Streiten über die Ausstellung in Peking

Von Jürgen König · 26.04.2011
Ein hochkarätiges Podium diskutierte in der Akademie der Künste die deutsche Ausstellung "Die Kunst der Aufklärung" in China. Kritisiert wurden die Museumsdirektoren, die die Schau konzipiert hatten, für zu große Staatsnähe. Die Frage aber: Wie verhält man sich gegenüber Diktatoren "richtig"? - blieb unbesprochen.
Mit einem Statement wurde Kulturstaatsminister Bernd Neumann angekündigt. Was aber folgte, war eine Abrechnung. Er begann - noch staatstragend:

"Ich bin zuvörderst gern hierhergekommen, um meine Solidarität mit Ai Wei Wei zu bekunden. Seine plötzliche Inhaftierung führt uns vor Augen, dass Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit und vor allem die Freiheit der Kunst in China grob missachtet werden."

Dann forderte Bernd Neumann die chinesische Regierung auf, Ai Wei Wei umgehend freizulassen, appellierte an seine Freunde und Unterstützer, in ihren Aktionen und Bemühungen nicht nachzulassen, nur die internationalen Reaktionen würden China, wenn überhaupt, zum Nachdenken bewegen.

"Ich habe auch wenig Verständnis dafür, dass im Kommentar eines beteiligten Museumsdirektors der Eindruck erweckt wurde, Ai Wei Wei habe wegen seiner offensiven Kritik am chinesischen Staat quasi eine Mitschuld an seiner Verhaftung. Eine derart tiefe Verbeugung gegenüber dem chinesischen Staat hat nichts mehr mit Höflichkeit zu tun, das ist anbiedernd und die Verhöhnung eines mutigen, bedeutenden Künstlers."

Das Rahmenprogramm der Ausstellung, sagte Bernd Neumann, biete sehr wohl Gelegenheit, über Menschenrecht zu sprechen. Aber –

"Entscheidend ist aber, dass dies auch geschieht. Spätestens nach der Festnahme Ai Wei Weis sollte klar sein, dass wir es nicht bei Höflichkeitsfloskeln belassen dürfen. Und eher da setzt meine Kritik ein, nicht am Prinzip der Ausstellung. Niemand sollte so naiv sein, die Ausstellung in Peking als reine Kunstausstellung zu sehen, losgelöst vom politischen Umfeld. Das gilt allzumal für die drei verantwortlichen Direktoren. Wenn man das macht, muss man auch in der Lage sein, kulturpolitisch Position zu beziehen."

Martin Roth aus Dresden, Michael Eissenhauer aus Berlin und Klaus Schrenk aus München hatten die Ausstellung konzipiert. Nur Klaus Schrenk war anwesend; regungslos hörte er den Worten Neumanns zu. Doch es kam noch schlimmer.

"Von Klaus-Dieter Lehmann las ich, 'Tagesspiegel' vom 14.04., dass bei der Eröffnung die vielen weich gespülten Floskeln der Museumsdirektoren unangenehm aufgefallen seien, die sich in den Ohren der Chinesen so ähnlich anhörten wie die Sprache der eigenen Funktionäre. Inhaltliche Positionen wurden nicht klar und unmissverständlich ausgesprochen. Und, meine Damen und Herren, hier sage ich, wer sich auf dem Parkett der internationalen Kulturpolitik bewegt, muss sich immer bewusst sein, dass er gerade in unfreien Ländern ein Mandat als Anwalt der Freiheit, wo immer es geht, wahrzunehmen hat. Beim Eröffnungsforum buhten Vertreter der Wirtschaft einen Journalisten aus, der nachfragte, warum Tillmann Spengler ausgeladen wurde. Das ist mehr als geschmacklos."

Die Verteidigung Klaus Schrenks fiel matt aus.

"Es ist weder eine naiv konzipierte Ausstellung gewesen, noch ist es eine Ausstellung glaube ich, die auch im Nachhinein nicht davon ausging, dass so ein Thema natürlich auch eine politische Dimension ist und dass sie natürlich auch vermittelt werden muss und dass es auch verschiedene Ebenen gibt, wo man Anknüpfungspunkte schaffen muss für die Besucher, die je nach Vorbildung auch mit den Kunstwerken in eine Berührung, in einen Dialog hineintreten, ein Ansatzpunkt für die Fragestellung zu finden, die sie dann hoffnungsvoll mit ihren eigentlichen Fragestellungen auch verbinden, und das ist natürlich eine der großen Möglichkeiten, die die Kunst unterschiedlicher Gesellschaftsformen bietet und von daher ist die Reaktion jetzt, die Heftigkeit der Reaktion auf diese Ausstellung in Peking, auf die Thematisierung dieser Ausstellung, auch natürlich für uns eine Reaktion, die uns zu denken gibt, zu der wir uns aber auch verhalten können."

Klaus-Dieter Lehmann, der Präsident des Goethe-Instituts, störte sich an einer – in seinen Augen zu sehr dominierenden - Zielrichtung der Ausstellung.

"Ich hab den Eindruck gehabt, wenn ich fast hundert Journalisten aus Deutschland mitnehme, will ich eigentlich eine Wirkung in Deutschland haben. Und das ist das, was mich gestört hat. Und das ist der zweite Punkt, weil da fängt jetzt wieder an, die Empfindlichkeit der Chinesen in der Vorstellung der Wechselwirkung von Klischees zu arbeiten, weil damit natürlich der große Auftritt, 'wir bringen die Aufklärung nach China', in dieser Weise vermarktet wird – innenpolitisch. Und das ist nicht gut."

Die Ausstellung abbrechen: das wollte niemand auf dem Podium. Klaus-Dieter Lehmann begründete seine Haltung so:

"Wenn ich eine durchaus klug kuratierte Ausstellung jetzt abbreche, dann wär das wirklich ein verbranntes Geld. Wir haben die Chance mit den Begleitveranstaltungen, und die würde ich wirklich durchziehen und ausreizen: mit den Begleitveranstaltungen hier Terrain zu gewinnen. Wenn da Verbote kämen, wenn da wieder die Zensur eingreift, dann würde ich alle Methoden, die die Zensur anwendet, offenlegen. Davor hat nämlich ein solcher Staat durchaus auch Ängste und Respekt, und da könnte man durchaus noch was retten."

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, stellte zu guter Letzt noch die grundsätzlichen Fragen, deren Diskussion man sich schon sehr viel früher gewünscht hätte.

"Für mich stellt sich wirklich die Frage, welche Lehre ziehen wir aus dem Ganzen eigentlich, was hier passiert ist. Wie wollen wir künftig eigentlich eine Kulturpolitik gestalten mit Ländern, die wir als Diktaturen bezeichnen können? Und ich glaube, diese Staatsnähe, die war bei allen guten Absichten, die diese Ausstellung hatte... wurde das am Ende, ich glaub das kann man jetzt schon sagen: zu einem Problem. Und ich mein, diese Superlative, mit dem das überhäuft wurde, das war im Grunde das, was es in ein ganz anderes Fahrwasser gebracht hat, aber die Frage stellt sich: sind diese gigantischen Großprojekte wirklich die geeigneten Formate, um Kulturpolitik im Dialog mit diesen Ländern wirklich zu betreiben. Und ich glaub, so wie es bis jetzt hier, wär meine Erfahrung eigentlich: nein. Und ich finde, wir sollten vielleicht auch noch abwarten und dann wirklich analysieren, was hier passiert ist."

Ein seltsamer Abend, der sich solidarisch zeigte mit Ai Wei Wei, der den Museumsdirektoren zu große Staatsnähe attestierte, ihnen aber auch nicht wirklich wehtun wollte. Die große Frage: Wie verhält man sich gegenüber Diktatoren "richtig"?, blieb undiskutiert.

Links bei dradio.de:
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