Stuttgarter Kunstsammler Josef Froehlich

Beuys lehrte ihn das Sehen

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Der Stuttgarter Unternehmer und Kunstsammler Josef Froehlich in seinem Büro.
Er ist der große Unbekannte: Josef Froehlich. Der erfolgreiche Unternehmer und Kunstsammler hält sich in der Öffentlichkeit sehr zurück. © Anita Froehlich
Von Susanne Kaufmann · 14.08.2019
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Josef Froehlich spielt in der obersten deutschen Sammler-Liga mit. Die Freundschaft mit Joseph Beuys hat ihn geprägt und seinen Blick geschärft. Am Anfang seiner Karriere stand jedoch erst einmal ein Verlust von 90.000 Mark.
Es gibt Anekdoten, die Josef Froehlich immer wieder gern erzählt. Etwa die von dem Anruf eines Mitarbeiters aus dem Atelier von Andy Warhol im November 1986:
"Es hieß, deine Porträts sind fertig, du kannst jetzt nach New York kommen und sie dir anschauen und hoffentlich kaufen. Sag' ich: Okay. Und dann hieß es noch, ich muss Bargeld mitbringen, weil der Andy Weihnachtseinkäufe machen will."

Händedruck von der Queen

Unvergessen auch der Händedruck, den er erhielt, als er der Tate Modern zu ihrer Eröffnung im Jahr 2000 ein Werk von Bruce Nauman schenkte: drei große Tiere, aus Aluminium gegossen und aufgehängt an dünnen Drähten.
"Das hatte vielleicht einen Wert von 300.000 oder 400.000 Euro zu dem Zeitpunkt, und dafür war ich einer der acht Gäste, die einen Händedruck von der Queen bekamen. Da stand einer dabei, neben der Queen: 'And this is Mister Froehlich.' Und sie hat dann gesagt: 'How do you do, Mister Froehlich? Thank you for the present!'"

Er ist der große Unbekannte

Wenn Josef Froehlich erst einmal angefangen hat, zu erzählen, dann hängt das Publikum an seinen Lippen. Und eigentlich redet er auch sehr gern. Er weiß um seine Lebensleistung als Unternehmer und als Sammler, doch in der Öffentlichkeit hält er sich sehr zurück.
Dass er leibhaftig zu erleben ist, so wie jüngst in der Staatsgalerie Stuttgart, oder gar ein Interview gibt, kommt äußerst selten vor. Er ist der große Unbekannte, auf dessen Sammlung einst die Londoner Tate Gallery spekulierte. Vermutlich auch die Queen.

"Gestorben wird im Sattel!"

Doch der gebürtige Österreicher entschied sich um und gründete eine eigene Stiftung, in die die Kunst eingehen wird - so wie eines Tages auch seine Maschinenfabrik. Mit über 80 Jahren geht er noch täglich ins Büro: "Gestorben wird im Sattel! Was soll ich denn zu Hause machen? Golf spielen?"
Auf dem Gelände seiner Firma in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart plant er ein neues Gebäude, um die Sammlung permanent zu zeigen. Ein kleiner Teil wird dort schon jetzt in einem Schaulager präsentiert. Starke Leihgaben zeigt die Staatsgalerie Stuttgart noch bis Ende dieser Woche in ihrer aktuellen Ausstellung zu Baselitz, Polke, Kiefer und Richter. "Polke habe ich kennengelernt in Köln und er hat immer gesagt: 'Du Froehlich…' Und ich hab' gesagt: 'Du Sigmar…'"

Per Du mit Sigmar Polke

Die Bilder gehen nun weiter nach Hamburg zur zweiten Station der Ausstellung in die Deichtorhallen, wo sie ab dem 13. September zu sehen sind. "Aber dann sehe ich sie auch gerne wieder zu Hause!", sagt Froehlich. Etwa den Dürer-Hasen von Sigmar Polke.
"Wir nennen ihn den Gummiband-Dürer-Hasen, weil, wenn Sie sich den Dürer-Hasen ansehen, das sind Nägel in einer – weiß nicht einmal, ob das eine Leinwand ist. Ein Gummiband hat er dann so rumgezogen, und dann erkennt man einen Hasen, den sogenannten Dürer-Hasen. Und ich weiß noch, wie der Chef von der Tate, der Sir Serota, sagte: 'Da hat er gesponnen.' Also der hat das so abgetan. Und heute sagt man: 'Es ist ein wunderbares Werk!' Wie sich die Einschätzung verändern kann! Der einzige Nachteil ist, man muss alle paar Jahre die Gummibänder erneuern."

Mit Ackermann fing alles an

Josef Froehlich legt viel Wert darauf, dass er, wie er sagt, stets mit den Augen kauft, nicht mit den Ohren. Auf die richtige Spur brachte ihn Joseph Beuys, den er 1982 auf der documenta kennenlernte, wo er seine Aktion "7000 Eichen" unterstützte und den "Friedenshasen" kaufte, den Beuys aus einer eingeschmolzenen Zarenkrone gegossen hatte. Das war Kunst am Puls der Zeit, was anderes als die Maler der Klassischen Moderne, die am Anfang seiner Sammlung standen:
"Ich habe ein Haus gebaut und dann suchten wir Wohnzimmerschmuck. So fing's an - mit Ackermann und was weiß ich. Und dann, wie Beuys kam, der hat sich das angesehen und - war alles furchtbar! Und dann haben wir entschieden, all diese Kunst nach München zu fahren zum Ketterer in die Auktion. Und dann hat er gesagt: 'Dann hast du Kapital und dann kannst du richtige Kunst kaufen.' Habe ich gesagt: 'Na gut.'"

90.000 Mark Lehrgeld

20 dieser älteren Bilder lieferte er ein und machte einen Verlust von 90.000 Mark - Lehrgeld. Dafür lehrte Beuys ihn danach das Sehen und auch noch etwas anderes ganz Entscheidendes: dass man für gute Kunst immer auch gutes Geld bezahlen sollte. "Ich war immer bereit, für gute Arbeiten den Preis zu bezahlen, der verlangt wurde", erklärt er. "Wenn ich das nicht getan hätte, hätte ich diese Arbeiten nicht bekommen."
Und so baute Froehlich eine exquisite Sammlung auf, auch mit starker Kunst von Frauen wie Rosemarie Trockel, Jenny Holzer oder Agnes Martin. Das letzte Werk, das er kaufte, war übrigens von Banksy: "Girl with Balloon". "Wenn ich das an der Wand hab, dann hab ich da Spaß dran, Freude dran", sagt er.
Auf genau das Bild, das direkt nach seiner Versteigerung bei Christie's geschreddert wurde, hatte er damals übrigens mitgeboten, aber war bei 300.000 ausgestiegen. Über eine Million Euro, so wie die deutsche Sammlerin, die es ersteigerte, hätte er nie dafür bezahlt: "Ich hab für 60.000 ein ungeschreddertes gekauft."
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