Stückemarkt zwischen Staats- und Kasperletheater

Von Gerd Brendel · 06.05.2011
Wenn sich im Festspielhaus der große Vorhang hebt zur Schau der besten deutschsprachigen Theaterproduktionen, treten auch Debütanten des Theaterbetriebs gegeneinander an. In den Uferhallen lesen und spielen Schauspieler Erstlingswerke. Der Stückemarkt präsentiert sechs Bühnenwerke in szenischen Lesungen zum ersten Mal vor Publikum.
Große Bühne.
Kleine Bühne.
Dazwischen liegt der Stückemarkt

Eine erste Probe für den Text ist, ob der Text funktioniert..

Yvonne Büdenholzer organisiert quasi als oberste Spielleiterin den Stückemarkt. Lange vor der ersten szenischen Lesung hat sie aus 356 eingesandten Texten eine Vorauswahl getroffen und die Jury ausgewählt. In diesem Jahr suchten die Leiterin des Theatertreffens, eine Intendantin, zwei Autoren und ein Regisseur, sechs Stücke für den Wettbewerb aus.

WG-Dramatik nenn ich es mal, oder die Cappuchino-Stücke die irgendwie so soapmässig, cafehausmässig irgendwelche Atmos zu beschreiben , das ist weniger interessant. was uns interessiert sind Autoren die eine Geschichte zu erzählen haben, wo man ein Anliegen spürt, wo man merkt dem Autor ist es wirklich wichtig diese Geschichten zu erzählen und dafür auch eine Form findet .

Zum Beispiel "Alles Gold was glänzt" von Mario Salazar. Der Berliner mit chilenischem Vater erzählt darin eine Familiengeschichte als Sozial-Parabel aus der Zukunft, draußen tobt ein Bürgerkrieg, drinnen gehen die Familienmitglieder aufeinander los:

"Geht um eine Familie, hat es nötig viele Mühen auf sich zu nehmen, ist in einer sehr prekären Situation, niemand hat Geld ,,Der Mann ist Straßenbahnfahrer.. und anstatt sich gegenseitig zu helfen, macht jeder seins."

Salazars Text hat die erste Bühnenprobe schon bestanden: Die einjährige Tochter sitzt gebannt vor dem Kasperletheater, in dem ihr Vater die erste Szene improvisiert. Die Puppenbühne ist der ganze Stolz des jungen Vaters
Seit drei Jahren schreibt der gelernte Literaturwissenschaftler Bühnentexte
"Das ist der Reiz des Theaters dieser hohe Spiel-Charakter, dass auf einmal diese Texte belebt wurden, und man sitzt mit 1000 Leuten im Thalia oder und Burgtheater und teilt diese Erfahrung. "
Dieses Spielelement ist jetzt sehr störend..oder ?

Zwischen Tochter, und Barkeeper-Job dreimal in der Woche, bleibt Salazar weniger Zeit zum Schreiben als früher, aber

"Ich hab nen viel stärkeren Zugang zu Menschen gefunden, kann durch meine Tochter viel besser mitleiden.. das Gefühl für andere Menschen ist stärker geworden.

Die Fähigkeit sich in andere hineinzuvesetzen, ist vielleicht die wichtigste Fähigkeit eine Stückeschreibers meint auch Juri Sternburg.

Auch sein Stück "Der Penner ist schon wieder woanders" zeichnet ein düsteres Zukunftsbild. Diesmal nicht als Familienaufstellung sondern als U-Bahn Roadmovie das als Beziehungsstück anfängt und als Anti-Apokalypse mit einem toten Messias endet.

Vom kleinen ins große, vom privaten ins politische. Wenn es einen roten Faden gibt, der alle Stücke durchzieht, dann wäre es diese Spielart des alten 68er-Slogans. Das private ist politisch. Zwei Dinge wird man auf diesem Stückemarkt auf jeden Fall vergeblich suchen: Erstens:

"Liebesgeschichten haben wir dieses Mal nicht dabei."

Und zweitens hat keines der Stücke ein Happy end. Dafür sind sie viel zu ehrlich. Kunstgriffe wie Deus oder Helden ex machina gibt es woanders. Zum Beispiel auf Salazars kleiner Puppenbühne:

"Sind zwei Kasper drinne für den Trick der eine stirbt der andere kommt."