Supercomputer für die Klimaforschung

Von Dirk Asendorpf · 21.01.2010
Der Geophysiker Michael Böttinger hält seine Chipkarte vor das Lesegerät und schon schwingt die schwere Metalltür auf.
"Was Sie hier hören ist unser Hochleistungsrechner, die Blizzard, ist ein IBM-Power-6-System, also ein Hochleistungsrechner, der aus vielen Einzelrechnern besteht, insgesamt sind das 264 einzelne Rechner, die mit einem Hochleistungsnetzwerk miteinander verbunden sind. Und die zusammen haben so 8450 Prozessoren etwa und erzielen eine Rechenleistung von 158 Teraflops."

158 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde – damit gehört der nagelneue Supercomputer im Deutschen Klimarechenzentrum an der Hamburger Bundesstraße zu den 30 schnellsten Elektronenhirnen der Welt. Die Nummern eins bis drei stehen an militärischen und wissenschaftlichen Instituten in den USA, Nummer vier und Nummer 13 im Forschungszentrum Jülich zwischen Köln und Aachen.

Doch das Hamburger Klimarechenzentrum ist der einzige Supercomputer, der ausschließlich im globalen Auftrag arbeitet. Forscher aus aller Welt pilgern hier her, um ihre Modelle zur globalen Wechselwirkung von Atmosphäre, Ozeanen und Landmasse bei wachsendem CO2-Gehalt berechnen zu lassen. Eine hoch komplexe Aufgabe. Michael Böttinger und seinen Kollegen sorgen dafür, dass die wissenschaftlichen Fragestellungen in möglichst reibungslos ablaufende Computerprogramme umgesetzt und die Ergebnisse in Form übersichtlicher Tabellen und Bilder angezeigt werden.

"Wir sehen hier eine Grafik des Klimasystems. Das Ganze wird von der Sonne angetrieben. Das Klimasystem ist eine große Wärme-Kraft-Maschine. Und Atmosphäre und Ozean unterhalten sich praktisch an der Meeresoberfläche, also die tauschen dort Informationen aus, zum Beispiel treibt der Wind die Meeresströmung an oder Wärme wird aufgenommen und abgegeben. Und drittens wandert auch Wasser hin und her durch Verdunstung oder durch Niederschlag. Und diese Wechselwirkungen, die müssen eben auch mit Klimamodellen berechnet werden."

Seit der Eröffnung 1985 ist das Elektronenhirn des Klimarechenzentrums alle sechs Jahre durch ein neues, wesentlich leistungsfähigeres Modell ersetzt worden. Trotzdem dauerten die Berechnungen für den letzten, 2007 veröffentlichten Weltklimabericht ein ganzes Jahr. Und so wird es auch beim nächsten wieder sein.

"Wir haben jetzt ein Rechnersystem, das 60 mal so leistungsfähig ist wie das, das wir davor hatten. Und Wissenschaftler sind ja nicht dumm, die sind sofort auf die Idee gekommen: Okay, wir machen jetzt ne Modellauflösung, die zehn Mal soviel Rechenzeit kostet, weil man die Auflösung erhöht, und zweitens sind weitere Prozesse dazu gekommen, sodass man insgesamt eben auch praktisch mit nem Faktor 60 rechnen muss. Das heißt man wird wieder etwa ein Viertel des Rechners, vielleicht ein bisschen mehr, vielleicht ein bisschen weniger, nehmen und für mehr als ein Jahr rechnen, und dann wird man anfangen, das auszuwerten."

Rund 1,5 Megawatt saugt der Supercomputer dafür aus der Leitung, im Jahr kostet das mehr als eine Million Euro.

Ein großer Teil des Stroms wird für die Kühlung der Prozessoren verbraucht. Jeder von ihnen besteht aus mehreren Milliarden Transistoren, die so dicht wie möglich auf den Leiterplatten zusammengepackt werden, um Zeitverluste bei der Signalübertragung zu verringern. Dabei konzentriert sich nicht nur die Rechenleistung, sondern auch die Hitzeentwicklung durch die elektronischen Schaltvorgänge. Thomas Ludwig lehrt energieeffiziente Rechnerarchitektur an der Hamburger Universität und ist der neue Leiter des Klimarechenzentrums.

"Das hier ist also das Kühlsystem, wir blasen kalte Luft vom Unterboden herauf, wird vom Rechnersystem angesaugt, kommt hinten als heiße Luft wieder raus, respektive wird durch diese wassergekühlten Systeme teilweise abgeführt."

Wärmetauscher an den Außenwänden transportieren die Hitze nach draußen. Das stärkste Kühlgebläse haben zwei Schränke genau in der Mitte des Raums. Hier laufen die 25 Kilometer langen Netzwerkkabel zusammen, die alle Rechner miteinander verbinden. Diese Knoten sind besonders wichtig, wenn Klimamodelle berechnet werden. Die Forscher teilen dafür die Erdoberfläche in knapp 100 mal 100 Kilometer große Zellen auf, und lassen deren Klimaentwicklung von einem Prozessor berechnen. Tiefdruckgebiete oder Stürme bewegen sich allerdings in wenigen Stunden durch mehrere Zellen, entsprechend oft müssen dann auch die Daten von einem zum nächsten und übernächsten Prozessor weitergereicht werden.

Thomas Ludwig: "Wenn man Glück hat und man hat ne Aufgabe, die ich auf 8000 Teile aufteilen kann, und die können das alle unabhängig machen, dann müssen die fast nicht kommunizieren. Aber meistens ist es eben so: Es wird dann der Globus aufgeteilt in bestimmte Gebiete. Da müssen Absprachen getroffen werden, wenn einer sein Gebiet berechnet hat, welche Teilergebnisse herausgekommen sind und dadurch ist diese Kommunikation notwendig. Man muss natürlich erreichen, dass die Programme, die wir laufen lassen, nicht ausschließlich kommunizieren. Weil Kommunikation ist sozusagen eigentlich verlorene Zeit für uns."

Alle Zwischenergebnisse, die dabei anfallen, werden nur vorübergehend auf Festplatten gespeichert und schnell wieder gelöscht, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Völlig absturzsicher ist das Hamburger System deshalb nicht. Nur die Endergebnisse der Klimarechnungen landen auf insgesamt 60.000 Magnetbandkassetten. Roboter holen sie bei Bedarf aus dem Regal und schieben sie in ein Laufwerk. Sven Löschenkohl vom Hersteller IBM:

"Das Archiv gehört zu den zehn weltbesten Archiven der wissenschaftlichen Welt. Wenn Sie die Kapazität des Archivs ausdrucken würden auf DIN-A-4-Seiten und Sie würden die Seiten aufeinander legen, dann hätten Sie die 13-fache Entfernung von der Erde bis zum Mond."

Das klingt überwältigend. Doch schon in fünf bis sechs Jahren wird auch dieser Supercomputer wieder zum alten Eisen gehören. So wie sein jetzt ausrangiertes Vorgängersystem.

Michael Böttinger: "Das wurde verschrottet. Das ist wie mit einem PC, der jetzt sieben, acht Jahre alt ist, da kann man mit modernen Betriebssystemen auch nichts mehr werden."