Syrer im Libanon

Ungebetene Gäste

Im Lager von Tell Abbass im Nordlibanon leben syrische Flüchtlinge unter schwierigsten Bedingungen
Im Lager von Tell Abbass im Nordlibanon leben syrische Flüchtlinge unter schwierigsten Bedingungen. © Deutschlandradio / Anne Françoise Weber
Von Anne Françoise Weber  · 29.01.2018
Viele Syrer sind in den Libanon geflohen. Und obwohl sie hier keine Perspektive haben, wollen sie vorerst bleiben. Doch der Unmut bei den Einheimischen über die vielen Flüchtlinge wächst.
Das Flüchtlingslager von Tell Abbas im Norden des Libanon: Ein paar Männer sitzen im mit Teppichen und einem kleinen Ofen notdürftig ausgestatteten Versammlungszelt. Ibrahim, ein junger Mann, erzählt von seiner Arbeit bei einem libanesischen Bauern:
"Er hat mich immer vertröstet und mir kein Geld gegeben. Es gab keinen Vertrag. Vier Monate habe ich gearbeitet, Kartoffeln auf- und abladen."
An die Behörden konnte sich Ibrahim nicht wenden, um seinen Lohn einzufordern - wie viele andere Syrer ist er ohne gültige Papiere im Libanon. Abu Hussein, der Leiter des Lagers, kennt solche Geschichten zur Genüge. Gerade in den letzten Monaten hat sich das Klima gegenüber den Syrern im Libanon weiter verschärft:
"Viele sagen, es reicht, geht zurück, lasst uns in Ruhe. Aber wohin sollen wir zurück? Da gibt es keine Sicherheit, sondern Probleme, Angriffe. Und man kommt da gar nicht hin. Wir haben hier Familie, Kinder. Schon auf dem Weg zurück kann uns etwas passieren, wir können nicht zurück in unser Land."

Neid und Angst wachsen

Friedrich Bokern ist Vorsitzender der Hilfsorganisation Relief and Reconciliation for Syria, die die Menschen im Lager zum Beispiel mit Hausaufgabenhilfen und Weiterbildungsangeboten unterstützt. Er sagt, dass oft Neid und Angst die historisch immer schon schwierigen Beziehungen zwischen Libanesen und Syrern prägen und erzählt, wie zu einem Fastenbrechen im Ramadan im Flüchtlingslager auch die Nachbarn eingeladen waren.
"Und dann gab es zusätzliche Essensboxen für jede Familie. Dann wurden die Nachbarn ärgerlich: Warum kriegen wir keine? Und dann kam es zur großen Schlägerei und es gab noch ein bisschen Probleme danach. Also da muss man auch mal ganz selbstkritisch sagen, dass wir in diesem Fall genau das Gegenteil erreicht haben von dem, was wir eigentlich machen, nämlich die Leute zusammenzubringen."
Genau aufgrund solcher Vorfälle lehnt Nohad Mansour Vorteile für syrische Flüchtlinge ab. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der libanesischen Volkshilfe, einer der kommunistischen Partei nahestehenden Hilfsorganisation. Ein internationaler Partner habe sie gebeten, in ihrer medizinischen Anlaufstelle syrische Flüchtlinge kostenlos zu behandeln, während Libanesen dort immer einen kleinen Betrag zahlen müssen.
"Diese Anlaufstelle ist ursprünglich für die libanesischen Bedürftigen gedacht. Sollte ich jetzt von einem Bedürftigen Geld nehmen und vom anderen nicht? Das ist nicht richtig, deswegen haben wir das abgelehnt."

"In Syrien herrscht Ordnung"

Sowieso sei immer der Einzelfall zu betrachten. Insgesamt ist Mansour nicht überzeugt davon, dass die Syrer wirklich aus Sicherheitsgründen nicht zurück können:
"Das ist der Vorwand, den sie immer angeben, weil sie nicht zurückgehen wollen. Denn manche wollen lieber im Chaos leben. Dort herrscht Ordnung."
Auch ihre Freundin Caroline El Achkar ist davon überzeugt, dass die syrische Regierung grundsätzlich ihr Land im Griff hat. Gut, politische Probleme gebe es noch, aber sobald eine Generalamnestie beschlossen sei, gebe es keinen Grund mehr, die Flüchtlinge hierzubehalten – selbst wenn sie noch nicht in ihre Heimatregion zurück könnten.
"Es gibt Gegenden, die völlig zerstört sind, das verstehen wir. Aber es gibt Gegenden, da könnten sie die Lager, die sie hier aufbauen, genauso gut hinstellen. Das Klima ist dort dasselbe. Auch die UN könnten dort helfen, und die syrische Regierung hilft ja auch."
Dass viele der geflüchteten Syrer wegen ihres politischen Engagements genau gegen diese Regierung Angst vor der Rückkehr haben, will sie nicht so recht glauben. Und weil sie selbst häufiger zum Einkauf von Medikamenten nach Syrien fährt, ist sich El Achkar sicher, dass man dort gut und weitaus billiger leben kann als im Libanon.

Ausgangssprerren für Syrer

Bente Scheller, die Leiterin des Regionalbüros der Heinrich-Böll-Stiftung hat alle diese Argumente schon gehört. Sie weiß auch, dass die Stimmung schon lange angespannt ist und es in manchen Ortschaften abendliche Ausgangssperren für Syrer gibt.
"Aber ich habe den Eindruck, dass sich da seit letztem Jahr das Klima sehr verschärft hat. Einerseits gibt es viel mehr Fernsehsendungen, in denen offener Rassismus zur Schau gestellt wird, andererseits ist es natürlich auch im politischen Diskurs viel prominenter geworden. Ich glaube, da sind sich alle Parteien einig: Es muss Bewegung geben, die Syrer sollen zurückgehen. Und im Angesicht der kommenden Wahlen ist das natürlich auch hier ein populistisches Thema."
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