Styriarte aus der Pfarrkirche Stainz

16.07.2007
Christus am Ölberg – hier liegt der Wendepunkt der Menschheitsgeschichte aus christlicher Sicht: Jesus nimmt den Kelch des Leidens an und öffnet den Weg zu Passion und Auferstehung. Auf das Geschehen dieser Nacht im Garten Gethsemane hat sich Beethoven in seinem Oratorium von 1803 konzentriert. Noch seltener zu hören als die C-Dur-Messe, ist es dennoch eines seiner bedeutendsten Vokalwerke. Nikolaus Harnoncourt knüpft mit seiner Deutung an seine Stainzer Aufführungen von Schuberts "Lazarus" an.
"Einen halben Abend oder eine Stunde 9 Minuten" – so lange dauerte nach Beethovens eigenen Angaben sein einziges Oratorium "Christus am Ölberge". Dass es damit für den üblichen Konzertbetrieb nicht "abendfüllend" ist, wurde mit entscheidend für den Mangel an Aufmerksamkeit, den das Konzertleben ab spätestens 1850 diesem Werk entgegen brachte. Man hielt es für zu kurz, zu krude, zu opernhaft, für zu wenig fromm, zu wenig gesanglich, zu wenig ausgereift. Dabei schrieb Beethoven dieses Stück im Sommer 1803 in dem Bewusstsein, ein großes Werk zu schaffen – eines, mit dem er die Brücke von der "Eroica" zum "Fidelio" schlagen konnte. Genau in der Mitte zwischen Symphonie und Oper ist der "Christus" denn auch angesiedelt: kein Oratorium, sondern eine gewaltige symphonische Szene, in der die Leiden Jesu wie das Ringen eines Heros um das Schicksal der Menschheit erscheinen.

Für Nikolaus Harnoncourt ist es nichts Neues, sich vergessener oder missverstandener Oratorien anzunehmen. Allein in Stainz holte er bereits zwei der größten Wiener Oratorien aus der Versenkung der Musikgeschichte: Schuberts "Lazarus" und den "Davide penitente" von Mozart. In beiden Fällen wählte der Maestro bewusst den Kirchenraum, nicht das Theater, für das die Wiener Meister ihre Oratorien komponiert hatten. Denn allein im sakralen Raum erschließt sich das Ungeheuerliche der Vorgänge, von denen die Schrift berichtet: die Auferweckung des Lazarus, die Reue des Königs David, die Leiden Jesu in der Nacht, in der er verraten wurde.
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Styriarte 2007
Pfarrkirche Stainz
Aufzeichnung vom 8.7.2007


Franz Schubert
"Intende voci”, Hymne für Tenor, Chor und Orchester D 963


Ludwig van Beethoven
"Christus am Ölberge”, Oratorium op. 85


Laura Aikin, Sopran
Herbert Lippert, Tenor
Florian Boesch, Bariton
Arnold Schoenberg Chor
Concentus Musicus Wien
Leitung: Nikolaus Harnoncourt


nach Konzertende ca. 21:50 Uhr Nachrichten