Studiozeit Hörspiel

Unerwartete Ereignisse

Von Heinz von Cramer · 07.08.2012
Heinz von Cramers "Unerwartete Ereignisse" ist Glücksfall und Wagnis zugleich. Das vom Hessischen Rundfunk produzierte Hörspiel des 2009 verstorbenen Autors und Regisseurs erweist in der Form der utopischen Literatur dem Genre der schwarzen Komödie mit all ihren gezielten Tabubrüchen und Geschmacklosigkeiten seine Reverenz.
Zugleich bedient und unterläuft Heinz von Cramer dabei subtil die Erzählweisen des klassisch-konventionellen Hörspiels. Das 'unerwartete Ereignis', das dem namenlosen Protagonisten (Martin Reinke) als erstes zustößt, ist der plötzliche Tod seiner Frau, bei deren Betrachtung er sich mit einem Messer tief in die Hand schneidet. Beide Male empfindet er keinen Schmerz und ist damit keineswegs allein. Denn die Gesellschaft in Heinz von Cramers Hörspiel nähert sich dem Zustand absoluter Schmerz- und Empathielosigkeit. (...) Der amerikanische Künstler Robert Smithson hat für den Zustand einer Kultur, die alles dem Verfall überlässt, kaum dass es erbaut ist, den Begriff ›ruins in reverse‹ (umgekehrte Ruinen) geprägt. Die ›Ruinen‹ unserer Gegenwart, so Smithson, evozieren im Unterschied zu den Ruinen der Romantik keine Sehnsucht mehr nach der Vergangenheit, sie werfen nur noch die Frage auf, woran wir erkennen sollen, was einmal war (und was sein könnte). Heinz von Cramers akustische Erzählung in der Regie von Burkhard Schmid deutet an, dass solchen Verfallsszenarien nur noch die Komödie beikommt.

(Aus der Begründung der Jury der Akademie der Darstellenden Künste)

Regie: Burkhard Schmidt
Mit Martin Reinke, Monika Müller-Heusch, Susana Fernandes-Genebra, Siemen Rühaak, Rainer Homann, Oliver Kraushaar, Felix von Manteuffel, Wolf-Dietrich Sprenger,
Heinrich Giskes u.a.
HR 2012/ca. 49'