Suche nach der neuen Bürgerlichkeit

"Der Konsens der Mitte ist erstickend"

Alexander Dobrindt auf einem Volksfest mit einem Bierkrug in der Hand
Zur Bürgerlichkeit gehört auch die Gemütlichkeit, und zur Gemütlichkeit wiederum ein Bierkrug - zumindest in Bayern © picture alliance / dpa / Sven Hoppe
Derek Scally im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 04.01.2018
Der CSU-Politiker Alexander Dobrindt möchte die "linke Meinungsvorherrschaft" der 68er beenden. Der irische Journalist Derek Scally antwortet ihm. Sein Fazit: Dobrindt klagt über Zustände, die es so nicht gibt. Und wenn einer Schuld sei - dann die Union.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt klagt in der Zeitung "Die Welt" über eine "linke Meinungsvorherrschaft" in Deutschland und möchte der einen konservativen Aufbruch entgegensetzen. Denn eigentlich, meint Dobrindt, gebe es gar keine linke Mehrheit in Deutschland. Die Mehrheit der Menschen lebe und denke bürgerlich.
Die Ausführungen des CSU-Politikers, die in der "Welt" immerhin eine ganze Seite umfassen, findet der Korrespondent der "Irish Times" in Deutschland, Derek Scally, gelungen - wenn auch nur aus der rhetorischen Perspektive.

Axel Springer und Bayerischer Rundfunk

Im Deutschlandfunk Kultur sagte Scally, Dobrindts Ausführungen seien "äußerst lesenswert". Er selbst lese immer gern Texte, mit denen er nicht einverstanden sei - um die eigene Meinung zu testen.
Dobrindt baue in dem Beitrag den Einfluss der 68er groß auf, um dann den Abriss anzukündigen - das sei ein "interessanter Trick". Bei einem Blick in die deutsche Medienlandschaft werde aber klar, dass es nicht nur "rote Buden" überall gebe, sondern beispielsweise auch den Axel-Springer-Verlag und den Bayerischen Rundfunk.

Union an der Macht: Was hat sie die ganze Zeit getan?

Wenn überhaupt hat für Scally die Union selbst Schuld. Denn die sei die meiste Zeit in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland an der Macht gewesen. Wenn Dobrindt nun über linke Zustände klage und die CDU/CSU zugleich fast ein halbes Jahrhundert regiert habe, dann frage er sich: "Was haben die dann versäumt in den ganzen Jahren?", so Scally.
Der irische Journalist Derek Scally
Ärmel hoch: Der irische Journalist Derek Scally© Deutschlandradio - Andreas Buron
Der "Merkelsche Konsens" sei vielleicht "nicht unbedingt gesund" gewesen, sagte der irische Journalist. Rechts sei eine legitime Position - die CDU aber habe die konservativen Wähler vernachlässigt. Auch die AfD dürfe sein, sagte Scally. Die in Talkrunden gebrauchte Formulierung "Das darf nicht sein" sei für ihn das "Ende der Logik".

Raus aus der lauwarmen Badewanne

Also raus aus der "lauwarmen Badewanne der eigenen Meinung"! Scally plädiert für aufgekrempelte Ärmel und mehr Streit. Der Konsens der Mitte sei erstickend. Wenn alles immer gleich bleibe, sei das doch schade. Es hänge etwas in der Luft in Deutschland, es gebe durchaus eine "neue Bürgerlichkeit", sagte der Journalist.
Für Scally ist das nicht das Ende der 68er wie von Dobrindt postuliert, aber doch das Ende der "Claudia-Roth-Republik". Die Frage sei jetzt nur, ob das Pendel nicht - wie so oft in Deutschland - zu stark ausschlage. (ahe)
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