Streitgespräch zum Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche

Arbeit an einem "deutschen Selbstverständnis"

12:13 Minuten
Ein künstlerisch gestalteter Container mit Nagelkreuz aus Coventry und der Aufschrift Geschichte erinnern - Verantwortung lernen - Versöhnung leben steht an der Baustelle für den Wiederaufbau des Turms der Garnisonkirche in Potsdam im Juli 2019.
Mit dem Kirchturm hat der geplante Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam begonnen. Das Projekt ist hoch umstritten - wie nun auch ein offener Brief deutlich macht. © Imago / Martin Müller
Philipp Oswalt und Nikolaus Bernau im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 19.08.2019
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Der geplante Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche ist umstritten. Nun kritisieren mehr als 100 Künstler und Architekten das Projekt in einem offenen Brief. Initiator Philipp Oswalt und Architekturkritiker Nikolaus Bernau mit Argumenten für und wider.
Die geplante Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche hat im Jahr 2017 begonnen. Als erster Schritt wird der Kirchturm errichtet. Das Projekt, das zum Teil mit öffentlichen Geldern finanziert wird, ist seit Langem heftig umstritten. Nun haben Künstler, Wissenschaftler und Architekten am Montag einen offenen Brief zum Wiederaufbauprojekt veröffentlicht. Die mehr als 100 Erstunterzeichner kritisieren, das Projekt ziehe keinen deutlichen Trennstrich zu Kaiserreich und Nationalsozialismus und knüpfe kritiklos an die Geschichte der Kirche als Identitätsort der NS-Zeit und der deutschen Kolonialkriege an. Adressiert ist der Brief unter anderem an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Zu den Unterzeichnern gehören Künstler wie Thomas Demand, Hans Haacke und Klaus Staeck, der Galerist Kasper König sowie Architekten wie Peter Kulka und Matthias Sauerbruch.
Der Architekturkritiker Philipp Oswalt hat den Brief initiiert. Im Streitgespräch mit Architekturkritiker Nikolaus Bernau im Studio von Deutschlandfunk Kultur sagte Oswalt, die Garnisonkirche solle "Lernort" statt "Identifikationsort" sein. "Wir wollen keinen Militärschmuck an der Kirche sehen." Das Glockenspiel habe rechtsradikale Inschriften, sei aber dennoch in täglicher Benutzung. Es gehöre abgebaut. Als dritten Punkt nennt Oswalt: "In der Trägerschaft vereinen sich Kirche, Militär und Staat. Das finden wir eine sehr unglückliche Konstellation und fordern eine andere Trägerschaft".
Der Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, Philipp Oswalt, aufgenommen am 27.02.2014 im Bauhaus in Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt). Oswalt bewirbt sich jetzt für eine weitere Amtszeit. Der Stiftungsrat hatte 2013 eine Neuausschreibung der Stelle beschlossen.
Architekturkritiker Philipp Oswalt© picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt
Architekturkritiker Nikolaus Bernau entgegnet, dass schon in den vergangenen 25 Jahren intensiv über dieses Projekt debattiert worden sei. Die Stadt Potsdam habe das damals vor allem mit einem stadtästhetischen Argument begründet, der Vervollständigung der barocken Silhouette, das der Brief nun völlig außer Acht lasse. Der Bau nun sei Ergebnis eines demokratischen Prozesses. Hier widerspricht Oswalt vehement.
Nikolaus Bernau
Architekturkritiker Nikolaus Bernau© Deutschlandradio / Manuel Czauderna
Worin sich Oswalt und Bernau einig sind: Es ist Arbeit an einem "deutschen Selbstverständnis".
(mfied/abr)
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