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Straßensanierung
Verwunderung über Sonderabgabe

100 Euro pro Jahr von jedem Autofahrer für kaputte Straßen: Idee und Zeitpunkt des Vorstoßes von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Albig seien "völlig daneben", sagte der CDU-Verkehrspolitiker Dirk Fischer im DLF.

Dirk Fischer im Gespräch mit Christine Heuer | 22.04.2014
    Dirk Fischer, CDU-Mitglied im Bundesverkehrsausschuss
    Dirk Fischer, CDU-Mitglied im Bundesverkehrsausschuss (dpa / Malte Christians)
    Christine Heuer: Besser hätte Torsten Albig, sozialdemokratischer Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, seinen Vorschlag gar nicht platzieren können als mitten in die Osterfeiertage. Da schlug sie nämlich ein wie eine Bombe, die Meldung, dass Albig es gern sähe, wenn jeder deutsche Autofahrer jährlich 100 Euro Sonderabgabe zur Sanierung deutscher Straßen und Brücken bezahlen müsste. Klingt wie Maut, nur anders. Stefan Maas mit den Einzelheiten.
    Und am Telefon begrüße ich den CDU-Verkehrspolitiker Dirk Fischer, guten Morgen!
    Dirk Fischer: Guten Morgen, Frau Heuer!
    Heuer: Hier kommt die Maut, nur anders – war das in der Großen Koalition eigentlich so vereinbart?
    Fischer: Zunächst einmal muss man sagen, dass der Bund aus dem Kfz-Bereich Einnahmen von 54 Milliarden generiert. Von denen etwa zehn Prozent in den Straßenbauhaushalt zurückfließen. Das heißt also, jede Formulierung, die so tut oder unterstellt, dass die Autofahrer endlich mal für den Straßenbau und Unterhalt bezahlen müssen, ist eine ziemliche Zumutung, weil sie den Tatsachen völlig zuwider läuft. Und dann haben wir in der Großen Koalition einen Vertrag vereinbart. Herr Albig war in der großen Verhandlungsrunde dabei, und er hat genau das vereinbart vor wenigen Monaten, was er jetzt kritisiert und völlig infrage stellt. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass man verhandelt und vereinbart und sich dann so verhält, wie er es jetzt tut.
    Heuer: Was glauben Sie, warum er das macht?
    Fischer: Wahrscheinlich ist es Populismus. Aber ich habe ihm damals als Gegenstimme beim Koalitionsvertrag nicht wahrgenommen. Im Gegenteil, er hat zugestimmt. Und deswegen ist meine Überzeugung, selbst wenn man Sorgen haben muss, ob die Finanzen für alle Zukunft ausreichend sind, dass wir jetzt erst mal das umsetzen müssen, was im Koalitionsvertrag steht. Und das sind die fünf Milliarden mehr in der Legislaturperiode, und das ist die Ausweitung der Straßenbemautung, Lkw und Pkw. Und wenn wir dann zum Ergebnis kommen, die Dinge sind nicht ausreichend, kann in einem späteren Zeitpunkt immer in der Koalition darüber gesprochen werden. Aber jetzt muss der erste Schritt vollzogen werden und dann muss bewertet werden.
    Heuer: Herr Fischer, anders als die Pkw-Maut für Ausländer, die in der Tat im Koalitionsvertrag steht, wäre diese Sonderabgabe, die Torsten Albig vorschwebt, ja immerhin EU-konform.
    Kein gutes Modell für die Sozialverträglichkeit
    Fischer: Das andere ist ja überhaupt noch gar nicht geklärt. Wir warten auf den Gesetzentwurf des Bundesministers. Er muss einen Gesetzentwurf vorlegen, der EU-konform ist, der sozusagen inländische Zulassungsstandorte nicht höher belastet und der auch vom Ergebnis her effizient ist. Das sind die drei Vorgaben. Das hat mit Ausländern und Inländern gar nichts zu tun, sondern das hat nur mit Zulassungsstandorten in Deutschland oder im Ausland zu tun. Und im Übrigen, bei dem, was Herr Albig vorschlägt, das ist für einen Vielfahrer sehr, sehr wenig, aber für einen Wenigfahrer ungerechterweise sehr hoch. Es ist auch in der Sozialverträglichkeit wahrlich kein gutes Modell.
    Heuer: Dann müssten Sie es ja staffeln. Dann müssten Sie Unterschiede machen.
    Fischer: Ja, wenn man den eben zitierten Oettinger-Vorschlag angeht, kann das ja nur bedeuten, in Europa streckenbezogen, nutzungsabhängig, differenziert nach der jeweiligen Nutzung des Systems dann auch zu kassieren. Aber nicht solche pauschalen Dinge zu machen, die sind immer problematisch.
    Heuer: Den Oettinger-Vorschlag finden Sie gut?
    Fischer: Na ja, wir sind sehr, sehr weit entfernt davon, so was zu machen, denn wir haben bestehende Systeme. Teilweise haben Länder auch darauf ihre ganzen Verkehrsinvestitionen abgestützt, auch mit privater Finanzierung. Das ist eine ganz, ganz schwierige Nummer. Und im Übrigen muss man sich erst mal verständigen, welches System man machen will. Das deutsche System mit einer elektronischen Bemautung für den Lkw ist technologisch einwandfrei, hat eine höhere Zuverlässigkeit, als von dem Vertrag gefordert ist und wenn ein solches System europaweit mal käme, kann das nach meiner Überzeugung nur das deutsche System sein.
    Heuer: Herr Fischer, Sie haben vorhin angesprochen, die 54 Milliarden Euro jährlich, die deutsche Autofahrer in der Tat an Kfz- und Mineralölsteuer ja schon bezahlen. Wenn ich die Zahlen richtig kenne, dann wird von diesen 54 Milliarden Euro, werden gerade mal 19 Milliarden Euro jährlich tatsächlich in die Verkehrsinfrastruktur reinvestiert. Heißt das nicht, Sie müssen vor allen Dingen als Verkehrspolitiker jetzt mit den Finanzministern noch einmal verhandeln?
    Fischer: Also die Zahlen, die ich kenne, sind bei der Einnahmeseite, dass man noch die auf der Mineralölsteuer liegende Mehrwertsteuer dazu rechnen muss, man muss die Lkw-Maut dazu rechnen, dann kommt man auf diesen Betrag. Und der Straßenbauhaushalt war bisher im Haushalt mit 4,8 Milliarden.
    Heuer: Das heißt also, noch weniger.
    Eine Riesenlücke in der Haushaltsstruktur
    Fischer: Das heißt also, noch viel, viel weniger. Das waren bisher unter zehn Prozent. Das wird durch den neuen Ansatz aus dem Koalitionsvertrag etwas besser, aber wir haben hier eine Riesenlücke in der Haushaltstruktur. Trotz aller Warnungen ist in der Vergangenheit für die Verkehrsinfrastruktur zu wenig Geld eingesetzt worden. Natürlich kriegt niemand seine Steuern zurück für seinen eigenen Zweck, die er bezahlt, aber eine derartige Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben ist das gravierende Problem, und das hat sich seit Jahren und Jahrzehnten so entwickelt.
    Heuer: Aber da haben die Verkehrspolitiker offenbar ganz schlecht mit den Finanzpolitikern verhandelt. Noch einmal die Frage: Muss man da nicht nachlegen, anstatt jetzt laut wieder darüber nachzudenken, die Autofahrer noch einmal zusätzlich zu belasten.
    Fischer: Ja gut, aber eine Haushaltsstruktur, die Sie haben, die können Sie nicht prinzipiell verändern, als hätten Sie ein weißes Blatt und schreiben was Neues drauf. Der Finanzminister hat, so sagt ja der Bundesminister Dobrindt, bei der Lücke, die sich aus der notwendigen Absenkung der Lkw-Maut jetzt ergibt durch das niedrige Zinsniveau, zugesagt, außer der Ausweitung der Lkw-Maut auf 7,5 Tonnen und 1.000 Kilometer vierstreifiger Bundesstraßen, die belastet werden sollen, die sich trotz allem dann noch ergibt, aus dem Bundeshaushalt zu schließen – da wird ja schon einiges versucht, aber eine Haushaltsstruktur, die sich so krass entwickelt hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten, die können Sie nicht mit einem Federstrich ändern.
    Heuer: Aber andererseits, wir haben gerade gemeldet, es gibt Rekordsteuereinnahmen mal wieder im Bund. Finden Sie das denn gerecht, dass einerseits der Bund ganz viel Steuern einnimmt, und andererseits sagen die Finanzpolitiker pacta sunt servanda, und der Bürger bezahlt die Zeche noch einmal?
    Fischer: Albigs Aussage ist völig daneben
    Fischer: Also ich finde, das ist ja die Aussage, die unter dem Strich zu treffen ist, zum jetzigen Zeitpunkt die Aussage Albigs völlig daneben und auch im Ablauf der Erfüllung des Koalitionsvertrages absolut nicht zielführend. Und deswegen ist sie eher verwunderlich, man könnte sogar beinahe sagen, populistisch.
    Heuer: Und was die Verkehrspolitiker mit den Finanzpolitikern vielleicht noch zu bereden haben, das warten dann die Bürger ab. Dirk Fischer, CDU-Verkehrspolitiker, seit vielen Jahren ein erfahrener Mann im Deutschen Bundestag – Herr Fischer, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
    Fischer: Gerne! Tschüs, Frau Heuer!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.