Theatertreffen Berlin

Von der Fläche in den Raum

Ein Mann fotografiert im Neuen Museum in Weimar das Werk "o.T. (Ikarus)" von Mark Lammert.
Das Werk "o.T. (Ikarus)" von Mark Lammert im Neuen Museum in Weimar. © picture alliance / dpa / Michael Reichel
Von Gerd Brendel · 02.05.2014
Abstrakte, karge Bilderwelten sind das Markenzeichen des Bühnenbildners Mark Lammert. Der Enkel des in der DDR angesehenen Bildhauers Will Lammert begann seine Karriere jedoch als Maler.
Kulisse als Hindernis und Zankapfel: Zu Beginn von Dimiter Gotscheffs Inszenierung der "Perser" drücken Wolfram Koch und Samuel Finzi erst wie zum Spaß, dann immer erbitterter gegen eine Schiebewand. Was als Zank um verschobene Zentimenter beginnt, wird zum absurden Streitbild – wenn die Wand mit einem Mal um die eigene Achse schwingt. Die Drehwand entpuppt sich wortwörtlich zum Dreh- und Angelpunkt der Inszenierung. Sie trennt die Sieger von den Besiegten, die Toten von den Lebenden und wird zur Projektionsfläche für die Schattenspiele der gestikulierenden Schauspieler.
Von allen Bühnenräumen, die Mark Lammert für Dimiter Gotscheff geschaffen hat, ist dieser Raum vielleicht der beeindruckendste. Davor und danach hat der Künstler immer wieder die Theatersprache Gotscheffs in abstrakte, karge Bildwelten übersetzt: Das waren quer über den Raum gespannte Stoffbahnen wie für "Die Chinesin" nach Godard 2010 an der Berliner Volksbühne, eine Fahrstuhltür wie für "Ödipus Tyrann" ein Jahr zuvor am Hamburger Thalia Theater oder auch nur eine riesenlange gelbe Kletterstange, wie für "Prometheus" wieder an der Berliner Volksbühne.
"Die Sage versucht, das Unerklärliche zu erklären. Da sie aus einem Wahrheitsgrund kommt, muss sie wieder ähh ..."
Erste Theater-Arbeiten Heiner Müller
Lammerts Bühnenräume sind meist einfach zu erklären und zu beschreiben – aber nicht einfach zu ergründen. Zum ersten Mal für das Theater arbeitete der Maler in der Nachwendezeit für Heiner Müller. Seine Bühnenräume für "Fatzer", "Philoktet" und "Germania 3" kamen mit wenigen farbigen Flächen aus. Reduktion, Fragment, Abstraktion –diese Stichworte fallen immer wieder in Artikeln über Lammerts Werk als Maler und Zeichner.
Noch zu DDR-Zeiten studierte er Malerei an der Berliner Kunsthochschule. Lammerts Bilder waren in mehreren Ausstellungen zur deutschen Kunst zu sehen. Mit seinem Weg in die dritte Dimension des Theaterraums hat Lammert vielleicht das Erbe seines Großvaters Will Lammert eingeholt. Der zu DDR-Zeiten angesehene Bildhauer galt als Vertreter eines neuen humanistischen Menschenbilds. Allerdings hat sich der Nachfahr schon lange von dessen sozialistischem Realismus entfernt. In einem Interview zitierte Mark Lammert auf die Frage nach dem Verhältnis von Theater und Malerei den Dramatiker Friedrich Hebbel.
"Schönheit ist Tiefe der Fläche."
Was er damit meint? Das lässt sich am besten in den Bühnenräumen erfahren, die Mark Lammert für Dimiter Gotscheff geschaffen hat.
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