Suche nach einer höheren Ordnung

11.01.2007
Der Erkenntnisfortschritt in der modernen Kosmologie hat das Staunen über "das Wunder des Universums" nicht geringer werden lassen. Im Gegenteil: Einsichten in die bizarre Unwahrscheinlichkeit des gesamten uns bekannten Kosmos und seiner Entwicklung haben die Fragen nach dem Zusammenhang des Ganzen verstärkt. Das Buch lotet spannend die Grenzen naturwissenschaftlicher Weltbeschreibung aus und diskutiert dabei religiöse Weltsichten.
Gerhard Börner ist einer der Senior-Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching nördlich von München. Dort kümmert er sich vor allem um das frühe Universum und die Entstehung der Galaxien. Dies muss man vorausschicken, um das bemerkenswerte Buch richtig einzuschätzen. Börner hat da nämlich etwas niedergeschrieben, was der wissenschaftliche Knigge dem Astrophysiker verbietet. Er stellt unerlaubte Fragen und kommt dabei prompt zu ungewohnten Antworten. Zu Antworten, die einen auf bestimmte Weise mit dem Kosmos versöhnen.

Der Mensch in seinem Kosmos ist eine Provokation. Das Weltall ist alles andere als empfänglich für etwas wie Leben. Doch sind die Naturkonstanten gerade so fein ausjustiert, dass Platz für Leben ist. Aber nur in unbedeutenden Nischen und als absolute Ausnahme.

Außerdem: was für eine abenteuerliche Geschichte hat dieser Kosmos! Entstanden aus einem ultraheißen Gas, zusammengepresst in einem winzigen Punkt explodiert es, keiner weiß warum, in ein Nichts hinein, denn vor dem Urknall gab es weder Zeit noch Raum. Was war davor? Diese Frage ist verboten, denn wo keine Zeit war, gab es kein Davor.

Und wie alles enden wird, ist geradezu deprimierend. Alles, Mensch, Planeten, Sterne, Galaxien wird von riesigen Schwarzen Löchern verschlungen, und die zerfallen danach in Jahrmilliarden zu immer länger welliger Strahlung. Wahrhaft kein Ende des Kosmos, auf das man sich spontan freuen könnte.

Börner schildert dies alles im Hauptteil seines Buches. Eine komplizierte Materie, aber der Laie kann dem Astrophysikprofessor leicht folgen, denn der führt eine leichte, aber nicht leichtfertige Feder. Immer wieder erinnert er an die schon gewonnenen wichtigen Aussagen, sodass man getrost auch die Seiten mit den mathematischen Formeln überschlagen kann, ohne Wesentliches zu versäumen.

Gegen Ende des Buches kommt es dann. Wir Menschen, auch die Wissenschaftler, sagt Börner, sind Kinder des Kosmos, und können nur in seinen Kategorien von Raum und Zeit denken. Raum und Zeit verändern sich aber offensichtlich, sie entstehen im Urknall und vergehen in Schwarzen Löchern. Dies aber verstehen die Forscher noch nicht. Also, und nun wörtlich: "Eine fundamentale Theorie muss wohl von Vorstellungen ausgehen, die über Raum und Zeit hinausreichen. Wir müssen also auch ins Auge fassen, dass es etwas geben könnte, das nicht in Raum und Zeit existiert, etwas, das unserer Erfahrung unzugänglich ist."

Es könnte also etwas wie eine höhere Ordnung existieren, die der Mensch, in seiner Beschränkung als Kind des Kosmos nicht denken kann. Und da bringt Börner den Glauben ins Spiel. Nicht im Sinne eines billigen Kreationismus, sondern als quasi spielerisches Denkangebot. Hat Gott den Urknall gezündet und den sich rasend auseinander treibenden Kosmos mit den Naturgesetzen und –konstanten in eine Ordnung gelenkt?

Das ist eine Idee, die man wahrhaft nicht glauben muss, aber eine Richtung, an der man weiter entlang phantasieren kann mit dem schönen Vorteil, dass dieser gigantische Kosmos so etwas wie Sinn bekäme.

Börner selbst reiht sich damit in aller Bescheidenheit ein in die Reihe jener großen Physiker von Planck über Einstein bis Heisenberg, die alle an die Grenzen ihrer Wissenschaft gestoßen sind und es gewagt haben, kreativ über ihren Horizont hinauszublicken.

Rezensiert von Florian Hildebrand

Gerhard Börner: Schöpfung ohne Schöpfer? Das Wunder des Universums
DVA München, 2006
215 Seiten, 19,90 Euro