Syrischer Autor Alassaf

Vom Literaturzentrum in die Turnhalle

Eine umfunktionierte Turnhalle, in der in drei Reihen Betten stehen.
Flüchtlingsunterkunft in einer Turnhalle © dpa/picture-alliance/Uni Siegen
Von Tobias Lehmkuhl · 23.03.2016
Nach seiner Flucht aus Syrien lebte der syrische Autor Assaf Alassaf in Beirut, von dort gelangte er dank eines Stipendiums nach Deutschland. Nach zwei Monaten im Literarischen Colloquium Berlin allerdings musste er nun wieder umziehen - in eine Flüchtlingsunterkunft.
Vorm Literarischen Colloquium Berlin (LCB) zwitschern die Vögel, Handwerker werkeln herum, eine sehr friedliche frühmorgendliche Atmosphäre. Die Sonne taucht die Wannseevilla in warmes Licht.
"Hello - how are you?"
Drinnen tauscht Assaf Alassaf mit einem russischen Übersetzer Handynummern aus, man selbst ist so blöd, darauf hinzuweisen, was für ein schöner Tag es doch sei. Nicht für mich, sagt Assaf. Dann verabschiedet er noch von ein paar Mitarbeitern des LCB und führt mich zu vier Plastiktüten voller Kleidung. Zwei davon darf ich tragen.
"Bye bye"
"I take just the soft thinks that I need in the camp."
"Here we go."
"Thank you Tobias for helping me."

Menschen sind überall gleich

Wir haben es nicht weit an diesem Tag, Assaf muss in eine Zehlendorfer Turnhalle ziehen, gerade einmal vier S-Bahnstationen entfernt. Er kennt sie schon. Nachdem er mit einem Stipendium der Münchner Kammerspiele nach Deutschland gekommen war, hatte er im Anschluss zwei Monate dort verbringen müssen, bevor sein Stipendium im LCB begann. Jetzt hofft er, dass er sein altes Bett wiederbekommt.
"You have a ticket?"
2014 hat er zudem ein halbes Jahr in Nouakchott verbracht, der Hauptstadt von Mauretanien. Ein Freund hatte ihm dort Arbeit verschafft. Assaf ist nämlich nicht nur Schriftsteller, sondern auch Zahnarzt.
"It is a simple country, I like the way of life there, not complicated, just work and you. In Damaskus all the time you feel, that you are busy.”
Mauretanien hat ihm gefallen, ein freundliches Land sagt er. Und schau, wohin der Krieg die Syrer verschlägt, sogar nach Somalia. Dort seien Kollegen von ihm bei einem Unfall ums Leben gekommen.
"Look what happened to the Syrians, they spread all over the world. Some of my friends go to Somalia. Two or three Syrian doctors were killed there in an accident.”
Ich frage ihn, ob die Menschen in Mauretanien andere Zahnprobleme haben als in Syrien oder dem Libanon, aber nein, nur die Art den Schmerz auszudrücken, sei dort anders, expressiver.

"Eine Scheiß-Situation"

"The human are the same trough the world. What is different actually is the way people express their pain.”
Dann kommt die S-Bahn in Zehlendorf an.
"We have to walk 10 minutes, I like to walk, there is a bus but. It is a nice area, isn’t it?"
Ja, eine schöne Gegend, Alassaf hat gleich gewusst, dass er es gut getroffen hat, andere Flüchtlingsunterkünfte sind voller und es gibt weniger Grün drum herum.
"From the first moment we came here, we figured out, we were lucky to be here.”
Schreiben lässt sich in einer Turnhalle voller Doppelstockbetten freilich schlecht. Aber inzwischen kennt Alassaf einige Leute, bei denen er auch mal ein paar ruhige Stunden verbringen kann, die ihm hin und wieder ihren Schreibtisch zur Verfügung stellen. Bei seiner Verlegerin vom Mikrotext Verlag hat er sogar zwei Wochen lang gewohnt.
"If you want to be a writer, you have to be with people, to listen to them to know their experience, especially their experience from turkey to greece to balkanroute, ja.”
Auch wenn Zehlendorf sich in vorfrühlingshaftem Grün präsentiert, sei er in den letzten Tagen verwirrt gewesen, "confused" sagt er, aber meint wohl: traurig. Es sei doch eine Scheiß-Situation: In Damaskus habe er sein eigenes Haus gehabt, jetzt schlafe er mit 60 Leuten in einer Turnhalle.
"What a fucking situation that I am here, I had my life, my house in Syria! That’s life. That’s the war, actually."

Selbstschutz gegen Heimweh

Dabei vermisse er Damaskus gar nicht, auch wenn er gerade an einer Art Autobiographie schreibe, "Erinnerungen an Syrien". Wenn er eine Stadt vermisse, dann Beirut. Vielleicht sei das Selbstschutz.
"In the last month, I was missing Beirut because I was living there for two years and I didn’t miss Damaskus. Maybe it is a mechanism. My mind avoids missing Damaskus to survive.”
In Beirut freilich gibt es noch die Frau zu vermissen, die beiden Töchter, drei und fünf Jahre alt. Aber auch darüber sollte man aus Selbstschutzgründen besser nicht allzu lange nachdenken. Außerdem haben wir inzwischen die Turnhalle erreicht
"Here we go, this is my camp.”
Fünf oder sechs Security-Männer, die man vielleicht deshalb nicht Wachpersonal nennt, weil das zu sehr an Gefängnis erinnern würde, stehen vor der Halle und entdecken sofort das kleine Aufnahmegerät in meiner Hand.
"Salam Aleikum, Hallo Hallo."
Ich muss es ausschalten, darf aber mit in die Halle, wo einige Männer Kaffee trinken, lesen oder einfach nur da sitzen. Still und friedlich wirkt es hier und angenehm warm. Wir laden die Tüten vor dem unteren Teil eines Doppelstockbetts ab, Assafs Heimat für die nächsten zwei Monate. Dann steht der nächste Umzug an, das nächste Stipendium, diesmal in Stuttgart.
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