Südstaaten-Flagge

"Im Winde klirren die Fahnen"

Die Südstaaten-Flagge weht vor blauem Himmel; im Hintergrund sieht man die Kuppel eines Gebäudes.
Die Südstaaten-Flagge am Regierungs- und Parlamentssitz in Columbia/South Carolina. © AFP / MLADEN ANTONOV
Von Wolfgang Hagen · 28.06.2015
Dylan Roof, der in Charleston neun Afroamerikaner erschoss, posiert auf einer rassistischen Webseite der Fahne der Südstaaten - seither soll diese Fahne verschwinden: Der philosophische Wochenkommentar von Wolfgang Hagen zur Diskussion über die Südstaatenflagge in den USA.
"Zur postdemokratischen Einschläferung der Öffentlichkeit trägt auch der Gestaltwandel der Presse zu einem betreuenden Journalismus bei, der sich" nur noch "[...] um das Wohlbefinden von Kunden kümmert." Das schrieb am Dienstag der Philosoph Jürgen Habermas in der Süddeutschen Zeitung. Was die mangelnde Tiefenschärfe im Fall Griechenland betrifft, hat Habermas wohl recht, widersprechen müsste man ihm dagegen, wo er sagt, die Presse schläfere nur noch ein. Da ist vermutlich eher das Gegenteil richtig, wie wir es an den entfesselten Skandalisierungen sehen können, vom Schavan-Plag bis zur Pädophilen-Debatte, Shitstorms nahezu jeden Tag, von Steinbrücks Rednerhonoraren bis zu Edatis Kinderpornofotografien. Karl Otto Hondrich hat das Empörungsjournalismus genannt.
Die Mauern stehen, sprachlos und kalt
Philosophisch allerdings wäre ratsam, hier nicht vorschnell von der Form auf die Sache zu schließen. Die nervösen Skandalisierungen in den neuen medialen Öffentlichkeiten bringen nämlich durchaus auch wichtige Dinge hervor. Nehmen wir nur die aufrüttelnden Diskussionen dieser Woche um die US-amerikanische Konföderierten-Fahne: blaues Alexanderkreuz auf rotem Grund mit dreizehn Sternen für die dreizehn abtrünnigen Südstaaten im Bürgerkrieg der 1860er Jahre. Noch hängt sie vor dem Capitol in South Carolina und noch ist sie Teil der StaatsFlagge Mississippis.
Seit aber im Netz kursiert, wie Dylan Roof, der in Charleston neun Afroamerikaner erschoss, auf einer rassistischen Webseite mit eben dieser Fahne posiert, so wie es jahrelang rechtsradikale Fanatiker im Süden Amerikas vor ihm taten, - seither soll nun diese Fahne verschwinden. Seit 1861 gibt es dieses Kriegswahrzeichen, vor dem, wie es bei Hölderlin heisst, "die Mauern stehen, sprachlos und kalt". Und: "im Winde klirren die Fahnen", ja! Nämlich unter General Lee, als Standarte der Army von North Virginia, mit deren Niederlage in Gettysburg 1863 der Niedergang des Südens begann und deren Kapitulation 1865 das Ende des Bürgerkriegs besiegelte. Ein Bürgerkrieg mit 750 Tausend Toten, um die Abschaffung der Sklaverei und das Bürgerrecht der Afroamerikaner. Kein Krieg, in den die USA seither verwickelt waren, hat diesem Land jemals mehr Tote gekostet als dieser. Und auch nach anderthalb Jahrhunderten bleibt das Land unversöhnt.
Es sind Amerikaner, die Amerikaner töten
Wenigstens diese todesklirrende Fahne soll nun weg. Präsident Obama, Kandidatin Clinton, Kandidat Bush und selbst Nikki Haley, Governeurin von South Carolina, wollen sie ins Museum verbannen. Ein seltene Einhelligkeit, einvernehmlichste Eintracht, aber nur im Symbolischen. Nun sollen sogar aus dem Capitol in Washington jene Statuen verschwinden, die dort für die Südstaaten und ihre Geschichte stehen, wie die Skulptur des Jefferson Davies, Präsident der besiegten Südstaaten, ein glühender Verfechter des Sklavensystems, dem erst 1978 wieder die amerikanische Staatsbürgerschaft zuerkannt wurde, posthum.
Symbolische Politik, noch einmal. Ihre Wirkung ist nicht einschläfernd, aber verdeckend. Dylan Roof konnte schiessen, nicht wegen der Fahne, sondern weil die USA ihr inneres Gewaltmonopol nicht im Griff hat und jede und jeder überall halbautomatische Waffen kaufen kann.
Die Charleston-Morde zeigen überdies, dass die Mehrzahl der Gewalttaten in den USA nicht dschihadistischen oder muslimischen Tätern geschuldet ist, sondern aus dem eigenen Land kommt, von rechten oder rassistischen Tätern. Es sind Amerikaner, die hier Amerikaner töten. Jetzt das Konföderationsemblem von allen Autonummernschildern zu verbannen, wird daran nichts ändern. Die confedarate flag selbst wird dann eben nur noch die Bühne der legendären Südstaaten-Rock Band Lynyrd Skynyrd zieren. Da hängt sie nämlich, in jedem Konzert, seit 40 Jahren hinter dem Schlagzeug.
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