Studium für die Suche nach dem Ursprung

Meike Hoffmann im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 19.04.2011
Seit 1998 sind Museen und Archive dazu verpflichtet, die Herkunft der Kunstwerke, die während des Nationalsozialismus beschlagnahmt wurden, aufzuklären - also Provenienzforschung zu betreiben. Dazu gibt es ab Sommer einen Studiengang.
Liane von Billerbeck: 1998 war das, da wurde die Washingtoner Erklärung unterzeichnet, die Museen, Archive und Auktionshäuser verpflichtet, die Herkunft während der Zeit des Nationalsozialismus geraubter oder beschlagnahmter Vermögenswerte und Kunstwerke aufzuklären. Die Arbeitsstelle für Provenienzrecherche und -forschung in Berlin koordiniert diese Projekte seit einigen Jahren, aber bisher gab es dafür keine richtige Ausbildung. Das ändert sich nun, ab dem Sommersemester gibt es an der Berliner FU einen Studiengang Provenienzforschung. Konzipiert hat ihn die Kunsthistorikerin Meike Hoffmann, sie ist auch Mitglied der Arbeitsstelle für Provenienzforschung und jetzt bei uns zu Gast. Herzlich willkommen!

Meike Hoffmann: Ja, guten Tag! Darf ich kurz korrigieren: Ich bin nicht Mitglied der Arbeitsstelle für Provenienzrecherche, ich arbeite an der Freien Universität in der Forschungsstelle Entartete Kunst und bin Mitglied im Arbeitskreis für Provenienzforscher, das sind alles unterschiedliche Stellen, die ganz eng miteinander zusammenarbeiten.

von Billerbeck: Gott sei Dank! - Warum gibt es diesen Studiengang erst jetzt?

Hoffmann: Wir haben die Idee weitaus früher gehabt, aber es ist unwahrscheinlich schwierig, einen neuen Studiengang mit mehreren Lehrveranstaltungen, die aufeinander aufbauen, in die bestehenden Studienstrukturen einzugliedern, das war tatsächlich die größte Schwierigkeit, keine andere. Und wir sind deswegen an der Freien Universität Berlin jetzt auch im Bachelorstudiengang gelandet, das heißt, am Ende des Bachelorstudiengangs, und sind am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften angegliedert, stehen deswegen auch Historikern - also sowohl Historikern als auch Kunsthistorikern - offen, was ich sehr sinnig und sehr gut finde, weil eben auch beide Wissenschaftlerkategorien an der Provenienzforschung beteiligt sind.

von Billerbeck: Wenn es bisher keinen Studiengang gab, wie wurde man denn bisher Provenienzforscher, wie hat man das gelernt?

Hoffmann: In autodidaktischer Art und Weise. Es ist tatsächlich so, dass es diesen Arbeitskreis der Provenienzforscher seit zehn Jahren oder mittlerweile sogar seit elf Jahren gibt, und zunächst einmal bestand der glaube ich aus vier Wissenschaftlern, die sich eben in dieses Gebiet eingearbeitet haben, in die historischen Kontexte, in die Archive. Und so hat sich das fortgesetzt, man musste unbedingt Kontakt mit diesen Provenienzforschern aufnehmen, wenn man sich selbst an so eine Arbeit gesetzt hat. Aber bisher war das wirklich rein autodidaktisch möglich, oder eben an Museen hat man einzelne Mitarbeiter für diese Provenienzforschung abgestellt.

von Billerbeck: Nun gibt es verschiedene Studiengänge, die für diesen neuen Studiengang Konzepte geliefert haben - Kunstgeschichte, Archäologie, Museologie. Wie ist das geschehen, wie muss man sich das vorstellen, was haben die dazugeliefert?

Hoffmann: Es ist tatsächlich so, dass für viele Wissenschaftsbereiche die Provenienzforschung wichtig ist, also für die Bibliothekswissenschaft, für die Archäologen, natürlich auch für die Museologen. Wir selbst haben unseren Studiengang aber so konzipiert, dass wir mit mehreren Fachspezialisten aus diesem Arbeitskreis für Provenienzforscher zusammenarbeiten, das heißt, jeder Fachspezialist lehrt auch über sein Gebiet. Es gibt also nicht einen Lehrstuhl, einen Professor, der dieses ganze Gebiet abzudecken versucht, sondern wir haben eben Spezialisten für Provenienzforschung von Anspruchberechtigten, wir haben Spezialisten für Provenienzforschung im internationalen Kunsthandel, wir haben Fachspezialisten für die Provenienzforschung in Museen oder eben vom Bund. Also so teilen wir eigentlich unsere einzelnen Gebiete auf, und, was uns sehr wichtig ist, also mir und meinen Kollegen, nicht nur die theoretische Vermittlung von Wissen, sondern vor allen Dingen auch die praktische Anwendung. Das heißt, zu unserem Studiengang gehört eben auch eine eigene Archivrecherche, die angeleitet wird von den Leitern in den entsprechenden Archiven, und vor allen Dingen auch Museumspraktika. Und von daher, denke ich, bekommt man bei uns wirklich schon eine umfassende Ausbildung zum Provenienzforscher.

von Billerbeck: Das bringt mich zu der Frage: Wo bestanden denn die Defizite bis jetzt, wie haben denn Studenten bisher gelernt, was ein Original ist, oder wie sie die Herkunft eines Kunstwerkes klären können? Wie haben Sie das gemacht?

Hoffmann: Also ich finde aus meiner eigenen Erfahrung heraus an der Freien Universität, wo wir ja schon seit Längerem lehren zu unserem thematischen Bereich der entarteten Kunst, dass die Archivforschung weit zurückgegangen ist, dass auch seltener an den Universitäten der Umgang mit Originaldokumenten gelehrt wird. Und meiner Meinung nach ist das nach wie vor unheimlich wichtig, ist es auch unheimlich spannend, nicht nur immer Sekundärliteratur zusammenzufassen, sondern wirklich mit den Originalen zu arbeiten. Weil jeder hat eine eigene Fragestellung, sieht wieder neue Fakten, neue Dinge in den Dokumenten auftauchen, die werden immer wieder neu ausgewertet und vor allen Dingen findet man auch immer weitere neue Dokumente, die ausgewertet werden müssen. - Auch um das Archivstudium wieder neu zu beleben, haben wir eigentlich diesen Studiengang konzipiert, denn für die Provenienzforschung ist es ganz unumgänglich, mit den Originaldokumenten umzugehen, und vor allen Dingen auch zu lernen, sie auszuwerten.

von Billerbeck: So ein bisschen zurück zu den Wurzeln, weg von der ganzen elektronischen Studiererei, guckt euch das Original an?

Hoffmann: Ja, irgendwo schon. Aber natürlich nehmen wir auch gerne alle elektronischen Ressourcen in Anspruch, wir arbeiten natürlich auch mit Datenbanken, soweit es sie heute für unseren Fachbereich gibt. Also wir machen eigentlich eine Mischung, aber auf jeden Fall wollen wir eben dieses Archivstudium wieder beleben.

von Billerbeck: Wie viel Interesse besteht denn schon vonseiten der Studenten?

Hoffmann: Ja es besteht sehr großes Interesse, das haben wir auch in den vergangenen Jahren gesehen und erfahren. Deshalb ja nun auch endlich der Beginn an der Freien Universität Berlin. Die Studierenden sind sehr interessiert, eine Ausbildung zum Provenienzforscher oder zur Provenienzforschung zu erhalten. Wir mussten leider die Teilnahme beschränken auf 30 Studierende, da wir ja auch in den Archiven arbeiten, da wir Museumspraktika anbieten, ist leider eine größere Anzahl nicht möglich. Aber wie gesagt, wir werden ja kontinuierlich diesen Studiengang immer wieder neu beginnen, sodass also im nächsten Jahr neue Plätze wieder vorhanden sind. Aber wir sind besetzt, also wir sind voll. Von daher haben wir genau das erreicht, was wir auch wollten.

von Billerbeck: Meike Hoffmann ist meine Gesprächspartnerin, die Kunstwissenschaftlerin von der Berliner FU hat den neuen Studiengang Provenienzforschung initiiert und konzipiert. Die Provenienzforschung in Deutschland zu entwickeln, das war ja doch recht mühsam. Ist sie nun mit diesem Studiengang endgültig etabliert?

Hoffmann: Ich glaube, die Provenienzforschung ist schon etabliert. Also mit Einführung der Arbeitsstelle für Provenienzrecherche und -forschung sind wirklich viele Stellen in den Museen gegründet worden, die sind sicherlich zeitbefristet, aber es gilt ja eben halt auch nur den Bestand eben zu überprüfen der einzelnen Institutionen. Und seit 2008 ist wirklich sehr viel von der Arbeitsstelle geleistet worden. Es ist nur so, was wir entdeckt haben, dass die Provenienzforscher, die sich eben in diesem Arbeitskreis zusammengeschlossen haben, sind wirklich mit Aufgaben, mit Aufträgen versehen, also haben eigentlich gar keine Zeitkapazität mehr, und es fehlt einfach an einer Ausbildung, die eben in diese Stellen nachrutschen können. Darum sind wir jetzt eben auf den Plan getreten.

von Billerbeck: Wie hat denn nun das Ausland auf die Einrichtung dieses Studienganges reagiert? Oder gibt es das anderswo schon?

Hoffmann: Nein, also das gibt es wirklich noch nicht. Wie gesagt, dieser Arbeitskreis für Provenienzforscher ist international und wir haben uns gerade auch alle in Wien getroffen, ich habe mit vielen Kollegen auch aus dem Ausland über diesen Ausbildungsgang gesprochen, von dem sie ohnehin schon wissen, und sie sind sehr, sehr daran interessiert, an diesem Studiengang zu kooperieren, da es eben in den eigenen Ländern solch eine Ausbildung auch noch nicht gibt und sie das Desiderat kennen. Und wir planen eben in Zukunft, die Museumspraktika auch im Ausland anbieten zu können. Da müssen wir eben halt noch mit Stiftungen sprechen, dass diese Praktika, die Reisen und die Unterkunft dann eben finanziert werden können für die Studierenden.

von Billerbeck: 30 Studienplätze für Studenten der Geschichts- und Kulturwissenschaften ab dem Sommersemester - reicht das?

Hoffmann: Zunächst einmal ja, das ist das, was wir leisten können. Wir werden sehen, ob wir uns weiterentwickeln können und ob wir uns ausbreiten können.

von Billerbeck: Meike Hoffmann war das, die Kunstwissenschaftlerin von der FU hat den ersten Studiengang Provenienzforschung konzipiert, der vom Sommersemester an stattfinden wird. Danke für Ihren Besuch!

Hoffmann: Ich danke ebenfalls!
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