Freitag, 29. März 2024

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Umstrukturierung der Sicherheitsbehörden
"Eine Zuständigkeitsverlagerung muss gut überlegt werden"

Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hat die Vorschläge von Bundesinnenminister Thomas de Maizière zur inneren Sicherheit verteidigt. Sie deckten sich im Wesentlichen mit den Vorstellungen der CSU, sagte Hasselfeldt im DLF. Eine Kompetenzverlagerung zwischen Bund und Ländern habe jedoch nicht oberste Priorität.

Gerda Hasselfeldt im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 04.01.2017
    Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag
    Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag (Deutschlandradio / Nils Heider)
    Der Bundesinnenminister sei in vielen Punkten noch konkreter geworden als ihre Partei - etwa bei der Verlängerung der Abschiebehaft, dem Umgang mit Gefährdern oder der Rückführung, sagte Hasselfeldt im DLF. Auch die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern müsse verbessert werden, allerdings sei zum jetzigen Zeitpunkt keine Zeit dafür, über eine Umstrukturierung nachzudenken. Es gehe vielmehr darum, gleiche Rechtsgrundlagen zu schaffen, damit die Verfassungsschutzämter auf der gleichen Basis arbeiten könnten.
    Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag sagte, die Probleme lägen nicht im Wesentlichen zwischen Bund und Ländern. Das eigentliche Problem sei, dass SPD und Grüne wesentliche Gesetzesvorhaben wie den Ausreisegewahrsam oder die Speicherung von Verkehrsdaten blockierten. "Da ist es an der Zeit zu entscheiden", forderte Hasselfeldt.
    Hasselfeldt bekräftigt Forderung nach Obergrenze für Flüchtlinge
    Die CSU-Politikerin verteidigte zudem die erneute Forderung von Parteichef Horst Seehofer nach einer Obergrenze für Flüchtlinge. "Wir werden die Aufgaben der Humanität und der Integration der Flüchtlinge mit Bleiberecht nicht lösen können, wenn wir die Flüchtlingszahlen nicht dauerhaft begrenzen." Es sei zwar schon viel erreicht worden, etwa das Abkommen zwischen der EU und der Türkei, aber für eine Entwarnung sei es zu früh. "Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, was sich in Afrika und in anderen Teilen der Welt tut."
    Hasselfeldt wehrte sich gegen Vorwürfe, dass die CSU mit ihren Forderungen die AfD stärke. Ein humaner Umgang mit Flüchtlingen sei wichtig, aber dabei dürften die Menschen, die hier lebten, nicht überfordert werden.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Wildbad Kreuth – über vier Jahrzehnte stand dieser Ort als Synonym für das vielleicht wichtigste und medienwirksamste Treffen der Christsozialen in Bayern. Doch damit ist jetzt Schluss. Erstmals trifft man sich in Kloster Seon. Der Pachtvertrag mit der Besitzerin wurde nicht verlängert. Nicht verlängern will auch Gerda Hasselfeldt, ihren Job nämlich als Vorsitzende der CSU-Gruppe gibt sie mit dieser Legislaturperiode ab. Bei dieser Winterklausur ist sie aber noch sozusagen die Chefin im Ring. Schönen guten Morgen, Frau Hasselfeldt!
    Gerda Hasselfeldt: Guten Morgen, Herr Heckmann!
    Heckmann: Frau Hasselfeldt, die CSU präsentiert sich ja immer gern als Garant für Ordnung und Sicherheit. Jetzt hat die CDU aber zahlreiche Vorschläge zur Stärkung der inneren Sicherheit gemacht, erst gestern Innenminister Thomas de Maizière mit seinen Vorschlägen zur Sicherheitsarchitektur. Hat er Ihnen damit so ein bisschen die Show gestohlen?
    Hasselfeldt: Für uns war das Thema innere Sicherheit immer schon, nicht erst seit den Anschlägen von Berlin ein ganz zentrales, und deshalb haben wir auch in der Auswahl und der Einladung unserer Gesprächspartner da einen Schwerpunkt gelegt. Die Vorschläge, die nun Thomas de Maizière gestern gemacht hat, decken sich im inhaltlichen Bereich im Wesentlichen auch mit unseren Vorschlägen. Wir sind in vielen Bereichen noch konkreter geworden, also beispielsweise bei der Verlängerung der Abschiebehaft und bei dem – einem zusätzlichen Haftgrund für Abschiebehaft von Gefährdern beim Ausreisegewahrsam, bei der Rückführung, also in vielen Bereichen sind wir da auf der gleichen Linie. Da, wo es noch Gesprächsbedarf geben wird, auch zwischen dem Bund und den Ländern, das ist die Frage der Kompetenzverlagerung. Aber auch hier hat er auf Defizite hingewiesen, nämlich auf die fehlenden gleichen Rechtsgrundlagen beispielsweise beim Verfassungsschutz, oder auch auf Defizite beim Datenaustausch und der Kooperation, der Zusammenarbeit zwischen den Ländern und zwischen Bund und Ländern. Das sind Dinge, über die man reden muss und die man auch verbessern muss.
    Jetzt keine Zeit für Zuständigkeitsverlagerung
    Heckmann: Thomas de Maizière will ja, dass der Bund mehr Kompetenzen erhält in dem Bereich. Er will die Landesämter für Verfassungsschutz auflösen, dem Bund unterstellen quasi. Eigentlich müsste das doch in Ihrem Sinne sein, im Sinne eines starken Staates, oder?
    Hasselfeldt: Uns ist wichtig, dass die Regelungen, die wir jetzt im Zuge der Analyse der Vorkommnisse der letzten Monate und Wochen erkannt haben, dass diese Regelungslücken geschlossen werden. Eine Zuständigkeitsverlagerung muss gut überlegt werden, dauert übrigens auch wesentlich länger. Und jetzt sind konkrete Antworten auf die fehlenden Rechtsgrundlagen, gemeinsamen Rechtsgrundlagen aber notwendig. Ich glaube, dass bei der Zuständigkeitsverlagerung jetzt nicht die Zeit ist, darüber nachzudenken.
    Heckmann: Muss gut überlegt werden – Ihr Parteikollege, der bayerische Innenminister Joachim Hermann, der sagt, die Debatte, die lenkt von dem eigentlichen Problem überhaupt ab. Das heißt, der wählt da noch etwas schärfere Worte als Sie.
    Zeit zu entscheiden
    Hasselfeldt: Die Probleme liegen ja nicht zwischen Bund und Ländern im Wesentlichen, sondern die Probleme liegen darin, dass in den letzten Monaten schon die SPD und die Grünen bei wesentlichen Gesetzesvorhaben immer wieder blockiert haben, beispielsweise in der Flüchtlingspolitik bei der Einrichtung von Transitzonen oder eben bei der Abschiebehaft, beim Ausreisegewahrsam, bei der Strafbarkeit für Sympathiewerbung oder auch bei der besseren praxistauglichen Gestaltung der Verkehrsdatenspeicherung, da liegen die Probleme, und da müssen wir ansetzen, da ist auch wirklich jetzt Zeit, nicht mehr groß zu diskutieren, sondern zu entscheiden.
    Heckmann: Das heißt, ich verstehe Sie richtig, was die Strukturen der Verfassungsschutzämter angeht, da wird Thomas de Maizière mehr oder weniger vor die Wand laufen?
    Hasselfeldt: Ich glaube, dass wir dazu jetzt nicht – dass das jetzt nicht die oberste Priorität hat, sondern dass wir an die Rechtsgrundlagen heranmüssen. Und das, was Thomas de Maizière zu Recht angesprochen hat, nämlich eine bessere Kooperation, einen besseren Datenaustausch zu erreichen zwischen den Ländern und zwischen den Behörden, Bund und Ländern, und auch für gleiche Rechtsgrundlagen zu sorgen, sodass dann die Verfassungsschutzämter aller Länder und auch des Bundes eben auf der gleichen Basis arbeiten können und nicht unterschiedliche Rechtsgrundlagen haben.
    Bedeutung der Begrenzung der Flüchtlingszahlen
    Heckmann: Das Thema wird ja sicherlich bei Ihnen eine starke Rolle auch spielen, Frau Hasselfeldt. Eigentlich hatten sich ja CDU und CSU vorgenommen, sich wieder näher zu kommen jetzt im neuen Jahr, denn der Dauerstreit, der nutzt ja keiner Seite von Ihnen. Ausgerechnet aber in dieser Phase wärmt Horst Seehofer den Streit wieder auf mit der ultimativen Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge. Dabei weiß doch jeder, dass es die nicht geben kann, allein schon wegen des Grundgesetzes.
    Hasselfeldt: Horst Seehofer hat meines Erachtens zu Recht auf die große Bedeutung der Begrenzung der Flüchtlingszahlen noch einmal hingewiesen. Wir werden die Aufgaben der Humanität, die Aufgaben der Integration der Flüchtlinge, die ein Bleiberecht haben, oder auch die Sicherheitsaufgaben nicht lösen können, wenn wir die Flüchtlingszahlen nicht begrenzen, und zwar nicht nur kurzfristig, sondern eben auch dauerhaft begrenzen. Das ist eine Aufgabe, der wir uns gemeinsam zu stellen haben. Wir haben auf diesem Weg schon einiges erreicht, beispielsweise mit dem Türkei-Abkommen, mit dem Schließen der Balkanroute und mit einer ganzen Reihe von nationalen Maßnahmen, die wir im vergangenen Jahr durchgesetzt haben.
    Heckmann: Und das sagt ja auch Volker Kauder.
    Hasselfeldt: Ja, ja. Aber für Entwarnung ist es noch zu früh.
    Heckmann: Aber das sagt ja auch Volker Kauder. Er versteht die ganze Debatte überhaupt nicht, denn es sei ja gelungen, die Zahl der Flüchtlinge erheblich zu reduzieren. Ist das also alles reiner Theaterdonner, der der Angst vor der AfD geschuldet ist?
    Hasselfeldt: Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, was sich in Afrika tut, was sich noch in anderen Teilen der Welt tut. Es ist noch keine dauerhafte Entwarnung gegeben. Und wir müssen auch verstärkt darauf achten, dass das eben nicht nur eine deutsche Angelegenheit ist, sondern eine europäische Angelegenheit. Auch die europäische Solidarität, die europäische gemeinsame Bekämpfung von Fluchtursachen beispielsweise ist eine Aufgabe, der wir uns gemeinsam zu stellen haben. Und da haben wir noch ein Stück weit Arbeit vor uns. Wir wissen auch, dass das nicht mit einem Schalter geht. Aber wir müssen uns gemeinsam dafür anstrengen.
    "Mir geht es nicht darum, nach rechts zu schauen"
    Heckmann: Die Angst vor der AfD scheint aber bei der Union groß zu sein. Haben aber die Erfahrungen in den anderen Ländern, anderen europäischen Ländern nicht gezeigt, auch wenn man den Kurs nach rechts ändert, wählen die Leute lieber das Original, nämlich dann die AfD? Und machen Sie mit Ihrer Politik die AfD nicht erst groß?
    Hasselfeldt: Mir geht es nicht darum, nach rechts zu schauen oder nach links oder so. Diese Koordinatenpolitik ist nicht der Gradmesser für meine Arbeit in der Politik, sondern ich will es daran messen, wo sind die Sorgen der Menschen, was ist unsere Aufgabe? Und unsere Aufgabe ist, für Recht und Ordnung und Sicherheit zu sorgen und auch der Humanität Rechnung zu tragen. Und zur Humanität gehört ein humaner Umgang mit Flüchtlingen, aber auch die bei uns lebenden Menschen nicht zu überfordern und für Sicherheit zu sorgen, für eine saubere Registrierung der Flüchtlinge zu sorgen, für die Integration der Flüchtlinge zu sorgen, und da haben wir gerade in Bayern im letzten und vorletzten Jahr gemerkt, dass es ohne eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen nicht möglich ist.
    Heckmann: Und dass Sie da einen anderen Akzent setzen und einen anderen Ton auch anschlagen als die Politik der Bundeskanzlerin, das betonen Sie selbst ja immer wieder, oft genug. Aber noch mal meine Frage, machen Sie damit die AfD nicht erst recht groß?
    Hasselfeldt: Mit Sicherheit nicht. Wissen Sie, in Bayern war die Situation der Menschen vielleicht noch eine etwas andere als in den übrigen Teilen Deutschlands, weil wir und die Menschen hier in Bayern im Herbst 2015 ein Stück weit intensiver noch und unmittelbarer gespürt haben, was es bedeutet, so viele Menschen auf einmal aufnehmen zu müssen. Da geht es ja auch um eine sichere Registrierung der Menschen, eine humane Versorgung der Menschen. Die Dienste, die sozialen Einrichtungen, die Kommunen, die hauptamtlichen und ehrenamtlichen Menschen, die hier gearbeitet haben, sind an ihre Belastungsgrenze gestoßen, und das kann man nicht einfach auf die Seite schieben. Das ist eine objektiv vorhandene Aufgabe, der wir uns zu stellen haben. Darum geht es, und so verstehe ich auch Politik, dass die Aufgaben, die da sind, gelöst werden müssen.
    Heckmann: Frau Hasselfeldt, Anfang Februar wollen sich CDU und CSU, die Präsidien der beiden Parteien, jetzt zum ersten Mal wieder so richtig zusammensetzen. Horst Seehofer hat dieses Treffen aber infrage gestellt dieser Tage und hat gesagt, dieses Treffen mache nur Sinn, wenn man sich in den Grundzügen der Sicherheits- und Flüchtlingspolitik einig sei. Ist das eigentlich ernst zu nehmen, diese Drohung, oder ist das eine der vielen leeren Drohungen Horst Seehofers?
    Hasselfeldt: Er hat darauf hingewiesen, dass wir da noch Gesprächsbedarf haben, und das ist ja auch von allen, die aktiv in diesen Themen mit zu diskutieren und zu entscheiden haben, nicht zu übersehen. Diesen Gesprächsbedarf werden wir in den nächsten Wochen noch intensivieren. Noch steht dieser Termin im Februar. Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass wir ihn halten können und dass wir dann gemeinsam in dieses schwierige Wahljahr gehen, das ja, wenn wir nicht nur in Deutschland, sondern auch rings um uns herum uns umsehen, in einer wirklich schwierigen Situation sich abspielen wird.
    Heckmann: Wovon hängt es denn dann ab, ob dieses Treffen jetzt Anfang Februar stattfindet? Muss die CDU da einlenken auf Ihren Kurs und sich bereiterklären, eine Obergrenze festzulegen?
    Hasselfeldt: Nun lassen Sie uns die Gespräche führen. Ich will da nicht die Ergebnisse vorwegnehmen oder eine Bedingung stellen, sondern wir führen die Gespräche in einem guten Einvernehmen, in gegenseitigem Vertrauen und immer im Bewusstsein, dass wir für die Menschen im Land arbeiten.
    Heckmann: Das heißt, das Treffen wird auch ohne Obergrenze stattfinden.
    Hasselfeldt: Das wird sicher ein wichtiger Punkt sein, natürlich. Deshalb haben wir ja diesen Gesprächsbedarf noch, wenn es um die Begrenzung, um die möglichen Maßnahmen zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen geht.
    "Ich bin da mit mir völlig im Reihen"
    Heckmann: Frau Hasselfeldt, Sie geben Ihr Amt als Landesgruppenchefin ja in diesem Jahr ab. Liegt das eigentlich auch an mangelnder Unterstützung durch Horst Seehofer? Der hat ja mehrfach gesagt, die CSU bräuchte wieder eine starke Stimme in Berlin, und das hörte sich für den einen oder anderen ein bisschen so an, als seien Sie gemeint.
    Hasselfeldt: Ach, manchmal wird da etwas hineininterpretiert, was so nicht der Fall ist. Meine Entscheidung, nicht mehr zu kandidieren, habe ich persönlich zu Beginn der Wahlperiode getroffen, und das wussten auch einige. Ich habe dafür auch die Weichen bei mir im Wahlkreis gestellt und bin da mit mir völlig im Reinen. Ich werde bis zum letzten Tag meiner Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag aktiv arbeiten und dafür mich einsetzen, dass wir auch in der nächsten Legislaturperiode eine starke CDU- und CSU-Fraktion haben. So verstehe ich meine politische Arbeit, und alles andere, was so hineininterpretiert wird, ist völlig daneben.
    Heckmann: Gut, die Botschaft ist angekommen. Die CSU-Landesgruppe trifft sich erstmals in diesem Jahr in Kloster Seon. Wir haben gesprochen mit der Chefin der CSU-Landesgruppe, mit Gerda Hasselfeldt. Frau Hasselfeldt, Danke Ihnen für Ihre Zeit und für dieses Gespräch!
    Hasselfeldt: Gern. Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.