Sundance-Festival 2016

Film über Sklaverei begeistert Publikum

Afrikanische Sklaven werden im 19. Jahrhundert auf einem Schiff nach Amerika transportiert und verkauft.
Afrikanische Sklaven auf einem Schiff (undatierte Aufnahme) © dpa / picture alliance
Von Max Böhnel · 30.01.2016
Die Geschichte des afroamerikanischen Predigers Nat Turner, der 1831 einen blutigen Sklavenaufstand in den USA anführte, begeisterte Publikum und Verleiher dem Sundance-Festival. Doch "Birth of a Nation" war längst nicht der einzige Film auf, der stark beeindruckte.
Unabhängig von der Festivaljury, die morgen die Preise bekanntgeben wird, stand Anfang dieser Woche ein Sieger bereits fest: der Spielfilm "Birth of a Nation" des Erstlingsregisseurs Nate Parker. Er erhielt am Premiere-Abend minutenlang frenetischen Applaus. In den Stunden danach feilschten die ganz großen Verleiher, von Hollywood bis zu Netflix, um die Rechte an dem Film. In den frühen Morgenstunden ging "Birth of a Nation" dann endgültig in die Sundance-Geschichte ein, mit einem "biggest deal of all time". Fox Searchlight zahlt für den Film die Rekordsumme von siebzehneinhalb Millionen Dollar.
"Birth of a Nation" handelt von dem afroamerikanischen Prediger Nat Turner, der im Jahr 1831 - drei Jahrzehnte vor der Abschaffung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten - einen kurzen und blutigen Sklavenaufstand anführte. Die Schlagzeilen um den Film befeuern die Debatte um die scharf kritisierte Oscar-Filmakademie, die dieses Jahr keinen einzigen schwarzen Schauspieler und keine schwarze Schauspielerin nominierte. Der Filmkritiker Justin Chang von der Zeitschrift Variety ordnet den Film so ein:
Probleme wie im Spiegelglas konzentriert
"Er trifft genau ins Schwarze. Denn er konzentriert Probleme wie in einem Spiegelglas: den Mangel an ethnischer Vielfalt in den oberen Etagen der Filmindustrie, wie wir das bei der Kontroverse um die von Weißen dominierten Oscars gerade erleben. Aber auch der Filmname 'The Birth of a Nation' nimmt direkt Bezug auf ein gleichnamiges Rassistenwerk von 1915, das den Ku Klux Kla verherrlichte. Der neue 'The Birth of Nation' korrigiert das. Es ist die Geschichte der Sklaverei aus der Perspektive von Afroamerikanern, die darunter litten."
Kinopublikum und Sundance-Filmkritiker waren auch von anderen neuen Independent-Spielfilmen stark beeindruckt, etwa von der Tragödie "Manchester by the Sea". Casey Affleck spielt darin einen vereinsamten Hausmeister, der die Obhut über seinen Teenage-Neffen übernimmt, dann aber immer weiter in die düstere Familienvergangenheit verstrickt wird. Auch die Komödie "Swiss Army Man" erregte viel Aufmerksamkeit, nicht nur, weil der berühmte "Harry Potter"-Darsteller Daniel Radcliffe eine wichtige Nebenrolle spielt, sondern auch wegen der bizarren Handlung. Hank, dargestellt von Paul Dano, ist auf einer einsamen Insel gestrandet. Er entdeckt eine angespülte Leiche, von Radcliffe gespielt – und mit ihrer Hilfe entkommt er. Die Leiche, die Faul- und Verdauungsgase ausströmt, ist nicht ganz tot, und Hank freundet sich mit ihr an. Zum Blockbuster in den amerikanischen Vorstadtkinos wird der Film trotz seiner Originalität nicht werden. Viele Besucher verließen ihn noch während der Premiere. Gemischte Reaktionen rief auch die deutsch-amerikanische Koproduktion "Morris from Amerika" von Chad Hartigan hervor, der Buch und Regie führte.
Filmische Bestandsaufnahme des Internets
Der 13-jährige Afroamerikaner Morris versucht, sich in der deutschen Teenagerwelt zurechtzufinden. Zu viele thematische Überlagerungen und eine unklare Zielrichtung, monierten Filmkritiker. Gleich drei Beiträge befassten sich mit der Gewaltepidemie und er Waffenlobby in den USA. Dabei stach der Dokumentarfilm "Newtown" hervor. In dem Städtchen hatte ein Waffenfanatiker vor drei Jahren 20 Schulkinder und sechs Lehrer massakriert. Der Film lässt Angehörige von Opfern zu Wort kommen, wühlt auf und mahnt aufdringlich zu Reformen an.
Deutsche Sundance-Beiträge waren ein Dokumentarfilm von Thorsten Schütte über den 1993 verstorbenen Musiker und Komponisten Frank Zappa. Der in Los Angeles lebende, legendäre Regisseur Werner Herzog stellte "Lo and Behold" vor, eine Bestandsaufnahme des Internets, seiner Auswirkungen und seiner Zukunft in elf Kapiteln. Zum ersten Mal beim Sundance-Filmfestival vertreten war die Berliner Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin Nicolette Krebitz. In ihrem von gut 150 Presse- und Filmindustrievertretern besuchten Spielfilm "Wild" nimmt eine junge Frau aus Halle einen leibhaftigen Wolf zu sich nachhause in die Wohnung, lässt alle Konventionen hinter sich und geht nur noch ihren Instinkten nach.
Krebitz: "Diese ganze Thematik, in den Augen eines Tiers seinem eigenen Tier gegenüberzustehen, fand ich interessant. Es ist eine stille, auch bisschen schüchterne Frau in einer kalten Stadt, die eigentlich in Halle damit beschäftigt ist, die Wünsche von anderen Menschen zu erfüllen beruflich und in so einem Büro zu arbeiten, zu dem sie nicht wirklich eine Verbindung hat. So kam es zu dem Charakter."