Sy Montgomery: "Das herzensgute Schwein"

Siebeneinhalb Zentner pure Zufriedenheit

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Buchcover zu Sy Montgomery: "Das herzensgute Schwein"
Einst erzählte Sy Montgomery von ihrem "Rendezvous mit einem Oktopus", jetzt bringt sie ihren Lesern ein Schwein als tierischen Gefährten näher. © Diogenes
Von Eva Hepper  · 31.03.2020
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Neben Hund und Hühnern hielt die Bestsellerautorin Sy Montgomery 14 Jahre auch ein Schwein. Es wurde zum über alles geliebten Haustier und bereicherte schließlich das Leben des gesamten Dorfes. Eine herzerwärmende Lektüre.
Iwan Pawlow hatte irgendwann aufgegeben. Der russische Wissenschaftler, der mit seinen Studien zum Speichelfluss beim Hund weltberühmt wurde, hatte auch eine Zeit lang mit Schweinen gearbeitet. Aber diese weniger gut berechenbaren und emotionalen Tiere raubten dem Verhaltensforscher den letzten Nerv. Er schlussfolgerte: "Alle Schweine sind hysterisch", und wandte sich wieder anderen tierischen Probanden zu.
Geradezu amüsiert schildert die Naturforscherin und Autorin Sy Montgomery dieses Pawlowsche Aufgeben. Für sie selbst wäre Aufstecken nie in Frage gekommen, obwohl auch sie von einem Borstentier an ihre persönlichen Grenzen geführt wurde. Vierzehn Jahre hielten sie und ihr Mann, der Schriftsteller Howard Mansfield, auf ihrer Farm in New Hampshire neben Hund und Hühnern auch ein Schwein. Wie es als kümmerliches Ferkel zu ihnen kam, zum geliebten Haustier und (nicht nur) ihr Leben prägendes Geschöpf wurde, davon erzählt die Bestsellerautorin in "Das herzensgute Schwein".

Alles über Schweinehaltung

Von Schweinen und ihrer Haltung haben Sy Montgomery und ihr Mann keine Ahnung, als sie den Hof befreundeter Schweinezüchter besuchen und unversehens mit dem kränkelnden, wenige Tage alten Christopher Hogwood im Schuhkarton – den Namen bekommt das Tier vom Fleck weg – wieder nach Hause fahren. Doch sie haben Platz, Ausdauer, Neugier und den festen Willen, das Tier durchzubringen.
Mit viel Humor, Herz und Hirn schildert Sy Montgomery chronologisch die Entwicklungsgeschichte ihres neuen Haustieres und parallel dazu die der Beziehung zwischen Mensch und Schwein.
So berichtet sie vom köstlich improvisierten Bau des ersten Verschlags, dem Anlegen eines Außengeheges mit "Schweine-Spa", den Biervorlieben Christopher Hogwoods, dem tierischem Stehvermögen und Diätversuchen sowie zahllosen Ausbrüchen in nachbarschaftliche Gärten und nicht zuletzt von dem beängstigenden Gewicht, das das zufriedene Tier bald erreicht (über sieben Zentner).

Die Geschichte einer großen Liebe

Geradezu anrührend ist darüberhinaus zu lesen, wie nicht nur das Schwein wächst, sondern auch der Kreis seiner Bewunderer. Die schmatzende Lebensfreude Christopher Hogwoods strahlt ab: auf seine Besitzerin, auf Freundinnen und Freunde, sämtliche Nachbarn und schließlich sogar auf das ganze Dorf.
Viele Menschen bringen täglich Futter, manche geleiten das ausgebüchste Tier wieder nach Hause, die Kinder lieben den "Schweinebuddha", Kranke suchen seine Nähe und nicht wenige weinen sich – wie die Autorin selbst – bei dem sanftmütigen Riesen aus.
Wie in vielen ihrer Bestseller zuvor, erweist sich Sy Montgomery wieder einmal als brillante Erzählerin. Sie formuliert geschliffen und voller Witz, verwebt Persönliches mit Allgemeinem und besticht durch große Sachkenntnis. Zudem vermag die Autorin, die Tiere immer als ihre Zuflucht beschrieben hat, im Kleinen stets das große Ganze zu sehen. Und so geht es in dieser Geschichte vor allem um Freundschaft und Beziehung und damit saumäßig bodenständig und vollkommen kitschfrei um die Liebe zum Leben. Eine herzerwärmende Lektüre!

Sy Montgomery: "Das herzensgute Schwein"
Aus dem Englischen von Melusine Stern
Diogenes, Zürich 2020
272 Seiten, 12 Euro

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