Sybille Titeux, Amazing Améziane: "Muhammad Ali"

Vom Ghetto in den Boxring

Muhammad Ali (l) holt sich mit einem K.o.-Sieg gegen George Foreman (r) am 30.10.1974 in Kinshasa (Zaire) den Titel des Boxweltmeisters im Schwergewicht zurück.
Muhammad Ali (l) holte sich mit einem K.o.-Sieg gegen George Foreman (r) am 30.10.1974 in Kinshasa (Zaire) den Titel des Boxweltmeisters zurück. © picture alliance/dpa
Von Eva Hepper · 24.08.2016
Alles beginnt mit einem Fausthieb, der seinen Gegner zu Boden zwingt: Sybille Titeux und Amazing Améziane zeichnen mit der Comic-Biografie "Muhammad Ali" das Leben der Box-Legende nach. Ein Schwerpunkt: sein politisches Engagement.
Es ist der Moment, in dem die Faust voll einschlägt. Und es sieht aus, als wäre etwas explodiert. Dutzende weiße Splitter stieben aus dem Bild. In seiner Mitte: ein schmerzverzerrtes Gesicht und ein Boxerhandschuh, der seinen Weg durch die gegnerischen Fäuste gefunden hat. Muhammad Ali trifft mit voller Wucht. Und Joe Frazier sieht grelle Blitze. Es ist der entscheidende Schlag in dem berühmten Fight von 1975, dem "Thrilla von Manila".
Die eindrückliche Szene bildet den Auftakt der Biografie, die Sybille Titeux und Amazing Améziane dem Jahrhundertsportler Muhammad Ali widmen. Das Besondere: die beiden Franzosen illustrieren das Leben des Boxers nicht in einem Sachbuch oder Roman, sondern in einer herausragend gezeichneten und dicht erzählten Graphic Novel.

Engagement gegen Rassentrennung

Titeux und Améziane haben ihr Werk in vier Kapitel unterteilt: "Gleichheit", "Islam", "Gerechtigkeit" und "Freiheit". So wird von Beginn an deutlich, dass die Illustratoren Muhammad Ali nicht nur als Legende des Boxsports porträtieren, sondern auch den Anhänger der "Nation of Islam" und den politischen Aktivisten in den Blick nehmen. Tatsächlich hatte sich der 1942 in Kentucky als Cassius Marcellus Clay geborene Athlet Zeit seines Lebens gegen Rassentrennung engagiert und mit seiner politischen Meinung und religiösen Überzeugung nicht hinter dem Berg gehalten.
Titeux und Améziane erzählen dieses Leben chronologisch fortschreitend, sie folgen Muhammad Ali vom Ghetto in den Boxring und schließlich in die politische Arena. Sie zeigen ihn als Box-Talent und 18-jährigen Sieger bei den Olympischen Spielen in Rom, wegen der anhaltenden Unterdrückung der Schwarzen zum Aktivisten geworden an der Seite von Malcolm X, später – da war er schon Weltmeister – als Wehrdienstverweigerer und Vietnamkriegsgegner und am Ende seiner Karriere unter anderem als politischen Vermittler. Und, natürlich: immer wieder als großen Kämpfer, keiner seiner Fights wird ausgelassen.

Hinreißende Bilder

Es sind hinreißende Bilder, mit denen Sybille Titeux das Leben Alis und die Zeitgeschichte einfängt. Die Tonalität der Zeichnungen ist durchweg gedämpft. Wenige Farben und oftmals schwarze Hintergründe prägen ihre Illustrationen; verwandt einem Film Noire. Und wer hätte gedacht, dass sich Boxkämpfe so variantenreich und spannend mit dem Zeichenpinsel darstellen lassen?
Titeux wechselt virtuos zwischen Großaufnahme und Gesamtansicht, mal teilen sich viele Panels eine Seite, mal taucht nur eine Szene seitenfüllend auf.
Hervorragend sind auch die Text-Bild-Aufteilung und die Dramaturgie; verantwortet von Amazing Améziane. Hier wird – wasserdicht recherchiert – rasant erzählt, Zeitungsausschnitte werden ebenso eingestreut wie Box-Anleitungen oder Zitate von Weggefährten, Gegnern und Zeitgenossen. Mitreißend ist diese Graphic Novel, und sie schafft es wie nur wenige Biografien, die Persönlichkeit Muhammad Alis und seine einmalige Lebensgeschichte nachzuzeichnen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Sybille Titeux, Amazing Améziane: "Muhammad Ali Die Comic-Biografie"
Aus dem Französischen von Anja Kootz
120 Seiten, 24,95 Euro
Knesebeck Verlag, 2016

Mehr zum Thema