aber seit Jahren davon die Rede, dass Deutschland als Studien- und Forschungsstandort attraktiver werden muss, mehr Strahlkraft gewinnen muss, und tatsächlich hat Nordrhein-Westfalen zum Beispiel jetzt gestern wieder einen neuen Rekord vermeldet. Also da gibt es so viele ausländische Studierende wie noch nie zuvor. Müssen Sie da in Baden-Württemberg nicht Angst haben, dass Sie den Anschluss verlieren?
    "Wir wollen, dass die Leute zu uns kommen, weil Qualität geboten wird"
    Bauer: Ehrlich gesagt, wenn an sich in der Welt umschaut, es gibt viele, viele Länder, in denen es hohe und relevante Studiengebühren gibt, es gibt auch viele Länder in der Welt, in denen es differenzierte Gebühren gibt für unterschiedliche … also für Incomings und für Inländer und für Ausländer. Also ich glaube, dass die Frage der Gebühren und der Attraktivität gar nicht so eng miteinander verbunden ist, und für mich gilt die Devise, wir wollen, dass die Leute zu uns kommen, weil hier Qualität geboten wird und gute Atmosphäre und nicht, weil es hier billig ist.
    Dichmann: Dann denken wir das am Ende noch mal einen Schritt weiter, denn Arbeitgeber, und Hochschulrektoren ja auch, fordern immer mal wieder, und auch immer lauter, denke ich, die Wiedereinführung von Studiengebühren, und zwar flächendeckend, also jetzt nicht nur für die ausländischen Studierenden. Wird es das mit Ihnen geben?
    Bauer: Also wir haben eine klare Verabredung im Koalitionsvertrag: Wir haben allgemeine Studiengebühren ausgeschlossen, dabei bleibt es, und ich möchte einfach noch mal daran erinnern an den Punkt: Dass die allgemeinen Studiengebühren abgeschafft wurden, hatte einen sehr konkreten Grund, nämlich, dass die Einführung damals mit einer sozusagen sozialen Schlagseite oder mit einer Kaltschnäuzigkeit verbunden war und dass man keine Regelungen getroffen hatte, wie man diejenigen mit einem schmalen Geldbeutel einlädt zu studieren, und wir haben in Deutschland ein Problem des sozialen Aufstiegs. Deswegen mit gutem Grund sind damals die allgemeinen Studiengebühren abgeschafft worden, und deswegen hat sich auch die Koalition zwischen Grünen und Schwarzen dazu entschieden, allgemeinen Studiengebühren nicht näherzutreten.
    Dichmann: Theresia Bauer, Wissenschaftsministerin in Baden-Württemberg, über den Plan, Studiengebühren für ausländische Studierende einzuführen. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Bauer!
    Bauer: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.