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Berlin
Flüchtlinge im Fadenkreuz von Betrügern

Falsche Handyverträge, Vermittlungsgebühren für Wohnungen, überhöhte Mieten: Flüchtlinge in Berlin werden zu Opfern von Betrug und Abzocke. Mit einem speziellen Projekt zur Aufklärung über Verbraucherrechte will der Berliner Senat dagegen vorgehen.

Von Frederik Rother | 14.09.2016
    Eine Gruppe Flüchtlinge sitzt am 21.10.2015 auf dem Platz zwischen den beheizbaren Zeltbauten auf dem Gelände einer Flüchtlingsunterkunft in Freiburg
    Vielen Flüchtlingen sind Widerrufs- und Kündigungsrechte in Deutschland gar nicht bekannt. (pa/dpa/Rothermel)
    4.000 Euro für die angebliche Wohnungsvermittlung, 600 Euro für die vermeintliche Handy-Flatrate. Zwei Fälle, mit denen arabischsprachige Flüchtlinge in Berlin konfrontiert wurden. Zwei Fälle, die beispielhaft für verschiedene Betrugsdelikte stehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz.
    Dima Beseiso-Kamel, Mitinitiatorin der Umfrage, erklärt, wie es zu den Betrügereien kommt:
    "Das ist das Problem, also sie unterschreiben blind. Also sie gehen in einen Laden wo die ihre Muttersprache sprechen, sie verstehen, ok, es geht um Handyvertrag unterschreiben, und das wars."
    Neben Handyrechnungen und Vermittlungsgebühren für Wohnungen die es gar nicht gibt, geht es auch um unseriöse Internet-Gewinnspiele, unnötige Versicherungen oder um hohe Gebühren für übersetzte Dokumente.
    Von den eigenen Landsleuten betrogen
    Die Umfrage ist Teil eines vom Senat finanzierten Projekts, das Flüchtlinge über ihre Rechte als Verbraucher aufklären will. Dazu hat Beseiso-Kamel mit ihrem Team knapp 350 Arabisch sprechende Flüchtlinge in Berliner Unterkünften befragt. Ein Ergebnis: Vielen Menschen ist nicht einmal bewusst, dass sie einen Vertrag abgeschlossen haben.
    Aber auch bei den Flüchtlingen, die wissentlich Verträge unterschrieben haben, gibt es Probleme. CDU-Verbraucherschutzsenator Thomas Heilmann:
    "Etwa 40 Prozent empfinden auch, dass sie betrogen worden sind. Ich glaube aber, dass es da eine Dunkelziffer gibt, dass die Leute zum Teil gar nicht verstanden haben, dass sie betrogen worden sind. Was ich bedrohlich finde, ist, dass der ganz überwiegende Teil von Menschen ihrer eigenen Community betrogen worden sind."
    Beratung auf Arabisch, Vertrag auf Deutsch
    Das Muster ist einfach: Die Beratung findet auf Arabisch statt und am Ende ist der Vertrag über die jeweilige Dienstleistung – wenn er denn vollständig ausgehändigt wird – fast immer auf Deutsch. Mangelnde Sprachkenntnisse und fehlendes juristisches Wissen vieler Flüchtlinge erleichtern den Betrug, heißt es in der Umfrage.
    Beseiso-Kamel erinnert sich an einen Mann, der fünf statt zwei Handyverträge unterschrieben hatte. Ihm wurde gesagt, er könne die nicht benötigten Verträge zurückgeben – was nicht der Wahrheit entsprach. Für sie ist klar: Die relevanten Details werden oft nicht kommuniziert.
    "Entweder fehlende Informationen, ungenaue Informationen, nicht glaubwürdige Informationen – also, das hat immer mit Informationen zu tun, sie haben viel Spielraum."
    Widerrufs- und Kündigungsrecht seien vielen Flüchtlingen gar nicht bekannt.
    Mit teils schwerwiegenden Folgen: Viele haben negative Schufa-Einträge und Schulden von mehreren tausend Euro. Das macht den Start in Deutschland nicht leichter, meint CDU-Senator Heilmann. Dagegen will er jetzt vorgehen:
    "Wir planen, dass wir weitere, in mehreren Sprachen, grundsätzliche Regeln aufstellen und ein Teil des Verbraucherschutzes ist es auch, dass ich Kontakt aufgenommen habe und mich jetzt in Gesprächen mit den Mobilfunkvertreibern befinde, weil die glaub ich gar nicht wissen, was ihre freien Vertriebsstrukturen da auch für ein Unheil anrichten."
    Bessere Hilfe zur Selbsthilfe
    Außerdem soll es leichter werden, sich auf Arabisch oder Farsi an die Strafverfolgungsbehörden zu wenden. Denn bisher unternimmt zwei Drittel der Geschädigten laut Umfrage – nichts.
    Die Kommunikation verbessern will auch Boumedien Habibes. Der Jurist ist ebenfalls Teil des Projektteams und hat standardisierte Antwortbriefe aufgesetzt, mit denen Flüchtlinge selbst tätig werden können:
    "Die nummeriere ich von A1 bis A15, dann wissen sie: A1 sind Antworten auf Inkassobriefe. Dann müssen sich da nur noch eine Unterschrift drunter machen, ihre Adresse und dann schicken sie diesen Brief."
    Hilfe zur Selbsthilfe. Das Ziel des Projekts: Die Betroffenen Menschen sollen in Zukunft anderen Flüchtlingen helfen und ihnen die Rechte, die Verbraucher in Deutschland haben, weitergeben.