Symposium zum Reichsparteitagsgelände

Erhalten? Wozu?

Die Zeppelintribüne auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg
Die Zeppelintribüne auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg © dpa / picture alliance / Daniel Karmann
Von Thomas Senne · 19.10.2015
Nürnberg hat mit dem früheren Reichsparteitagsgelände der Nazis ein schwieriges Erbe übernommen. Noch immer wird diskutiert, wie man das Areal erhalten und nutzen kann, ohne die historische Dimension aus dem Blick zu verlieren. Ein Symposium in Nürnberg sollte Aufschluss geben.
Die "Rolling Stones" waren da, Billy Joel und "Santana" auch. Doch vor allem Bob Dylan setzte auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg Maßstäbe.
"1978 hat Bob Dylan eigentlich das Zeppelinfeld für die Pop- und Rock-Musik entdeckt, entwickelt, geöffnet. Er wusste genau, wo er ist. Und es war für ihn als Jude eine Genugtuung, genau da zu spielen – gegen die Hitler-Tribüne."
Kurator Alexander Schmidt hat Bob Dylan und seinen Musikerkollegen einen eigenen Bereich gewidmet. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg begannen auf dem Reichsparteitagsgelände Motorrad- und Autorennen. Heute erfreut sich das "Norisringrennen" einmal pro Jahr noch immer einer großer Beliebtheit. Bis in die 50er Jahre gab es auf dem Areal auch obskure politische Aufmärsche.
"Da sind zum einen politische Großveranstaltungen wie der Sudetendeutsche Tag, die die Hitler-Tribüne wieder als Redner-Tribüne für Politik nutzen und die Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie zurück haben wollen. Oder auch: große religiöse Veranstaltungen an diesem Ort, wo man Kreuze auf der Zeppelin-Tribüne errichtet. Das ist heute so nicht mehr denkbar."
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Blick vom Fernmeldeturm in Nürnberg auf die Kongresshalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände. © picture alliance / dpa / Daniel Karmann
In 20 Zeitschnitten nimmt die überaus gelungene Ausstellung die "Kulissen der Macht" nach 1945 näher unter die Lupe. Architektenpläne, Zeitungsartikel, Bücher und Medienstationen sind dabei in einen Riesenkubus integriert. Er besteht aus Metallstangen und weißen Textilfahnen: eine bewusste Anspielung an Baugerüste, um das Unfertige, Bruchstückhafte des Geländes zu betonen. Dort drehte Alexander Kluge 1960 seinen Film "Brutalität in Stein" zusammen mit Peter Schamoni.
Dessen "Arbeitsbuch" mit eingeklebten Fotos, Kommentaren und Angaben zu Schnitt und Musik wird ebenfalls präsentiert – in der Nähe eines gewaltigen Schwan-Tretboots vom angrenzenden Dutzendteich. So unterstreicht die Schau, wie wichtig das Areal bis heute als "Lernort" ist, aber ebenso für die Freizeit der Nürnberger eine große Rolle spielt.
Wiederherstellung der Sichtachsen oder kontrollierter Verfall?
Am Dutzendteich steht auch die ehemalige Nazi-Kongresshalle. Dort diskutierten am Wochenende internationale Experten durchaus kontrovers über Perspektiven für die vom rasanten Verfall bedrohten braunen Baurelikte. Professor Winfried Nerdinger vom NS-Dokumentationszentrum München setzte sich als Geschichtspurist dafür ein, ursprüngliche Sichtachsen auf dem Gelände wiederherzustellen und Überbauungen zu beseitigen, um die riesigen Dimensionen des Areals zu verdeutlichen. Andere plädierten für einen kontrollierten Verfall oder allenfalls einer Teil-Instandhaltung. Am weitesten aber ging Filmregisseur Michael Verhoeven mit seinem Vorschlag, im "Goldenen Saal" der Zeppelintribüne eine Synagoge einzurichten.
"Der ganze Ort hat ja etwas Pseudoreligiöses und ich hab mir gedacht, dann doch etwas wirklich Religiöses und noch dazu etwas, was die Macher dieses Geländes sich nun nicht gewünscht hätten, sondern was ihnen nachträglich noch sehr weh täte. Und vielleicht ist ja für die jüdische Gemeinde das sogar auch eine Herausforderung, sich vorzustellen, was man dort alles machen könnte."
Während Stefanie Endlich von der Berliner Universität der Künste ästhetische Interventionen junger Künstler forderte, warnte der Kunstkritiker Heinz Peter Schwerfel im Rahmen der Erinnerungskultur hingegen vor einer "Kunst der guten Absichten".
Generationen übergreifender Prozess der Auseinandersetzung
"Hitler sells" meinte die Hamburger Geschichtsprofessorin Birthe Kundrus und schlug eine bessere touristische Erschließung des Reichsparteitagsgeländes vor. Professor Neil Gregor von der University Southampton empfahl, an diesem heiklen Ort, Flüchtlingsschicksale sowie die Geschichte der Entnazifizierung, den Übergang von der Diktatur zur Demokratie, genauer zu untersuchen.
Nach zweitägigen spannenden Diskussionen versprach die Nürnberger Kulturreferentin Julia Lehner am Ende der Veranstaltung, die Ideen für ein Gesamtkonzept zu überprüfen. Die Politikerin gab aber zu bedenken, dass es sich bei dem Gelände auch künftig um ein "work in progress" handeln werde.
"Immer wieder kommen neue Erfahrungen aus der Gegenwart mit in den Blick und es ist auch wichtig, an der Stelle niemals zu denken, jetzt hätte man mehr oder weniger einen Schlussstein gefunden, sondern dieser Prozess kann sich eigentlich nur eben von Generation zu Generation fortsetzen."
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